Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Russland.
Armee von 65000 Mann war auf das Beste bewaffnet und aus-
gerüstet.

Iwan IV. entwarf das Projekt, eine ganze Kolonie ausländischer
Künstler und Handwerker in sein Reich zu ziehen. Zu diesem Zwecke
wurde 1547 der Sachse Hans Schlitte als Gesandter zu Karl V, ge-
schickt, um von demselben die Erlaubnis zu erbitten, deutsche Ge-
lehrte, Künstler, Baumeister, Industrielle und Handwerker nach Russ-
land bringen zu dürfen. Nach den Berichten mehrerer Annalisten
versammelte Schlitte über 300 deutsche Künstler, Goldschmiede,
Glockengiesser, Maurer, Maler, Bildhauer und andere, und war schon
bereit, sich in Lübeck mit ihnen einzuschiffen, als plötzlich auf In-
triguen des Livländischen Ordens und der hanseatischen Kaufleute,
welche damals in feindlichen Beziehungen zu Russland standen, ein
Befehl vom Kaiser erlassen wurde, der ganzen Gesellschaft die Pässe
abzunehmen und Schlitte selbst ins Gefängnis zu werfen. Der russische
Gesandte wusste sich aber bald frei zu machen und den meisten von
ihm engagirten Personen gelang es auch, auf Umwegen nach Russ-
land zu kommen1). 1557 erneuerte Iwan IV. sein Gesuch bei Kaiser
Ferdinand I., und obwohl dies ebenfalls keinen direkten Erfolg hatte,
wusste er doch Mittel zu finden, eine beträchtliche Anzahl deutscher
Handwerker in sein Reich zu ziehen.

Alle diese Anläufe zu einer Verbesserung der Gewerbsverhält-
nisse und zur Einführung fremder Kultur hatten nur ganz vorüber-
gehenden Erfolg -- Russland blieb ein Barbarenstaat.


1) Siehe Karasmin, Geschichte des Russischen Reiches VIII, S. 70, 71.

Ruſsland.
Armee von 65000 Mann war auf das Beste bewaffnet und aus-
gerüstet.

Iwan IV. entwarf das Projekt, eine ganze Kolonie ausländischer
Künstler und Handwerker in sein Reich zu ziehen. Zu diesem Zwecke
wurde 1547 der Sachse Hans Schlitte als Gesandter zu Karl V, ge-
schickt, um von demselben die Erlaubnis zu erbitten, deutsche Ge-
lehrte, Künstler, Baumeister, Industrielle und Handwerker nach Ruſs-
land bringen zu dürfen. Nach den Berichten mehrerer Annalisten
versammelte Schlitte über 300 deutsche Künstler, Goldschmiede,
Glockengieſser, Maurer, Maler, Bildhauer und andere, und war schon
bereit, sich in Lübeck mit ihnen einzuschiffen, als plötzlich auf In-
triguen des Livländischen Ordens und der hanseatischen Kaufleute,
welche damals in feindlichen Beziehungen zu Ruſsland standen, ein
Befehl vom Kaiser erlassen wurde, der ganzen Gesellschaft die Pässe
abzunehmen und Schlitte selbst ins Gefängnis zu werfen. Der russische
Gesandte wuſste sich aber bald frei zu machen und den meisten von
ihm engagirten Personen gelang es auch, auf Umwegen nach Ruſs-
land zu kommen1). 1557 erneuerte Iwan IV. sein Gesuch bei Kaiser
Ferdinand I., und obwohl dies ebenfalls keinen direkten Erfolg hatte,
wuſste er doch Mittel zu finden, eine beträchtliche Anzahl deutscher
Handwerker in sein Reich zu ziehen.

Alle diese Anläufe zu einer Verbesserung der Gewerbsverhält-
nisse und zur Einführung fremder Kultur hatten nur ganz vorüber-
gehenden Erfolg — Ruſsland blieb ein Barbarenstaat.


1) Siehe Karasmin, Geschichte des Russischen Reiches VIII, S. 70, 71.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0928" n="908"/><fw place="top" type="header">Ru&#x017F;sland.</fw><lb/>
Armee von 65000 Mann war auf das Beste bewaffnet und aus-<lb/>
gerüstet.</p><lb/>
              <p>Iwan IV. entwarf das Projekt, eine ganze Kolonie ausländischer<lb/>
Künstler und Handwerker in sein Reich zu ziehen. Zu diesem Zwecke<lb/>
wurde 1547 der Sachse <hi rendition="#g">Hans Schlitte</hi> als Gesandter zu Karl V, ge-<lb/>
schickt, um von demselben die Erlaubnis zu erbitten, deutsche Ge-<lb/>
lehrte, Künstler, Baumeister, Industrielle und Handwerker nach Ru&#x017F;s-<lb/>
land bringen zu dürfen. Nach den Berichten mehrerer Annalisten<lb/>
versammelte <hi rendition="#g">Schlitte</hi> über 300 deutsche Künstler, Goldschmiede,<lb/>
Glockengie&#x017F;ser, Maurer, Maler, Bildhauer und andere, und war schon<lb/>
bereit, sich in Lübeck mit ihnen einzuschiffen, als plötzlich auf In-<lb/>
triguen des Livländischen Ordens und der hanseatischen Kaufleute,<lb/>
welche damals in feindlichen Beziehungen zu Ru&#x017F;sland standen, ein<lb/>
Befehl vom Kaiser erlassen wurde, der ganzen Gesellschaft die Pässe<lb/>
abzunehmen und <hi rendition="#g">Schlitte</hi> selbst ins Gefängnis zu werfen. Der russische<lb/>
Gesandte wu&#x017F;ste sich aber bald frei zu machen und den meisten von<lb/>
ihm engagirten Personen gelang es auch, auf Umwegen nach Ru&#x017F;s-<lb/>
land zu kommen<note place="foot" n="1)">Siehe <hi rendition="#g">Karasmin</hi>, Geschichte des Russischen Reiches VIII, S. 70, 71.</note>. 1557 erneuerte Iwan IV. sein Gesuch bei Kaiser<lb/>
Ferdinand I., und obwohl dies ebenfalls keinen direkten Erfolg hatte,<lb/>
wu&#x017F;ste er doch Mittel zu finden, eine beträchtliche Anzahl deutscher<lb/>
Handwerker in sein Reich zu ziehen.</p><lb/>
              <p>Alle diese Anläufe zu einer Verbesserung der Gewerbsverhält-<lb/>
nisse und zur Einführung fremder Kultur hatten nur ganz vorüber-<lb/>
gehenden Erfolg &#x2014; Ru&#x017F;sland blieb ein Barbarenstaat.</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[908/0928] Ruſsland. Armee von 65000 Mann war auf das Beste bewaffnet und aus- gerüstet. Iwan IV. entwarf das Projekt, eine ganze Kolonie ausländischer Künstler und Handwerker in sein Reich zu ziehen. Zu diesem Zwecke wurde 1547 der Sachse Hans Schlitte als Gesandter zu Karl V, ge- schickt, um von demselben die Erlaubnis zu erbitten, deutsche Ge- lehrte, Künstler, Baumeister, Industrielle und Handwerker nach Ruſs- land bringen zu dürfen. Nach den Berichten mehrerer Annalisten versammelte Schlitte über 300 deutsche Künstler, Goldschmiede, Glockengieſser, Maurer, Maler, Bildhauer und andere, und war schon bereit, sich in Lübeck mit ihnen einzuschiffen, als plötzlich auf In- triguen des Livländischen Ordens und der hanseatischen Kaufleute, welche damals in feindlichen Beziehungen zu Ruſsland standen, ein Befehl vom Kaiser erlassen wurde, der ganzen Gesellschaft die Pässe abzunehmen und Schlitte selbst ins Gefängnis zu werfen. Der russische Gesandte wuſste sich aber bald frei zu machen und den meisten von ihm engagirten Personen gelang es auch, auf Umwegen nach Ruſs- land zu kommen 1). 1557 erneuerte Iwan IV. sein Gesuch bei Kaiser Ferdinand I., und obwohl dies ebenfalls keinen direkten Erfolg hatte, wuſste er doch Mittel zu finden, eine beträchtliche Anzahl deutscher Handwerker in sein Reich zu ziehen. Alle diese Anläufe zu einer Verbesserung der Gewerbsverhält- nisse und zur Einführung fremder Kultur hatten nur ganz vorüber- gehenden Erfolg — Ruſsland blieb ein Barbarenstaat. 1) Siehe Karasmin, Geschichte des Russischen Reiches VIII, S. 70, 71.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/928
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 908. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/928>, abgerufen am 26.04.2024.