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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

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Uebungen des Verstandes,
zu einer gewissen Zeit Dinge wider den or-
dentlichen Lauf der Natur wahrgenommen
würden; so wären sie für wahr zu halten,
weil wir selbst den Lauf der Natur nur durch
die sinnlichen Wahrnehmungen wissen.
Anmerk. 2. Wenn nach solchen ausserordent-
lichen Zeiten der gewöhnliche Lauf der Na-
tur wieder hergestellet würde; so wäre der-
selbe abermals in unbekannten Fällen für
wahr zu halten.
Anmerk. 3. Die Gauckler und Taschenspie-
ler, welche Vieles wider den Lauf der Natur
zu thun scheinen, wissen nur durch unver-
muthliche und geschwinde Verwechselung der
Sachen, oder durch Verhehlung ihrer be-
greiflichen Wissenschaft, den wirklichen Lauf
der Natur, der auch in ihren Handlungen
herrscht, zu verbergen.
5) Wenn eine Sache auf mancherley Art
wahrscheinlich
ist, 1) schon die durch vorherge-
henden Umstände, 2) schon durch nachfolgenden
Umstände, 3) schon durch die wahrscheinliche Zeug-
nisse u. s. w.: so ist sie wegen der Samlung solcher
Wahrscheinlichkeiten für wahr zu halten. So
urtheilt der weiseste Richter über Güter, über Leib
und Leben.
6) Wenn ein Glaube oder ein Lehrsatz wegen
einer
Uebungen des Verſtandes,
zu einer gewiſſen Zeit Dinge wider den or-
dentlichen Lauf der Natur wahrgenommen
wuͤrden; ſo waͤren ſie fuͤr wahr zu halten,
weil wir ſelbſt den Lauf der Natur nur durch
die ſinnlichen Wahrnehmungen wiſſen.
Anmerk. 2. Wenn nach ſolchen auſſerordent-
lichen Zeiten der gewoͤhnliche Lauf der Na-
tur wieder hergeſtellet wuͤrde; ſo waͤre der-
ſelbe abermals in unbekannten Faͤllen fuͤr
wahr zu halten.
Anmerk. 3. Die Gauckler und Taſchenſpie-
ler, welche Vieles wider den Lauf der Natur
zu thun ſcheinen, wiſſen nur durch unver-
muthliche und geſchwinde Verwechſelung der
Sachen, oder durch Verhehlung ihrer be-
greiflichen Wiſſenſchaft, den wirklichen Lauf
der Natur, der auch in ihren Handlungen
herrſcht, zu verbergen.
5) Wenn eine Sache auf mancherley Art
wahrſcheinlich
iſt, 1) ſchon die durch vorherge-
henden Umſtaͤnde, 2) ſchon durch nachfolgenden
Umſtaͤnde, 3) ſchon durch die wahrſcheinliche Zeug-
niſſe u. ſ. w.: ſo iſt ſie wegen der Samlung ſolcher
Wahrſcheinlichkeiten fuͤr wahr zu halten. So
urtheilt der weiſeſte Richter uͤber Guͤter, uͤber Leib
und Leben.
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einer
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[148/0172] Uebungen des Verſtandes, zu einer gewiſſen Zeit Dinge wider den or- dentlichen Lauf der Natur wahrgenommen wuͤrden; ſo waͤren ſie fuͤr wahr zu halten, weil wir ſelbſt den Lauf der Natur nur durch die ſinnlichen Wahrnehmungen wiſſen. Anmerk. 2. Wenn nach ſolchen auſſerordent- lichen Zeiten der gewoͤhnliche Lauf der Na- tur wieder hergeſtellet wuͤrde; ſo waͤre der- ſelbe abermals in unbekannten Faͤllen fuͤr wahr zu halten. Anmerk. 3. Die Gauckler und Taſchenſpie- ler, welche Vieles wider den Lauf der Natur zu thun ſcheinen, wiſſen nur durch unver- muthliche und geſchwinde Verwechſelung der Sachen, oder durch Verhehlung ihrer be- greiflichen Wiſſenſchaft, den wirklichen Lauf der Natur, der auch in ihren Handlungen herrſcht, zu verbergen. 5) Wenn eine Sache auf mancherley Art wahrſcheinlich iſt, 1) ſchon die durch vorherge- henden Umſtaͤnde, 2) ſchon durch nachfolgenden Umſtaͤnde, 3) ſchon durch die wahrſcheinliche Zeug- niſſe u. ſ. w.: ſo iſt ſie wegen der Samlung ſolcher Wahrſcheinlichkeiten fuͤr wahr zu halten. So urtheilt der weiſeſte Richter uͤber Guͤter, uͤber Leib und Leben. 6) Wenn ein Glaube oder ein Lehrſatz wegen einer

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/172>, abgerufen am 26.04.2024.