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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.

Hierüber hat Gautier 1) 1876 zuerst Mitteilungen veröffentlicht.
Die Legierung wurde rotglühend dem Metallbade zugesetzt, welches
sich sofort beruhigte und blasenfreie Güsse lieferte. Gautier, Har-
met, Stead
und die meisten Metallurgen jener Zeit waren der An-
sicht, dass die Wirkung des Silicospiegels auf der Zersetzung des Kohlen-
oxydgases durch Silicium und gleichzeitiger Reduktion gelöster Oxyde
durch Mangan beruhe, indem sie annahmen, dass Kohlenoxydgas die
Blasenbildung veranlasse.

F. C. G. Müller, der seit 1878 die Ausscheidung und Absorp-
tion der Gase bei Stahlgüssen genauer untersuchte, wies nach, dass
das Kohlenoxydgas, welches nur wenig im Eisen löslich ist, bei der
Blasenbildung beim Erstarren des Stahls nur eine unwesentliche Rolle
spielt, dass das absorbierte Gas neben Stickstoff hauptsächlich Wasser-
stoff ist, und dass die Wirkung des Siliciumzusatzes darin bestehen
muss, das Metall zu befähigen, eine grössere Menge Wasserstoff in
Lösung zu behalten, d. h. die Gasabsorptionsfähigkeit zu steigern.

Pourcels Verfahren erwies sich als erfolgreich, und sein -- oder,
wie man gewöhnlich sagt, das -- Terrenoire-Verfahren wurde zur Her-
stellung blasenfreier Güsse schon 1876 von Sergius Kern auf dem
Obuchkoff-Stahlwerk bei St. Petersburg und in den folgenden Jahren
in England, Schweden und den Vereinigten Staaten von Amerika
eingeführt. 1880 erzielte man auf dem Cleveland-Walzwerk dichte
Stahlgüsse durch Zusatz von Eisensilicid im Martin-Flammofen vor
dem Abstechen. Hierzu eignete sich das von Biermann in Hannover
im Tiegel dargestellte hochhaltige Eisensilicid oder noch besser Eisen-
mangansilicid, wie es Gautier versuchsweise schon 1877 bereitet hatte.

Ähnlich war das Verfahren auf den Werken der Schottischen
Stahlgesellschaft zu Glasgow, wo man nur in Siemensöfen schmolz.

In neuerer Zeit wird Siliciumcarbid, das die Carborundum-
gesellschaft am Niagara im grossen darstellt, zur Stahlfabrikation
benutzt. Die ersten Versuche machte John Darby 1895 in England,
dem dann Fritz Lürmann und Kapitän A. E. Hunt folgten 2).

Bei der Stahlgiesserei aus kleinen Konvertern nach dem Ver-
fahren von Ch. Waldrand & E. Legenisel (D. R. P. Nr. 64950
vom 24. September 1891) hat der Nachsatz von Eisensilicid auch
noch den Zweck, die Metallmasse durch die Oxydation des Siliciums
zu erhitzen, die Masse dadurch dünnflüssig und zum Guss kleiner
Gussstücke geeignet zu machen.


1) Gautier, Les alliages ferro-metalliques.
2) Stahl und Eisen 1900, S. 207.
Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse.

Hierüber hat Gautier 1) 1876 zuerst Mitteilungen veröffentlicht.
Die Legierung wurde rotglühend dem Metallbade zugesetzt, welches
sich sofort beruhigte und blasenfreie Güsse lieferte. Gautier, Har-
met, Stead
und die meisten Metallurgen jener Zeit waren der An-
sicht, daſs die Wirkung des Silicospiegels auf der Zersetzung des Kohlen-
oxydgases durch Silicium und gleichzeitiger Reduktion gelöster Oxyde
durch Mangan beruhe, indem sie annahmen, daſs Kohlenoxydgas die
Blasenbildung veranlasse.

F. C. G. Müller, der seit 1878 die Ausscheidung und Absorp-
tion der Gase bei Stahlgüssen genauer untersuchte, wies nach, daſs
das Kohlenoxydgas, welches nur wenig im Eisen löslich ist, bei der
Blasenbildung beim Erstarren des Stahls nur eine unwesentliche Rolle
spielt, daſs das absorbierte Gas neben Stickstoff hauptsächlich Wasser-
stoff ist, und daſs die Wirkung des Siliciumzusatzes darin bestehen
muſs, das Metall zu befähigen, eine gröſsere Menge Wasserstoff in
Lösung zu behalten, d. h. die Gasabsorptionsfähigkeit zu steigern.

Pourcels Verfahren erwies sich als erfolgreich, und sein — oder,
wie man gewöhnlich sagt, das — Terrenoire-Verfahren wurde zur Her-
stellung blasenfreier Güsse schon 1876 von Sergius Kern auf dem
Obuchkoff-Stahlwerk bei St. Petersburg und in den folgenden Jahren
in England, Schweden und den Vereinigten Staaten von Amerika
eingeführt. 1880 erzielte man auf dem Cleveland-Walzwerk dichte
Stahlgüsse durch Zusatz von Eisensilicid im Martin-Flammofen vor
dem Abstechen. Hierzu eignete sich das von Biermann in Hannover
im Tiegel dargestellte hochhaltige Eisensilicid oder noch besser Eisen-
mangansilicid, wie es Gautier versuchsweise schon 1877 bereitet hatte.

Ähnlich war das Verfahren auf den Werken der Schottischen
Stahlgesellschaft zu Glasgow, wo man nur in Siemensöfen schmolz.

In neuerer Zeit wird Siliciumcarbid, das die Carborundum-
gesellschaft am Niagara im groſsen darstellt, zur Stahlfabrikation
benutzt. Die ersten Versuche machte John Darby 1895 in England,
dem dann Fritz Lürmann und Kapitän A. E. Hunt folgten 2).

Bei der Stahlgieſserei aus kleinen Konvertern nach dem Ver-
fahren von Ch. Waldrand & E. Légenisel (D. R. P. Nr. 64950
vom 24. September 1891) hat der Nachsatz von Eisensilicid auch
noch den Zweck, die Metallmasse durch die Oxydation des Siliciums
zu erhitzen, die Masse dadurch dünnflüssig und zum Guſs kleiner
Guſsstücke geeignet zu machen.


1) Gautier, Les alliages ferro-métalliques.
2) Stahl und Eisen 1900, S. 207.
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[762/0778] Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. Hierüber hat Gautier 1) 1876 zuerst Mitteilungen veröffentlicht. Die Legierung wurde rotglühend dem Metallbade zugesetzt, welches sich sofort beruhigte und blasenfreie Güsse lieferte. Gautier, Har- met, Stead und die meisten Metallurgen jener Zeit waren der An- sicht, daſs die Wirkung des Silicospiegels auf der Zersetzung des Kohlen- oxydgases durch Silicium und gleichzeitiger Reduktion gelöster Oxyde durch Mangan beruhe, indem sie annahmen, daſs Kohlenoxydgas die Blasenbildung veranlasse. F. C. G. Müller, der seit 1878 die Ausscheidung und Absorp- tion der Gase bei Stahlgüssen genauer untersuchte, wies nach, daſs das Kohlenoxydgas, welches nur wenig im Eisen löslich ist, bei der Blasenbildung beim Erstarren des Stahls nur eine unwesentliche Rolle spielt, daſs das absorbierte Gas neben Stickstoff hauptsächlich Wasser- stoff ist, und daſs die Wirkung des Siliciumzusatzes darin bestehen muſs, das Metall zu befähigen, eine gröſsere Menge Wasserstoff in Lösung zu behalten, d. h. die Gasabsorptionsfähigkeit zu steigern. Pourcels Verfahren erwies sich als erfolgreich, und sein — oder, wie man gewöhnlich sagt, das — Terrenoire-Verfahren wurde zur Her- stellung blasenfreier Güsse schon 1876 von Sergius Kern auf dem Obuchkoff-Stahlwerk bei St. Petersburg und in den folgenden Jahren in England, Schweden und den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführt. 1880 erzielte man auf dem Cleveland-Walzwerk dichte Stahlgüsse durch Zusatz von Eisensilicid im Martin-Flammofen vor dem Abstechen. Hierzu eignete sich das von Biermann in Hannover im Tiegel dargestellte hochhaltige Eisensilicid oder noch besser Eisen- mangansilicid, wie es Gautier versuchsweise schon 1877 bereitet hatte. Ähnlich war das Verfahren auf den Werken der Schottischen Stahlgesellschaft zu Glasgow, wo man nur in Siemensöfen schmolz. In neuerer Zeit wird Siliciumcarbid, das die Carborundum- gesellschaft am Niagara im groſsen darstellt, zur Stahlfabrikation benutzt. Die ersten Versuche machte John Darby 1895 in England, dem dann Fritz Lürmann und Kapitän A. E. Hunt folgten 2). Bei der Stahlgieſserei aus kleinen Konvertern nach dem Ver- fahren von Ch. Waldrand & E. Légenisel (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891) hat der Nachsatz von Eisensilicid auch noch den Zweck, die Metallmasse durch die Oxydation des Siliciums zu erhitzen, die Masse dadurch dünnflüssig und zum Guſs kleiner Guſsstücke geeignet zu machen. 1) Gautier, Les alliages ferro-métalliques. 2) Stahl und Eisen 1900, S. 207.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/778>, abgerufen am 26.04.2024.