Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
nach das Problem der Zukunft. Dieses durch Aufbereitung der Erze
vor dem Schmelzen zu bewirken, hatte nur in vereinzelten Fällen
teilweisen Erfolg gehabt; in den meisten Fällen, namentlich wenn der
Phosphor gleichmässig im Erz verteilt war, bot dieser Weg keine
Aussicht auf Erreichung des Ziels. Die Abscheidung im Hochofen
zu bewirken, war um so weniger möglich, als der Hochofenbetrieb
Steigerung der Produktion durch Verwendung hocherhitzten Windes,
also sehr hohe Schmelzhitze erstrebte, wobei fast aller Phosphor in
das Eisen ging. Da sich die direkte Eisengewinnung trotz aller
Bemühungen als unökonomisch erwies, so erhob sich die Frage, ob
es möglich sei, die Entphosphorung bei dem flüssigen Roheisen
durch ein Reinigungsverfahren vor dem eigentlichen Frischprozess
zu bewirken. Diese Lösung galt vor der Erfindung von Thomas und
Gilchrist als die wahrscheinlichste.

Auf diesem Wege suchten deshalb die meisten Metallurgen in den
siebziger Jahren dieses Ziel zu erreichen und es wurde eine Reihe von
Vorschlägen und Erfindungen für eine Reinigung des Roheisens in
erster Linie von Phosphor, dann auch von Schwefel gemacht.
Wir können dieselben zur besseren Übersicht einteilen in Ver-
fahren, welche die Reinigung des Roheisens im allgemeinen be-
zwecken, und in die besonderen Entphosphorungs- und Entschweflungs-
methoden.

Die allgemeinen Reinigungsverfahren lehnen sich zum Teil
an den früheren Feinprozess an, andere erinnern mehr an den Renn-
prozess, wie z. B. das bereits erwähnte Verfahren von Ellershausen,
andere erstreben die Reinigung durch chemische Mittel oder Zu-
schläge. Letztere Art war die 1870 von J. E. Sherman in
England vorgeschlagene Reinigung mittels Jod durch Zusatz kleiner
Mengen von Jodkalium (E. P. vom 25. Juli 1870), die aber viel zu
teuer war.

Praktischer war das 1870 von Henderson angewendete Reini-
gungsverfahren 1) durch Einmengen von feingepulvertem und gut
gemischtem Eisenerz und Flussspat in das flüssige Roheisen (Am.
Pat. Nr. 347349). Es geschah dies in der Weise, dass man das Pulver
1/4 bis 3/8 Zoll hoch auf einer gusseisernen Schale ausbreitete und das
flüssige Roheisen etwa 1 Zoll hoch darüberlaufen liess. Es erfolgte
ein Aufkochen, das etwa fünf Minuten dauerte. Das gefeinte Eisen

1) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1871, S. 257; Dinglers Polyt. Journ.
1871, S. 210.
Beck, Geschichte des Eisens. 37

Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
nach das Problem der Zukunft. Dieses durch Aufbereitung der Erze
vor dem Schmelzen zu bewirken, hatte nur in vereinzelten Fällen
teilweisen Erfolg gehabt; in den meisten Fällen, namentlich wenn der
Phosphor gleichmäſsig im Erz verteilt war, bot dieser Weg keine
Aussicht auf Erreichung des Ziels. Die Abscheidung im Hochofen
zu bewirken, war um so weniger möglich, als der Hochofenbetrieb
Steigerung der Produktion durch Verwendung hocherhitzten Windes,
also sehr hohe Schmelzhitze erstrebte, wobei fast aller Phosphor in
das Eisen ging. Da sich die direkte Eisengewinnung trotz aller
Bemühungen als unökonomisch erwies, so erhob sich die Frage, ob
es möglich sei, die Entphosphorung bei dem flüssigen Roheisen
durch ein Reinigungsverfahren vor dem eigentlichen Frischprozeſs
zu bewirken. Diese Lösung galt vor der Erfindung von Thomas und
Gilchrist als die wahrscheinlichste.

Auf diesem Wege suchten deshalb die meisten Metallurgen in den
siebziger Jahren dieses Ziel zu erreichen und es wurde eine Reihe von
Vorschlägen und Erfindungen für eine Reinigung des Roheisens in
erster Linie von Phosphor, dann auch von Schwefel gemacht.
Wir können dieselben zur besseren Übersicht einteilen in Ver-
fahren, welche die Reinigung des Roheisens im allgemeinen be-
zwecken, und in die besonderen Entphosphorungs- und Entschweflungs-
methoden.

Die allgemeinen Reinigungsverfahren lehnen sich zum Teil
an den früheren Feinprozeſs an, andere erinnern mehr an den Renn-
prozeſs, wie z. B. das bereits erwähnte Verfahren von Ellershausen,
andere erstreben die Reinigung durch chemische Mittel oder Zu-
schläge. Letztere Art war die 1870 von J. E. Sherman in
England vorgeschlagene Reinigung mittels Jod durch Zusatz kleiner
Mengen von Jodkalium (E. P. vom 25. Juli 1870), die aber viel zu
teuer war.

Praktischer war das 1870 von Henderson angewendete Reini-
gungsverfahren 1) durch Einmengen von feingepulvertem und gut
gemischtem Eisenerz und Fluſsspat in das flüssige Roheisen (Am.
Pat. Nr. 347349). Es geschah dies in der Weise, daſs man das Pulver
¼ bis ⅜ Zoll hoch auf einer guſseisernen Schale ausbreitete und das
flüssige Roheisen etwa 1 Zoll hoch darüberlaufen lieſs. Es erfolgte
ein Aufkochen, das etwa fünf Minuten dauerte. Das gefeinte Eisen

1) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1871, S. 257; Dinglers Polyt. Journ.
1871, S. 210.
Beck, Geschichte des Eisens. 37
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0593" n="577"/><fw place="top" type="header">Vorarbeiten zu den Frischprozessen.</fw><lb/>
nach das Problem der Zukunft. Dieses durch Aufbereitung der Erze<lb/>
vor dem Schmelzen zu bewirken, hatte nur in vereinzelten Fällen<lb/>
teilweisen Erfolg gehabt; in den meisten Fällen, namentlich wenn der<lb/>
Phosphor gleichmä&#x017F;sig im Erz verteilt war, bot dieser Weg keine<lb/>
Aussicht auf Erreichung des Ziels. Die Abscheidung im Hochofen<lb/>
zu bewirken, war um so weniger möglich, als der Hochofenbetrieb<lb/>
Steigerung der Produktion durch Verwendung hocherhitzten Windes,<lb/>
also sehr hohe Schmelzhitze erstrebte, wobei fast aller Phosphor in<lb/>
das Eisen ging. Da sich die direkte Eisengewinnung trotz aller<lb/>
Bemühungen als unökonomisch erwies, so erhob sich die Frage, ob<lb/>
es möglich sei, die Entphosphorung bei dem flüssigen Roheisen<lb/>
durch ein <hi rendition="#g">Reinigungsverfahren</hi> vor dem eigentlichen Frischproze&#x017F;s<lb/>
zu bewirken. Diese Lösung galt vor der Erfindung von <hi rendition="#g">Thomas</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Gilchrist</hi> als die wahrscheinlichste.</p><lb/>
            <p>Auf diesem Wege suchten deshalb die meisten Metallurgen in den<lb/>
siebziger Jahren dieses Ziel zu erreichen und es wurde eine Reihe von<lb/>
Vorschlägen und Erfindungen für eine Reinigung des Roheisens in<lb/>
erster Linie von <hi rendition="#g">Phosphor</hi>, dann auch von <hi rendition="#g">Schwefel</hi> gemacht.<lb/>
Wir können dieselben zur besseren Übersicht einteilen in Ver-<lb/>
fahren, welche die Reinigung des Roheisens im allgemeinen be-<lb/>
zwecken, und in die besonderen Entphosphorungs- und Entschweflungs-<lb/>
methoden.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#g">allgemeinen Reinigungsverfahren</hi> lehnen sich zum Teil<lb/>
an den früheren Feinproze&#x017F;s an, andere erinnern mehr an den Renn-<lb/>
proze&#x017F;s, wie z. B. das bereits erwähnte Verfahren von <hi rendition="#g">Ellershausen</hi>,<lb/>
andere erstreben die Reinigung durch chemische Mittel oder Zu-<lb/>
schläge. Letztere Art war die 1870 von J. E. <hi rendition="#g">Sherman</hi> in<lb/>
England vorgeschlagene Reinigung mittels Jod durch Zusatz kleiner<lb/>
Mengen von Jodkalium (E. P. vom 25. Juli 1870), die aber viel zu<lb/>
teuer war.</p><lb/>
            <p>Praktischer war das 1870 von <hi rendition="#g">Henderson</hi> angewendete Reini-<lb/>
gungsverfahren <note place="foot" n="1)">Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1871, S. 257; Dinglers Polyt. Journ.<lb/>
1871, S. 210.</note> durch Einmengen von feingepulvertem und gut<lb/>
gemischtem Eisenerz und Flu&#x017F;sspat in das flüssige Roheisen (Am.<lb/>
Pat. Nr. 347349). Es geschah dies in der Weise, da&#x017F;s man das Pulver<lb/>
¼ bis &#x215C; Zoll hoch auf einer gu&#x017F;seisernen Schale ausbreitete und das<lb/>
flüssige Roheisen etwa 1 Zoll hoch darüberlaufen lie&#x017F;s. Es erfolgte<lb/>
ein Aufkochen, das etwa fünf Minuten dauerte. Das gefeinte Eisen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Beck,</hi> Geschichte des Eisens. 37</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[577/0593] Vorarbeiten zu den Frischprozessen. nach das Problem der Zukunft. Dieses durch Aufbereitung der Erze vor dem Schmelzen zu bewirken, hatte nur in vereinzelten Fällen teilweisen Erfolg gehabt; in den meisten Fällen, namentlich wenn der Phosphor gleichmäſsig im Erz verteilt war, bot dieser Weg keine Aussicht auf Erreichung des Ziels. Die Abscheidung im Hochofen zu bewirken, war um so weniger möglich, als der Hochofenbetrieb Steigerung der Produktion durch Verwendung hocherhitzten Windes, also sehr hohe Schmelzhitze erstrebte, wobei fast aller Phosphor in das Eisen ging. Da sich die direkte Eisengewinnung trotz aller Bemühungen als unökonomisch erwies, so erhob sich die Frage, ob es möglich sei, die Entphosphorung bei dem flüssigen Roheisen durch ein Reinigungsverfahren vor dem eigentlichen Frischprozeſs zu bewirken. Diese Lösung galt vor der Erfindung von Thomas und Gilchrist als die wahrscheinlichste. Auf diesem Wege suchten deshalb die meisten Metallurgen in den siebziger Jahren dieses Ziel zu erreichen und es wurde eine Reihe von Vorschlägen und Erfindungen für eine Reinigung des Roheisens in erster Linie von Phosphor, dann auch von Schwefel gemacht. Wir können dieselben zur besseren Übersicht einteilen in Ver- fahren, welche die Reinigung des Roheisens im allgemeinen be- zwecken, und in die besonderen Entphosphorungs- und Entschweflungs- methoden. Die allgemeinen Reinigungsverfahren lehnen sich zum Teil an den früheren Feinprozeſs an, andere erinnern mehr an den Renn- prozeſs, wie z. B. das bereits erwähnte Verfahren von Ellershausen, andere erstreben die Reinigung durch chemische Mittel oder Zu- schläge. Letztere Art war die 1870 von J. E. Sherman in England vorgeschlagene Reinigung mittels Jod durch Zusatz kleiner Mengen von Jodkalium (E. P. vom 25. Juli 1870), die aber viel zu teuer war. Praktischer war das 1870 von Henderson angewendete Reini- gungsverfahren 1) durch Einmengen von feingepulvertem und gut gemischtem Eisenerz und Fluſsspat in das flüssige Roheisen (Am. Pat. Nr. 347349). Es geschah dies in der Weise, daſs man das Pulver ¼ bis ⅜ Zoll hoch auf einer guſseisernen Schale ausbreitete und das flüssige Roheisen etwa 1 Zoll hoch darüberlaufen lieſs. Es erfolgte ein Aufkochen, das etwa fünf Minuten dauerte. Das gefeinte Eisen 1) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1871, S. 257; Dinglers Polyt. Journ. 1871, S. 210. Beck, Geschichte des Eisens. 37

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/593
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/593>, abgerufen am 26.04.2024.