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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Drittes Stück.
Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden.
§. 505.
1) Verzinsung.

Die Verzinsung der Staatsschuld ist eine heilige Pflicht des
Staats, nicht blos, weil er sie vertragsmäßig versprochen hat,
sondern weil er auch selbst den Schutz des Rechts und Volkswohl-
standes als Staat, so weit er in seiner Gewalt steht, zu gewähren
verpflichtet ist. Der Staat muß den Zins seiner Schulden mit
voller Sicherheit, in seiner versprochenen Größe und Geldsorte
ohne öffentliche und geheime Schmälerung, zur bedungenen Zeit
und am bestimmten Orte den sich meldenden und zu seinem Bezuge
berechtigten Gläubigern ausbezahlen. Zur Erleichterung und Con-
trole der Zinszahlung sind die Quittungen dafür (Coupons) den
Obligationen schon beigegeben, so daß sie der Inhaber nur einzeln
für jeden Zinstermin (franz. fin) an die zahlende Kasse abzugeben
braucht. Die Verzinsung geschieht, wenn sie nicht zum Capitale
geschlagen wird, viertel- oder halbjährlich entweder in der Haupt-
stadt oder auch in Provinzialstädten oder gar auf ganz fremden
Börsen. Wenn sich der Curs der Staatspapiere wegen des Sinkens
vom allgemeinen Zinsfuße sehr hoch gestellt hat, oder wenn der
Staat ein Anleihen zu geringerem Zinse, als das ältere einen
bezahlt, bekommen kann, so kann er eine Zinsenreduction vor-
nehmen, d. h. den älteren Gläubigern geringere Zinsen unter der
Freistellung der Wahl anbieten, ob sie ihr Capital lieber ausbezahlt
haben wollen. Unter diesen Bedingungen erscheint sie durchaus
nicht als eine Ungerechtigkeit, wofür man sie sonst schon im Allge-
meinen oder dann erklären wollte, wenn der neu angebotene Zins
unter dem durchschnittlichen stehe1).

1) Dieser Ansicht ist noch Nebenius I. 297. mit vielen Andern. S. dage-
gen Meine Versuche. S. 325 folg.
§. 506.
2) Tilgung.

Die Pflicht des Staats, die Steuerlast der Unterthanen bald
und möglichst zu vereinigen; die Forderung der Klugheit, daß er
sich die Verwaltung so leicht und einfach mache, als es ohne
reellen Schaden in den Staatszwecken geschehen kann; und der
Schuldvertrag fordern vom Staate die Tilgung seiner Schulden.
Eine theilweise oder gänzliche eigenmächtige Vernichtung oder

Drittes Stück.
Verzinſung und Tilgung der Staatsſchulden.
§. 505.
1) Verzinſung.

Die Verzinſung der Staatsſchuld iſt eine heilige Pflicht des
Staats, nicht blos, weil er ſie vertragsmäßig verſprochen hat,
ſondern weil er auch ſelbſt den Schutz des Rechts und Volkswohl-
ſtandes als Staat, ſo weit er in ſeiner Gewalt ſteht, zu gewähren
verpflichtet iſt. Der Staat muß den Zins ſeiner Schulden mit
voller Sicherheit, in ſeiner verſprochenen Größe und Geldſorte
ohne öffentliche und geheime Schmälerung, zur bedungenen Zeit
und am beſtimmten Orte den ſich meldenden und zu ſeinem Bezuge
berechtigten Gläubigern ausbezahlen. Zur Erleichterung und Con-
trole der Zinszahlung ſind die Quittungen dafür (Coupons) den
Obligationen ſchon beigegeben, ſo daß ſie der Inhaber nur einzeln
für jeden Zinstermin (franz. fin) an die zahlende Kaſſe abzugeben
braucht. Die Verzinſung geſchieht, wenn ſie nicht zum Capitale
geſchlagen wird, viertel- oder halbjährlich entweder in der Haupt-
ſtadt oder auch in Provinzialſtädten oder gar auf ganz fremden
Börſen. Wenn ſich der Curs der Staatspapiere wegen des Sinkens
vom allgemeinen Zinsfuße ſehr hoch geſtellt hat, oder wenn der
Staat ein Anleihen zu geringerem Zinſe, als das ältere einen
bezahlt, bekommen kann, ſo kann er eine Zinſenreduction vor-
nehmen, d. h. den älteren Gläubigern geringere Zinſen unter der
Freiſtellung der Wahl anbieten, ob ſie ihr Capital lieber ausbezahlt
haben wollen. Unter dieſen Bedingungen erſcheint ſie durchaus
nicht als eine Ungerechtigkeit, wofür man ſie ſonſt ſchon im Allge-
meinen oder dann erklären wollte, wenn der neu angebotene Zins
unter dem durchſchnittlichen ſtehe1).

1) Dieſer Anſicht iſt noch Nebenius I. 297. mit vielen Andern. S. dage-
gen Meine Verſuche. S. 325 folg.
§. 506.
2) Tilgung.

Die Pflicht des Staats, die Steuerlaſt der Unterthanen bald
und möglichſt zu vereinigen; die Forderung der Klugheit, daß er
ſich die Verwaltung ſo leicht und einfach mache, als es ohne
reellen Schaden in den Staatszwecken geſchehen kann; und der
Schuldvertrag fordern vom Staate die Tilgung ſeiner Schulden.
Eine theilweiſe oder gänzliche eigenmächtige Vernichtung oder

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[759/0781] Drittes Stück. Verzinſung und Tilgung der Staatsſchulden. §. 505. 1) Verzinſung. Die Verzinſung der Staatsſchuld iſt eine heilige Pflicht des Staats, nicht blos, weil er ſie vertragsmäßig verſprochen hat, ſondern weil er auch ſelbſt den Schutz des Rechts und Volkswohl- ſtandes als Staat, ſo weit er in ſeiner Gewalt ſteht, zu gewähren verpflichtet iſt. Der Staat muß den Zins ſeiner Schulden mit voller Sicherheit, in ſeiner verſprochenen Größe und Geldſorte ohne öffentliche und geheime Schmälerung, zur bedungenen Zeit und am beſtimmten Orte den ſich meldenden und zu ſeinem Bezuge berechtigten Gläubigern ausbezahlen. Zur Erleichterung und Con- trole der Zinszahlung ſind die Quittungen dafür (Coupons) den Obligationen ſchon beigegeben, ſo daß ſie der Inhaber nur einzeln für jeden Zinstermin (franz. fin) an die zahlende Kaſſe abzugeben braucht. Die Verzinſung geſchieht, wenn ſie nicht zum Capitale geſchlagen wird, viertel- oder halbjährlich entweder in der Haupt- ſtadt oder auch in Provinzialſtädten oder gar auf ganz fremden Börſen. Wenn ſich der Curs der Staatspapiere wegen des Sinkens vom allgemeinen Zinsfuße ſehr hoch geſtellt hat, oder wenn der Staat ein Anleihen zu geringerem Zinſe, als das ältere einen bezahlt, bekommen kann, ſo kann er eine Zinſenreduction vor- nehmen, d. h. den älteren Gläubigern geringere Zinſen unter der Freiſtellung der Wahl anbieten, ob ſie ihr Capital lieber ausbezahlt haben wollen. Unter dieſen Bedingungen erſcheint ſie durchaus nicht als eine Ungerechtigkeit, wofür man ſie ſonſt ſchon im Allge- meinen oder dann erklären wollte, wenn der neu angebotene Zins unter dem durchſchnittlichen ſtehe1). ¹⁾ Dieſer Anſicht iſt noch Nebenius I. 297. mit vielen Andern. S. dage- gen Meine Verſuche. S. 325 folg. §. 506. 2) Tilgung. Die Pflicht des Staats, die Steuerlaſt der Unterthanen bald und möglichſt zu vereinigen; die Forderung der Klugheit, daß er ſich die Verwaltung ſo leicht und einfach mache, als es ohne reellen Schaden in den Staatszwecken geſchehen kann; und der Schuldvertrag fordern vom Staate die Tilgung ſeiner Schulden. Eine theilweiſe oder gänzliche eigenmächtige Vernichtung oder

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 759. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/781>, abgerufen am 26.04.2024.