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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Schmiedekunst im Mittelalter.
einem Teig, füttert damit hungerige Mastvögel, diese verdauen die
schwere Speise und Wieland sammelt ihren Kot. Aus diesem schmelzt
er das reine Eisen aus, "von Schlacken lauter und klar", aus dem er
dann das zweite und nachdem er dieselbe Prozedur noch einmal wieder-
holt hatte, das dritte, herrliche Schwert schuf.

Diese Stelle dürfte beweisen, dass die Anwendung von Mehl und
Vogelkot als Mittel zur Stahlhärtung bereits im frühen Mittelalter be-
kannt und gebräuchlich war.

Die Schmiedekunst.

Die Schmiedekunst hat im Mittelalter eine solche Höhe der
Entwickelung erreicht, dass sie in vielen Beziehungen noch heute als
mustergiltig, zum Teil als unerreicht dasteht. Wir erinnern nur an
die Kunst der Schwertschmiede und der Harnischmacher, aber auch
die Kunst der Schlosser und der Feinschmiede war eine solche, dass
die Arbeiten jener Zeit heute wieder als Vorbilder zur Nachahmung
dienen und neuerdings vollständig in Mode gekommen sind.

Durch die Erfindung des Eisengusses und durch die Benutzung zahl-
reicher mechanischer Hilfsmittel, der Dampfhämmer, Bohrmaschinen,
Pressen u. s. w. war die Handschmiedekunst seit der Zeit des Mittel-
alters zurückgegangen. Die maschinellen Hilfsmittel beeinträchtigen
die Handfertigkeit. Violet le duc sagt sehr treffend: "En perfection-
nant les procedes mecaniques, l'homme neglige peu a peu cet outil
superieur a tout autre qu'on appelle la main 1)."

Wir müssen an den mittelalterlichen Schmiedearbeiten nicht nur
die Schönheit der Form und der Ausführung bewundern, sondern auch
die Arbeit selbst, die ohne alle die mechanischen Hilfsmittel der Neu-
zeit nur mittels Hammer und Amboss mit der Hand dargestellt
wurden.

Die Römer waren in der Schmiedekunst bereits auf eine achtungs-
werte Höhe gelangt. Wir kennen eiserne Agraffen, Gewandnadeln,
Nägel, Pferdegeschirre, ferner Waffen, Helme u. s. w., die von Ge-
schmack und Kunst zeugen. An dem oben erwähnten eisernen
Schmuckkästchen 2) konnten wir bereits die Geschicklichkeit im Zise-

1) Violet le duc, -- Dictionnaire de l'architecture, Bd. VIII, S. 288 etc. Artikel:
Serrurerie.
2) S. 572.

Schmiedekunst im Mittelalter.
einem Teig, füttert damit hungerige Mastvögel, diese verdauen die
schwere Speise und Wieland sammelt ihren Kot. Aus diesem schmelzt
er das reine Eisen aus, „von Schlacken lauter und klar“, aus dem er
dann das zweite und nachdem er dieselbe Prozedur noch einmal wieder-
holt hatte, das dritte, herrliche Schwert schuf.

Diese Stelle dürfte beweisen, daſs die Anwendung von Mehl und
Vogelkot als Mittel zur Stahlhärtung bereits im frühen Mittelalter be-
kannt und gebräuchlich war.

Die Schmiedekunst.

Die Schmiedekunst hat im Mittelalter eine solche Höhe der
Entwickelung erreicht, daſs sie in vielen Beziehungen noch heute als
mustergiltig, zum Teil als unerreicht dasteht. Wir erinnern nur an
die Kunst der Schwertschmiede und der Harnischmacher, aber auch
die Kunst der Schlosser und der Feinschmiede war eine solche, daſs
die Arbeiten jener Zeit heute wieder als Vorbilder zur Nachahmung
dienen und neuerdings vollständig in Mode gekommen sind.

Durch die Erfindung des Eisengusses und durch die Benutzung zahl-
reicher mechanischer Hilfsmittel, der Dampfhämmer, Bohrmaschinen,
Pressen u. s. w. war die Handschmiedekunst seit der Zeit des Mittel-
alters zurückgegangen. Die maschinellen Hilfsmittel beeinträchtigen
die Handfertigkeit. Violet le duc sagt sehr treffend: „En perfection-
nant les procédés mécaniques, l’homme néglige peu à peu cet outil
supérieur à tout autre qu’on appelle la main 1).“

Wir müssen an den mittelalterlichen Schmiedearbeiten nicht nur
die Schönheit der Form und der Ausführung bewundern, sondern auch
die Arbeit selbst, die ohne alle die mechanischen Hilfsmittel der Neu-
zeit nur mittels Hammer und Amboſs mit der Hand dargestellt
wurden.

Die Römer waren in der Schmiedekunst bereits auf eine achtungs-
werte Höhe gelangt. Wir kennen eiserne Agraffen, Gewandnadeln,
Nägel, Pferdegeschirre, ferner Waffen, Helme u. s. w., die von Ge-
schmack und Kunst zeugen. An dem oben erwähnten eisernen
Schmuckkästchen 2) konnten wir bereits die Geschicklichkeit im Zise-

1) Violet le duc, — Dictionnaire de l’architecture, Bd. VIII, S. 288 etc. Artikel:
Serrurerie.
2) S. 572.
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[837/0859] Schmiedekunst im Mittelalter. einem Teig, füttert damit hungerige Mastvögel, diese verdauen die schwere Speise und Wieland sammelt ihren Kot. Aus diesem schmelzt er das reine Eisen aus, „von Schlacken lauter und klar“, aus dem er dann das zweite und nachdem er dieselbe Prozedur noch einmal wieder- holt hatte, das dritte, herrliche Schwert schuf. Diese Stelle dürfte beweisen, daſs die Anwendung von Mehl und Vogelkot als Mittel zur Stahlhärtung bereits im frühen Mittelalter be- kannt und gebräuchlich war. Die Schmiedekunst. Die Schmiedekunst hat im Mittelalter eine solche Höhe der Entwickelung erreicht, daſs sie in vielen Beziehungen noch heute als mustergiltig, zum Teil als unerreicht dasteht. Wir erinnern nur an die Kunst der Schwertschmiede und der Harnischmacher, aber auch die Kunst der Schlosser und der Feinschmiede war eine solche, daſs die Arbeiten jener Zeit heute wieder als Vorbilder zur Nachahmung dienen und neuerdings vollständig in Mode gekommen sind. Durch die Erfindung des Eisengusses und durch die Benutzung zahl- reicher mechanischer Hilfsmittel, der Dampfhämmer, Bohrmaschinen, Pressen u. s. w. war die Handschmiedekunst seit der Zeit des Mittel- alters zurückgegangen. Die maschinellen Hilfsmittel beeinträchtigen die Handfertigkeit. Violet le duc sagt sehr treffend: „En perfection- nant les procédés mécaniques, l’homme néglige peu à peu cet outil supérieur à tout autre qu’on appelle la main 1).“ Wir müssen an den mittelalterlichen Schmiedearbeiten nicht nur die Schönheit der Form und der Ausführung bewundern, sondern auch die Arbeit selbst, die ohne alle die mechanischen Hilfsmittel der Neu- zeit nur mittels Hammer und Amboſs mit der Hand dargestellt wurden. Die Römer waren in der Schmiedekunst bereits auf eine achtungs- werte Höhe gelangt. Wir kennen eiserne Agraffen, Gewandnadeln, Nägel, Pferdegeschirre, ferner Waffen, Helme u. s. w., die von Ge- schmack und Kunst zeugen. An dem oben erwähnten eisernen Schmuckkästchen 2) konnten wir bereits die Geschicklichkeit im Zise- 1) Violet le duc, — Dictionnaire de l’architecture, Bd. VIII, S. 288 etc. Artikel: Serrurerie. 2) S. 572.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 837. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/859>, abgerufen am 27.04.2024.