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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Zünfte im 17. Jahrhundert.
vereinigt waren, ging es schon besser. Jede Zunft hatte ihre Ord-
nung 1), in welcher die Tage der Versammlungen und deren Kom-
petenzen bestimmt waren. Ferner waren darin die Strafen, die Bei-
träge zur Bruderlade, die "guten Montage", die Kündigung und Verab-
schiedung, die Pflichten wandernder Gesellen, das Geschenk, geordnet
und festgesetzt. Man unterschied gesperrte, freie, ungesperrte und
geschenkte Handwerke 2). Ein gesperrtes Handwerk hatte nur
in bestimmten Städten oder Bezirken seinen Sitz, die Gesellen des-
selben durften nur an den gesperrten Plätzen wandern; keine aus-
wärtigen Gesellen wurden angenommen. Ein freies Handwerk durfte
dagegen ein jeder treiben, der die Kunst verstand. Die unge-
sperrten
und geschenkten Handwerke waren diejenigen, welche
allgemein verbreitet waren, an allen grösseren Plätzen bestanden und
zu Zünften vereinigt waren, deren Gesellen überall wandern durften
und heute hier, morgen da arbeiteten. Bei diesen mussten die Ge-
sellen nach vollbrachten Lehrjahren die Wanderschaft antreten, um
sich anderswo zu versuchen und zu lernen; diese erhielten aber auch,
wo sie hinkamen, gewisse freie Zehrung und Geschenke.

Unter die gesperrten Handwerke zählte man die Drahtzieher,
welche unter anderen Stücken ihres Meisterstücks ein Pfund Messing-
und ein Pfund Eisenzitterdraht, so fein als ein Haar gezogen, machen
mussten. Zu den freien Handwerken gehörten dagegen die Panzer-
macher und Bogener.

Unter die ungesperrten, freien und geschenkten Handwerker
wurden gerechnet: die Plattner oder Harnischmacher, Schleifer und
Polierer, die Schwertfeger, welche gemeiniglich mit den Messer-
schmieden einerlei Amt hielten und die Büchsenmacher; sodann die
Näh- und Stecknadelmacher, "welche durch ganz Deutschland
und vielen angrenzenden Königreichen und Ländern mit einem davon
reisenden Gesellen sehr nutzbaren Geschenk versehen waren." In
der Kaiserlichen freien Reichsstadt Nürnberg ist von undenklichen
Jahren her ihre Ober-Hauptlade gewesen und hielten sich zu selbiger
alle diejenigen Meister, so in benachbarten kleinen Orten wohnten,
wo keine Laden eingerichtet waren. In Breslau aber, in der schlesi-
schen Hauptstadt, hatten sie die Ober-Zechlade, zu welcher sich alle

1) So z. B. die Bruderschaftsordnung der Schmiede- und Schlossergesellen zu
Jena vom Jahre 1678 abgedruckt in H. A. Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter,
S. 162.
2) Vergl. des geöffneten Ritterplatzes IV. Teil 1705, S. 223 und Chr. Weigel,
Abbildung der gemeinnützlichen Hauptstände. Regensburg 1698.

Die Zünfte im 17. Jahrhundert.
vereinigt waren, ging es schon besser. Jede Zunft hatte ihre Ord-
nung 1), in welcher die Tage der Versammlungen und deren Kom-
petenzen bestimmt waren. Ferner waren darin die Strafen, die Bei-
träge zur Bruderlade, die „guten Montage“, die Kündigung und Verab-
schiedung, die Pflichten wandernder Gesellen, das Geschenk, geordnet
und festgesetzt. Man unterschied gesperrte, freie, ungesperrte und
geschenkte Handwerke 2). Ein gesperrtes Handwerk hatte nur
in bestimmten Städten oder Bezirken seinen Sitz, die Gesellen des-
selben durften nur an den gesperrten Plätzen wandern; keine aus-
wärtigen Gesellen wurden angenommen. Ein freies Handwerk durfte
dagegen ein jeder treiben, der die Kunst verstand. Die unge-
sperrten
und geschenkten Handwerke waren diejenigen, welche
allgemein verbreitet waren, an allen gröſseren Plätzen bestanden und
zu Zünften vereinigt waren, deren Gesellen überall wandern durften
und heute hier, morgen da arbeiteten. Bei diesen muſsten die Ge-
sellen nach vollbrachten Lehrjahren die Wanderschaft antreten, um
sich anderswo zu versuchen und zu lernen; diese erhielten aber auch,
wo sie hinkamen, gewisse freie Zehrung und Geschenke.

Unter die gesperrten Handwerke zählte man die Drahtzieher,
welche unter anderen Stücken ihres Meisterstücks ein Pfund Messing-
und ein Pfund Eisenzitterdraht, so fein als ein Haar gezogen, machen
muſsten. Zu den freien Handwerken gehörten dagegen die Panzer-
macher und Bogener.

Unter die ungesperrten, freien und geschenkten Handwerker
wurden gerechnet: die Plattner oder Harnischmacher, Schleifer und
Polierer, die Schwertfeger, welche gemeiniglich mit den Messer-
schmieden einerlei Amt hielten und die Büchsenmacher; sodann die
Näh- und Stecknadelmacher, „welche durch ganz Deutschland
und vielen angrenzenden Königreichen und Ländern mit einem davon
reisenden Gesellen sehr nutzbaren Geschenk versehen waren.“ In
der Kaiserlichen freien Reichsstadt Nürnberg ist von undenklichen
Jahren her ihre Ober-Hauptlade gewesen und hielten sich zu selbiger
alle diejenigen Meister, so in benachbarten kleinen Orten wohnten,
wo keine Laden eingerichtet waren. In Breslau aber, in der schlesi-
schen Hauptstadt, hatten sie die Ober-Zechlade, zu welcher sich alle

1) So z. B. die Bruderschaftsordnung der Schmiede- und Schlossergesellen zu
Jena vom Jahre 1678 abgedruckt in H. A. Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter,
S. 162.
2) Vergl. des geöffneten Ritterplatzes IV. Teil 1705, S. 223 und Chr. Weigel,
Abbildung der gemeinnützlichen Hauptstände. Regensburg 1698.
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[1023/1045] Die Zünfte im 17. Jahrhundert. vereinigt waren, ging es schon besser. Jede Zunft hatte ihre Ord- nung 1), in welcher die Tage der Versammlungen und deren Kom- petenzen bestimmt waren. Ferner waren darin die Strafen, die Bei- träge zur Bruderlade, die „guten Montage“, die Kündigung und Verab- schiedung, die Pflichten wandernder Gesellen, das Geschenk, geordnet und festgesetzt. Man unterschied gesperrte, freie, ungesperrte und geschenkte Handwerke 2). Ein gesperrtes Handwerk hatte nur in bestimmten Städten oder Bezirken seinen Sitz, die Gesellen des- selben durften nur an den gesperrten Plätzen wandern; keine aus- wärtigen Gesellen wurden angenommen. Ein freies Handwerk durfte dagegen ein jeder treiben, der die Kunst verstand. Die unge- sperrten und geschenkten Handwerke waren diejenigen, welche allgemein verbreitet waren, an allen gröſseren Plätzen bestanden und zu Zünften vereinigt waren, deren Gesellen überall wandern durften und heute hier, morgen da arbeiteten. Bei diesen muſsten die Ge- sellen nach vollbrachten Lehrjahren die Wanderschaft antreten, um sich anderswo zu versuchen und zu lernen; diese erhielten aber auch, wo sie hinkamen, gewisse freie Zehrung und Geschenke. Unter die gesperrten Handwerke zählte man die Drahtzieher, welche unter anderen Stücken ihres Meisterstücks ein Pfund Messing- und ein Pfund Eisenzitterdraht, so fein als ein Haar gezogen, machen muſsten. Zu den freien Handwerken gehörten dagegen die Panzer- macher und Bogener. Unter die ungesperrten, freien und geschenkten Handwerker wurden gerechnet: die Plattner oder Harnischmacher, Schleifer und Polierer, die Schwertfeger, welche gemeiniglich mit den Messer- schmieden einerlei Amt hielten und die Büchsenmacher; sodann die Näh- und Stecknadelmacher, „welche durch ganz Deutschland und vielen angrenzenden Königreichen und Ländern mit einem davon reisenden Gesellen sehr nutzbaren Geschenk versehen waren.“ In der Kaiserlichen freien Reichsstadt Nürnberg ist von undenklichen Jahren her ihre Ober-Hauptlade gewesen und hielten sich zu selbiger alle diejenigen Meister, so in benachbarten kleinen Orten wohnten, wo keine Laden eingerichtet waren. In Breslau aber, in der schlesi- schen Hauptstadt, hatten sie die Ober-Zechlade, zu welcher sich alle 1) So z. B. die Bruderschaftsordnung der Schmiede- und Schlossergesellen zu Jena vom Jahre 1678 abgedruckt in H. A. Berlepsch, Chronik der Feuerarbeiter, S. 162. 2) Vergl. des geöffneten Ritterplatzes IV. Teil 1705, S. 223 und Chr. Weigel, Abbildung der gemeinnützlichen Hauptstände. Regensburg 1698.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1023. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1045>, abgerufen am 26.04.2024.