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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Schmiedezunft.
küchenmeister, aber an den hohen Festtagen, Weihnachten, Ostern,
Pfingsten und Allerheiligen erhielt diese der Hofprediger und am
Festtage des heiligen Eligius (1. Dezbr.) bekamen sie samt Wein die
Schmiede, die des Fürsten Pferde beschlugen, am St. Georgstag der
Waffenschmied, der Karls des Kühnen Harnisch putzte. "Da sollen sie
dann ärger eingehauen haben, als sie sonst beim Amboss pflegten,
wenn der Possekel (Fallhammer von circa 40 Pfund Gewicht) seine
Schuldigkeit thun musste".

Die zünftigen Schmiede wehrten sich mit Eifer und Erfolg gegen
die Übergriffe der Händler, wenn dieselben fremde Waren ihres Ge-
werkes in der Stadt verkauften; so geschah dies 1425 in Ulm, wo der
Rat in dem Streite zwischen der Schmiede- und der Krämerzunft zu
Gunsten der ersteren entschied 1). Nicht minder häufig waren Streitig-
keiten zwischen Grob- und Kleinschmieden über die Grenzen ihrer
Befugnisse.

Vervollkommnung der Hilfsmittel.

Die Drahtzieher, Nadler und Blechner.

Die grosse Geschicklichkeit der Eisenschmiede des Mittelalters
auf allen Gebieten ihrer Kunst haben wir wiederholt hervorgehoben.
Betrachten wir aber die Werkzeuge, mit denen sie ihre Arbeiten aus-
führten, so ist nur ein sehr allmählicher Fortschritt bei diesen zu kon-
statieren.

Eine bessere und allgemeinere Behandlung und Verwendung des
Stahles ist nachweisbar. Die hellpolierten Stahlwaffen (armes blanches)
finden sich schon im 10. Jahrhundert. Stahlhärtemittel, d. h. Mittel,
um weiches Eisen durch Aufnahme von Kohlenstoff (Karbonisieren)
äusserlich zu stählen, werden schon sehr frühe erwähnt 2), doch
werden sie, wie dies ja vielfach noch in unserer Zeit geschieht, als
Geheimmittel behandelt. Ein solches Härtemittel für Stahl empfiehlt
beispielsweise schon Albertus Magnus, nämlich den Saft von Rettigen
und Regenwürmern, was etwas lebhaft an "Türkennas und Tartarlipp"
aus der Hexenküche in Shakespeares Macbeth erinnert.

Unter den mechanischen Hilfsmitteln, die man zur Verarbeitung
des Eisens erfand, verdienen vor allem die Drahtzüge Erwähnung.

1) Berlepsch a. a. O. 86.
2) Siehe oben Wielandslied S. 592.

Die Schmiedezunft.
küchenmeister, aber an den hohen Festtagen, Weihnachten, Ostern,
Pfingsten und Allerheiligen erhielt diese der Hofprediger und am
Festtage des heiligen Eligius (1. Dezbr.) bekamen sie samt Wein die
Schmiede, die des Fürsten Pferde beschlugen, am St. Georgstag der
Waffenschmied, der Karls des Kühnen Harnisch putzte. „Da sollen sie
dann ärger eingehauen haben, als sie sonst beim Amboſs pflegten,
wenn der Possekel (Fallhammer von circa 40 Pfund Gewicht) seine
Schuldigkeit thun muſste“.

Die zünftigen Schmiede wehrten sich mit Eifer und Erfolg gegen
die Übergriffe der Händler, wenn dieselben fremde Waren ihres Ge-
werkes in der Stadt verkauften; so geschah dies 1425 in Ulm, wo der
Rat in dem Streite zwischen der Schmiede- und der Krämerzunft zu
Gunsten der ersteren entschied 1). Nicht minder häufig waren Streitig-
keiten zwischen Grob- und Kleinschmieden über die Grenzen ihrer
Befugnisse.

Vervollkommnung der Hilfsmittel.

Die Drahtzieher, Nadler und Blechner.

Die groſse Geschicklichkeit der Eisenschmiede des Mittelalters
auf allen Gebieten ihrer Kunst haben wir wiederholt hervorgehoben.
Betrachten wir aber die Werkzeuge, mit denen sie ihre Arbeiten aus-
führten, so ist nur ein sehr allmählicher Fortschritt bei diesen zu kon-
statieren.

Eine bessere und allgemeinere Behandlung und Verwendung des
Stahles ist nachweisbar. Die hellpolierten Stahlwaffen (armes blanches)
finden sich schon im 10. Jahrhundert. Stahlhärtemittel, d. h. Mittel,
um weiches Eisen durch Aufnahme von Kohlenstoff (Karbonisieren)
äuſserlich zu stählen, werden schon sehr frühe erwähnt 2), doch
werden sie, wie dies ja vielfach noch in unserer Zeit geschieht, als
Geheimmittel behandelt. Ein solches Härtemittel für Stahl empfiehlt
beispielsweise schon Albertus Magnus, nämlich den Saft von Rettigen
und Regenwürmern, was etwas lebhaft an „Türkennas und Tartarlipp“
aus der Hexenküche in Shakespeares Macbeth erinnert.

Unter den mechanischen Hilfsmitteln, die man zur Verarbeitung
des Eisens erfand, verdienen vor allem die Drahtzüge Erwähnung.

1) Berlepsch a. a. O. 86.
2) Siehe oben Wielandslied S. 592.
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[887/0909] Die Schmiedezunft. küchenmeister, aber an den hohen Festtagen, Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Allerheiligen erhielt diese der Hofprediger und am Festtage des heiligen Eligius (1. Dezbr.) bekamen sie samt Wein die Schmiede, die des Fürsten Pferde beschlugen, am St. Georgstag der Waffenschmied, der Karls des Kühnen Harnisch putzte. „Da sollen sie dann ärger eingehauen haben, als sie sonst beim Amboſs pflegten, wenn der Possekel (Fallhammer von circa 40 Pfund Gewicht) seine Schuldigkeit thun muſste“. Die zünftigen Schmiede wehrten sich mit Eifer und Erfolg gegen die Übergriffe der Händler, wenn dieselben fremde Waren ihres Ge- werkes in der Stadt verkauften; so geschah dies 1425 in Ulm, wo der Rat in dem Streite zwischen der Schmiede- und der Krämerzunft zu Gunsten der ersteren entschied 1). Nicht minder häufig waren Streitig- keiten zwischen Grob- und Kleinschmieden über die Grenzen ihrer Befugnisse. Vervollkommnung der Hilfsmittel. Die Drahtzieher, Nadler und Blechner. Die groſse Geschicklichkeit der Eisenschmiede des Mittelalters auf allen Gebieten ihrer Kunst haben wir wiederholt hervorgehoben. Betrachten wir aber die Werkzeuge, mit denen sie ihre Arbeiten aus- führten, so ist nur ein sehr allmählicher Fortschritt bei diesen zu kon- statieren. Eine bessere und allgemeinere Behandlung und Verwendung des Stahles ist nachweisbar. Die hellpolierten Stahlwaffen (armes blanches) finden sich schon im 10. Jahrhundert. Stahlhärtemittel, d. h. Mittel, um weiches Eisen durch Aufnahme von Kohlenstoff (Karbonisieren) äuſserlich zu stählen, werden schon sehr frühe erwähnt 2), doch werden sie, wie dies ja vielfach noch in unserer Zeit geschieht, als Geheimmittel behandelt. Ein solches Härtemittel für Stahl empfiehlt beispielsweise schon Albertus Magnus, nämlich den Saft von Rettigen und Regenwürmern, was etwas lebhaft an „Türkennas und Tartarlipp“ aus der Hexenküche in Shakespeares Macbeth erinnert. Unter den mechanischen Hilfsmitteln, die man zur Verarbeitung des Eisens erfand, verdienen vor allem die Drahtzüge Erwähnung. 1) Berlepsch a. a. O. 86. 2) Siehe oben Wielandslied S. 592.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 887. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/909>, abgerufen am 26.04.2024.