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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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und Flusseisens 1861 bis 1870.
Bessemerstahlblech herzustellen, und als Sir Henry Bessemer in der
Sitzung des Iron and Steel Institute im Jahre 1888 Adamson die
Bessemermedaille überreichte, konnte er darauf hinweisen, dass diese
ersten grossen Kessel aus Bessemerstahl sich noch in gutem, betriebs-
fähigem Zustande befänden. 1862 liess die preussische Regierung
vergleichende Versuche anstellen, die sehr günstig für die Stahlkessel
ausfielen. Im allgemeinen schätzte man Gussstahlkessel zu 45 bis
60 Prozent, Bessemerstahlkessel zu 15 Prozent besser als Eisenkessel
von denselben Abmessungen 1).

1863 fand der Flussstahl auch im Brückenbau Eingang und zwar
zuerst, wie bereits erwähnt, auf der holländischen Staatsbahn. Zu
Wellen von Schiffsmaschinen wurde er 1865 zuerst in England verwendet.

Zu Stahlformguss wurde das Material ebenfalls versucht, doch
vergoss man Anfang der sechziger Jahre nur Tiegelgussstahl.

Die Vorführung der Fortschritte des Stahlformgusses auf der
Londoner Ausstellung im Jahre 1862 fand grosse Beachtung. Direktor
J. Meyer in Bochum war mit der Herstellung von in Lehm ge-
formten Stahlformgussstücken zuerst vorgegangen. Die Ausstellung
des Bochumer Vereins für Gussstahlfabrikation erregte Aufsehen durch
die sehr sauber in einem Stück gegossenen Gussstahlräder, noch mehr
durch Gussstahlglocken. Das Patent für deren Herstellung wurde
von Vickers in Sheffield erworben. Die Herstellung von blasen-
freiem Stahlguss war ein Problem, das damals viele Metallurgen
beschäftigte. R. Mushet hatte am 23. Mai 1861 ein Patent auf Her-
stellung blasenfreier Stahlgüsse genommen, die er dadurch erzielen
wollte, dass er ein Rohr in die nahezu gefüllte Form einhing und
durch dieses flüssigen Stahl nachgoss; während des Erkaltens und
Nachsetzens sollte man das Rohr durch Nachgiessen gefüllt halten.

Restaing und Bourdouin in Paris hatten 1862 in London
ein Verfahren, flüssiges Roheisen zu zerkleinern, um es für die Stahl-
fabrikation vorzubereiten, ausgestellt.

R. A. Broman erhielt am 24. Januar 1863 ein Patent auf die
Herstellung guss- oder schmiedeeiserner Ambosse mit Stahlbahnen in
der Weise, dass er in eine Form, deren Boden aus einer starken Eisen-
platte als Coquille bestand, Stahl goss, dann Gusseisen zulaufen
liess, bis die Form gefüllt war.

Vickers glaubte 1866 dadurch feste Stahlgüsse zu erhalten, dass
er die Formen mit dem flüssigen Metall während des Erstarrens in

1) Siehe Zeitschr. d. Architekten- u. Ingen.-Ver. zu Hannover IX, Heft 2 u. 3.

und Fluſseisens 1861 bis 1870.
Bessemerstahlblech herzustellen, und als Sir Henry Bessemer in der
Sitzung des Iron and Steel Institute im Jahre 1888 Adamson die
Bessemermedaille überreichte, konnte er darauf hinweisen, daſs diese
ersten groſsen Kessel aus Bessemerstahl sich noch in gutem, betriebs-
fähigem Zustande befänden. 1862 lieſs die preuſsische Regierung
vergleichende Versuche anstellen, die sehr günstig für die Stahlkessel
ausfielen. Im allgemeinen schätzte man Guſsstahlkessel zu 45 bis
60 Prozent, Bessemerstahlkessel zu 15 Prozent besser als Eisenkessel
von denselben Abmessungen 1).

1863 fand der Fluſsstahl auch im Brückenbau Eingang und zwar
zuerst, wie bereits erwähnt, auf der holländischen Staatsbahn. Zu
Wellen von Schiffsmaschinen wurde er 1865 zuerst in England verwendet.

Zu Stahlformguſs wurde das Material ebenfalls versucht, doch
vergoſs man Anfang der sechziger Jahre nur Tiegelguſsstahl.

Die Vorführung der Fortschritte des Stahlformgusses auf der
Londoner Ausstellung im Jahre 1862 fand groſse Beachtung. Direktor
J. Meyer in Bochum war mit der Herstellung von in Lehm ge-
formten Stahlformguſsstücken zuerst vorgegangen. Die Ausstellung
des Bochumer Vereins für Guſsstahlfabrikation erregte Aufsehen durch
die sehr sauber in einem Stück gegossenen Guſsstahlräder, noch mehr
durch Guſsstahlglocken. Das Patent für deren Herstellung wurde
von Vickers in Sheffield erworben. Die Herstellung von blasen-
freiem Stahlguſs war ein Problem, das damals viele Metallurgen
beschäftigte. R. Mushet hatte am 23. Mai 1861 ein Patent auf Her-
stellung blasenfreier Stahlgüsse genommen, die er dadurch erzielen
wollte, daſs er ein Rohr in die nahezu gefüllte Form einhing und
durch dieses flüssigen Stahl nachgoſs; während des Erkaltens und
Nachsetzens sollte man das Rohr durch Nachgieſsen gefüllt halten.

Restaing und Bourdouin in Paris hatten 1862 in London
ein Verfahren, flüssiges Roheisen zu zerkleinern, um es für die Stahl-
fabrikation vorzubereiten, ausgestellt.

R. A. Broman erhielt am 24. Januar 1863 ein Patent auf die
Herstellung guſs- oder schmiedeeiserner Ambosse mit Stahlbahnen in
der Weise, daſs er in eine Form, deren Boden aus einer starken Eisen-
platte als Coquille bestand, Stahl goſs, dann Guſseisen zulaufen
lieſs, bis die Form gefüllt war.

Vickers glaubte 1866 dadurch feste Stahlgüsse zu erhalten, daſs
er die Formen mit dem flüssigen Metall während des Erstarrens in

1) Siehe Zeitschr. d. Architekten- u. Ingen.-Ver. zu Hannover IX, Heft 2 u. 3.
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[219/0235] und Fluſseisens 1861 bis 1870. Bessemerstahlblech herzustellen, und als Sir Henry Bessemer in der Sitzung des Iron and Steel Institute im Jahre 1888 Adamson die Bessemermedaille überreichte, konnte er darauf hinweisen, daſs diese ersten groſsen Kessel aus Bessemerstahl sich noch in gutem, betriebs- fähigem Zustande befänden. 1862 lieſs die preuſsische Regierung vergleichende Versuche anstellen, die sehr günstig für die Stahlkessel ausfielen. Im allgemeinen schätzte man Guſsstahlkessel zu 45 bis 60 Prozent, Bessemerstahlkessel zu 15 Prozent besser als Eisenkessel von denselben Abmessungen 1). 1863 fand der Fluſsstahl auch im Brückenbau Eingang und zwar zuerst, wie bereits erwähnt, auf der holländischen Staatsbahn. Zu Wellen von Schiffsmaschinen wurde er 1865 zuerst in England verwendet. Zu Stahlformguſs wurde das Material ebenfalls versucht, doch vergoſs man Anfang der sechziger Jahre nur Tiegelguſsstahl. Die Vorführung der Fortschritte des Stahlformgusses auf der Londoner Ausstellung im Jahre 1862 fand groſse Beachtung. Direktor J. Meyer in Bochum war mit der Herstellung von in Lehm ge- formten Stahlformguſsstücken zuerst vorgegangen. Die Ausstellung des Bochumer Vereins für Guſsstahlfabrikation erregte Aufsehen durch die sehr sauber in einem Stück gegossenen Guſsstahlräder, noch mehr durch Guſsstahlglocken. Das Patent für deren Herstellung wurde von Vickers in Sheffield erworben. Die Herstellung von blasen- freiem Stahlguſs war ein Problem, das damals viele Metallurgen beschäftigte. R. Mushet hatte am 23. Mai 1861 ein Patent auf Her- stellung blasenfreier Stahlgüsse genommen, die er dadurch erzielen wollte, daſs er ein Rohr in die nahezu gefüllte Form einhing und durch dieses flüssigen Stahl nachgoſs; während des Erkaltens und Nachsetzens sollte man das Rohr durch Nachgieſsen gefüllt halten. Restaing und Bourdouin in Paris hatten 1862 in London ein Verfahren, flüssiges Roheisen zu zerkleinern, um es für die Stahl- fabrikation vorzubereiten, ausgestellt. R. A. Broman erhielt am 24. Januar 1863 ein Patent auf die Herstellung guſs- oder schmiedeeiserner Ambosse mit Stahlbahnen in der Weise, daſs er in eine Form, deren Boden aus einer starken Eisen- platte als Coquille bestand, Stahl goſs, dann Guſseisen zulaufen lieſs, bis die Form gefüllt war. Vickers glaubte 1866 dadurch feste Stahlgüsse zu erhalten, daſs er die Formen mit dem flüssigen Metall während des Erstarrens in 1) Siehe Zeitschr. d. Architekten- u. Ingen.-Ver. zu Hannover IX, Heft 2 u. 3.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/235>, abgerufen am 26.04.2024.