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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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kann blos seine Einnahme an Grundrenten, der Arbeiter die sei-
nige durch Arbeitsrenten, der Capitalist die seinige durch Capital-
renten und der Gewerbsunternehmer jene durch die Gewerbsge-
winnste verzehren, wenn man Einnahmen durch Schenkung, Be-
trug, Spiel u. s. w., die blos den entsprechenden Einnahmen ande-
rer entzogen sind, abrechnet. Je größer daher die Zahl der wirk-
lichen bloßen Consumenten in wirthschaftlicher Hinsicht und der
Consumenten, welche der Gesellschaft auch sonst gar keine Vortheile
gewähren, ist, um so weniger wird die Volkswirthschaft im Stande
sein, sich zu heben, zum Theile weil der Production um so mehr
Hände entzogen und zum Theile weil das Uebersparen zur Capital-
anlage vermindert wird1).

1) Daher wenigstens zum Theile die schlimmen Folgen von Kriegen, großen
stehenden Heeren, vieler Staatsbeamten, eines großen geistlichen Standes, der
Sinecuren u. dgl. auf die Volkswirthschaft. Die Zahl der Kinder hängt mit der
Zunahme der Bevölkerung, diese aber mit der Production zusammen.
§. 427.
2) Die Bevölkerung im Ganzen.

Die Menschen verhalten sich, was ihre Fortpflanzung anbe-
langt, nicht anders als die Thiere. Man sieht die Menge der
Letzteren sich vermehren, wann und wo ihnen die Natur und ihr
Instinkt genug Nahrung gibt und verschafft. So einfach dies auch
ist, so suchte man doch früher die Gründe der Zu- und Abnahme
der Bevölkerung in mehr zufälligen Ereignissen, wie z. B. in
Kriegen, Fehljahren, Hungersnoth, Zunahme der Heilkunst, in
Staatsmaaßregeln zur Vermehrung der Bevölkerung u. dgl. mehr.
Allein die Geschichte und Statistik zeigt, daß Gründe, wie die
drei ersteren, zwar local und kurz periodisch die bestehende Bevöl-
kerung verringern können, daß die ärztliche Kunst in ihren Fort-
schritten das menschliche Leben leidlicher und länger macht, und
daß die Maaßregeln der Regirung, als da sind Beförderung oder
Erschwerung der Verehelichung, des Aus- und Einwanderns wenig
oder gar nichts fruchten. Und dabei ist immer nicht erklärt ge-
wesen, warum trotz aller jener Ereignisse die Bevölkerung bis jetzt
immer im Steigen begriffen war, und unbekümmert um Regi-
rungsmaaßregeln beständig ihren natürlichen Verlauf behielt. Ein
unabänderliches Naturgesetz gibt auch der Bevölkerung ihren Lauf.
Sie steigt und fällt mit der Abnahme der Sterblichkeit und Zu-
nahme der Geburten, und mit der Zunahme der Ersteren und
Abnahme der Letzteren. Der Geschlechtstrieb und die Annehmlich-
keiten des Familienlebens bestimmen den Mann und das Weib zur

kann blos ſeine Einnahme an Grundrenten, der Arbeiter die ſei-
nige durch Arbeitsrenten, der Capitaliſt die ſeinige durch Capital-
renten und der Gewerbsunternehmer jene durch die Gewerbsge-
winnſte verzehren, wenn man Einnahmen durch Schenkung, Be-
trug, Spiel u. ſ. w., die blos den entſprechenden Einnahmen ande-
rer entzogen ſind, abrechnet. Je größer daher die Zahl der wirk-
lichen bloßen Conſumenten in wirthſchaftlicher Hinſicht und der
Conſumenten, welche der Geſellſchaft auch ſonſt gar keine Vortheile
gewähren, iſt, um ſo weniger wird die Volkswirthſchaft im Stande
ſein, ſich zu heben, zum Theile weil der Production um ſo mehr
Hände entzogen und zum Theile weil das Ueberſparen zur Capital-
anlage vermindert wird1).

1) Daher wenigſtens zum Theile die ſchlimmen Folgen von Kriegen, großen
ſtehenden Heeren, vieler Staatsbeamten, eines großen geiſtlichen Standes, der
Sinecuren u. dgl. auf die Volkswirthſchaft. Die Zahl der Kinder hängt mit der
Zunahme der Bevölkerung, dieſe aber mit der Production zuſammen.
§. 427.
2) Die Bevölkerung im Ganzen.

Die Menſchen verhalten ſich, was ihre Fortpflanzung anbe-
langt, nicht anders als die Thiere. Man ſieht die Menge der
Letzteren ſich vermehren, wann und wo ihnen die Natur und ihr
Inſtinkt genug Nahrung gibt und verſchafft. So einfach dies auch
iſt, ſo ſuchte man doch früher die Gründe der Zu- und Abnahme
der Bevölkerung in mehr zufälligen Ereigniſſen, wie z. B. in
Kriegen, Fehljahren, Hungersnoth, Zunahme der Heilkunſt, in
Staatsmaaßregeln zur Vermehrung der Bevölkerung u. dgl. mehr.
Allein die Geſchichte und Statiſtik zeigt, daß Gründe, wie die
drei erſteren, zwar local und kurz periodiſch die beſtehende Bevöl-
kerung verringern können, daß die ärztliche Kunſt in ihren Fort-
ſchritten das menſchliche Leben leidlicher und länger macht, und
daß die Maaßregeln der Regirung, als da ſind Beförderung oder
Erſchwerung der Verehelichung, des Aus- und Einwanderns wenig
oder gar nichts fruchten. Und dabei iſt immer nicht erklärt ge-
weſen, warum trotz aller jener Ereigniſſe die Bevölkerung bis jetzt
immer im Steigen begriffen war, und unbekümmert um Regi-
rungsmaaßregeln beſtändig ihren natürlichen Verlauf behielt. Ein
unabänderliches Naturgeſetz gibt auch der Bevölkerung ihren Lauf.
Sie ſteigt und fällt mit der Abnahme der Sterblichkeit und Zu-
nahme der Geburten, und mit der Zunahme der Erſteren und
Abnahme der Letzteren. Der Geſchlechtstrieb und die Annehmlich-
keiten des Familienlebens beſtimmen den Mann und das Weib zur

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[606/0628] kann blos ſeine Einnahme an Grundrenten, der Arbeiter die ſei- nige durch Arbeitsrenten, der Capitaliſt die ſeinige durch Capital- renten und der Gewerbsunternehmer jene durch die Gewerbsge- winnſte verzehren, wenn man Einnahmen durch Schenkung, Be- trug, Spiel u. ſ. w., die blos den entſprechenden Einnahmen ande- rer entzogen ſind, abrechnet. Je größer daher die Zahl der wirk- lichen bloßen Conſumenten in wirthſchaftlicher Hinſicht und der Conſumenten, welche der Geſellſchaft auch ſonſt gar keine Vortheile gewähren, iſt, um ſo weniger wird die Volkswirthſchaft im Stande ſein, ſich zu heben, zum Theile weil der Production um ſo mehr Hände entzogen und zum Theile weil das Ueberſparen zur Capital- anlage vermindert wird1). ¹⁾ Daher wenigſtens zum Theile die ſchlimmen Folgen von Kriegen, großen ſtehenden Heeren, vieler Staatsbeamten, eines großen geiſtlichen Standes, der Sinecuren u. dgl. auf die Volkswirthſchaft. Die Zahl der Kinder hängt mit der Zunahme der Bevölkerung, dieſe aber mit der Production zuſammen. §. 427. 2) Die Bevölkerung im Ganzen. Die Menſchen verhalten ſich, was ihre Fortpflanzung anbe- langt, nicht anders als die Thiere. Man ſieht die Menge der Letzteren ſich vermehren, wann und wo ihnen die Natur und ihr Inſtinkt genug Nahrung gibt und verſchafft. So einfach dies auch iſt, ſo ſuchte man doch früher die Gründe der Zu- und Abnahme der Bevölkerung in mehr zufälligen Ereigniſſen, wie z. B. in Kriegen, Fehljahren, Hungersnoth, Zunahme der Heilkunſt, in Staatsmaaßregeln zur Vermehrung der Bevölkerung u. dgl. mehr. Allein die Geſchichte und Statiſtik zeigt, daß Gründe, wie die drei erſteren, zwar local und kurz periodiſch die beſtehende Bevöl- kerung verringern können, daß die ärztliche Kunſt in ihren Fort- ſchritten das menſchliche Leben leidlicher und länger macht, und daß die Maaßregeln der Regirung, als da ſind Beförderung oder Erſchwerung der Verehelichung, des Aus- und Einwanderns wenig oder gar nichts fruchten. Und dabei iſt immer nicht erklärt ge- weſen, warum trotz aller jener Ereigniſſe die Bevölkerung bis jetzt immer im Steigen begriffen war, und unbekümmert um Regi- rungsmaaßregeln beſtändig ihren natürlichen Verlauf behielt. Ein unabänderliches Naturgeſetz gibt auch der Bevölkerung ihren Lauf. Sie ſteigt und fällt mit der Abnahme der Sterblichkeit und Zu- nahme der Geburten, und mit der Zunahme der Erſteren und Abnahme der Letzteren. Der Geſchlechtstrieb und die Annehmlich- keiten des Familienlebens beſtimmen den Mann und das Weib zur

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/628>, abgerufen am 26.04.2024.