Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Theil I. Cap. I. Satz 14.
aber nicht. Das beblutete Lied, Ein Lämm-
lein geht,
sieht ihm selbs Num. 1886 nicht
mehr gleich. Da heisst es zum Exempel: "

"Das Lämmlein ist der grosse GOtt, der
"Schöpfer unsrer Seelen;
den hat sein
"Vater in der Noth
uns nicht gewollt
"verhehlen:
Geh hin, mein Kind! und nim
"das Amt,
die Sünder, die du selbst ver-
"dammt,
zur Straff der Zornes-Ruthen,
"zur Straff so schwer, zum Zorn so groß,
"In deinr Person zu machen los,
Durch
"Sterben und durch Bluten."

Wie viel
Danksagung an den himmlischen Vater für
seine Liebe wird bey dieser Meinung unterblei-
ben? und wie wird der Zugang und das Na-
hen zu Ihme so rar gemacht, wann man
die Seelen gewöhnet bey dem Mittler stehen
zu bleiben? Man soll ja billig auch zu Herzen
nehmen den Willen GOttes, welchen Christus
so gerne gethan hat: und das, was GOtt selbs
in Christo bey dem Leiden Christi gethan hat,
wie denn Paulus Col. 2, 14. 15. vergl. Eph. 2,
4. von GOtt redet: desgleichen bey Christo
selbs die Aufopferung gegen den himmlischen
Vater, das Thun des Willens GOttes bey
solcher Aufopferung, und nebst dem äussern
auch sein inneres Leiden, dessen Betrachtung
die natürliche Sinnen nicht so angreifft und
von dem Ordinario nicht so gepriesen wird.
Bey dem Kampf an dem Oelberg, dessen er so
haüffig gedenket, sieht er vielmehr auf den blu-
tigen Schweiß,
als auf die Uebergabe in

den

Theil I. Cap. I. Satz 14.
aber nicht. Das beblutete Lied, Ein Laͤmm-
lein geht,
ſieht ihm ſelbs Num. 1886 nicht
mehr gleich. Da heiſſt es zum Exempel: ”

Das Laͤmmlein iſt der groſſe GOtt, der
”Schoͤpfer unſrer Seelen;
den hat ſein
”Vater in der Noth
uns nicht gewollt
”verhehlen:
Geh hin, mein Kind! und nim
”das Amt,
die Suͤnder, die du ſelbſt ver-
”dammt,
zur Straff der Zornes-Ruthen,
zur Straff ſo ſchwer, zum Zorn ſo groß,
In deinr Perſon zu machen los,
Durch
”Sterben und durch Bluten.”

Wie viel
Dankſagung an den himmliſchen Vater fuͤr
ſeine Liebe wird bey dieſer Meinung unterblei-
ben? und wie wird der Zugang und das Na-
hen zu Ihme ſo rar gemacht, wann man
die Seelen gewoͤhnet bey dem Mittler ſtehen
zu bleiben? Man ſoll ja billig auch zu Herzen
nehmen den Willen GOttes, welchen Chriſtus
ſo gerne gethan hat: und das, was GOtt ſelbs
in Chriſto bey dem Leiden Chriſti gethan hat,
wie denn Paulus Col. 2, 14. 15. vergl. Eph. 2,
4. von GOtt redet: desgleichen bey Chriſto
ſelbs die Aufopferung gegen den himmliſchen
Vater, das Thun des Willens GOttes bey
ſolcher Aufopferung, und nebſt dem aͤuſſern
auch ſein inneres Leiden, deſſen Betrachtung
die natuͤrliche Sinnen nicht ſo angreifft und
von dem Ordinario nicht ſo geprieſen wird.
Bey dem Kampf an dem Oelberg, deſſen er ſo
hauͤffig gedenket, ſieht er vielmehr auf den blu-
tigen Schweiß,
als auf die Uebergabe in

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0124" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Theil</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Cap.</hi><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#fr">Satz 14.</hi></fw><lb/>
aber nicht. Das beblutete Lied, <hi rendition="#fr">Ein La&#x0364;mm-<lb/>
lein geht,</hi> &#x017F;ieht ihm &#x017F;elbs Num. 1886 nicht<lb/>
mehr gleich. Da hei&#x017F;&#x017F;t es zum Exempel: &#x201D;</p>
              <quote>
                <lg type="poem">
                  <l>&#x201D;<hi rendition="#fr">Das La&#x0364;mmlein i&#x017F;t der gro&#x017F;&#x017F;e GOtt,</hi></l>
                  <l> <hi rendition="#fr">der<lb/>
&#x201D;Scho&#x0364;pfer un&#x017F;rer Seelen;</hi> </l>
                  <l> <hi rendition="#fr">den hat &#x017F;ein<lb/>
&#x201D;Vater in der Noth</hi> </l>
                  <l> <hi rendition="#fr">uns nicht gewollt<lb/>
&#x201D;verhehlen:</hi> </l>
                  <l> <hi rendition="#fr">Geh hin, mein Kind! und nim<lb/>
&#x201D;das Amt,</hi> </l>
                  <l> <hi rendition="#fr">die Su&#x0364;nder, die du &#x017F;elb&#x017F;t ver-<lb/>
&#x201D;dammt,</hi> </l>
                  <l><hi rendition="#fr">zur Straff der Zornes-Ruthen,</hi><lb/>
&#x201D;<hi rendition="#fr">zur Straff &#x017F;o &#x017F;chwer, zum Zorn &#x017F;o groß,</hi><lb/>
&#x201D;<hi rendition="#fr">In deinr Per&#x017F;on zu machen los,</hi></l>
                  <l> <hi rendition="#fr">Durch<lb/>
&#x201D;Sterben und durch Bluten.&#x201D;</hi> </l>
                </lg>
              </quote>
              <p>Wie viel<lb/>
Dank&#x017F;agung an den himmli&#x017F;chen Vater fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;eine Liebe wird bey die&#x017F;er Meinung unterblei-<lb/>
ben? und wie wird der Zugang und das Na-<lb/>
hen zu Ihme &#x017F;o rar gemacht, wann man<lb/>
die Seelen gewo&#x0364;hnet bey dem Mittler &#x017F;tehen<lb/>
zu bleiben? Man &#x017F;oll ja billig auch zu Herzen<lb/>
nehmen den Willen GOttes, welchen Chri&#x017F;tus<lb/>
&#x017F;o gerne gethan hat: und das, was GOtt &#x017F;elbs<lb/>
in Chri&#x017F;to bey dem Leiden Chri&#x017F;ti gethan hat,<lb/>
wie denn Paulus Col. 2, 14. 15. vergl. Eph. 2,<lb/>
4. von <hi rendition="#fr">GOtt</hi> redet: desgleichen bey Chri&#x017F;to<lb/>
&#x017F;elbs die Aufopferung gegen den himmli&#x017F;chen<lb/>
Vater, das Thun des Willens GOttes bey<lb/>
&#x017F;olcher Aufopferung, und neb&#x017F;t dem a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
auch &#x017F;ein inneres Leiden, de&#x017F;&#x017F;en Betrachtung<lb/>
die natu&#x0364;rliche Sinnen nicht &#x017F;o angreifft und<lb/>
von dem <hi rendition="#aq">Ordinario</hi> nicht &#x017F;o geprie&#x017F;en wird.<lb/>
Bey dem Kampf an dem Oelberg, de&#x017F;&#x017F;en er &#x017F;o<lb/>
hau&#x0364;ffig gedenket, &#x017F;ieht er vielmehr auf den <hi rendition="#fr">blu-<lb/>
tigen Schweiß,</hi> als auf die Uebergabe in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0124] Theil I. Cap. I. Satz 14. aber nicht. Das beblutete Lied, Ein Laͤmm- lein geht, ſieht ihm ſelbs Num. 1886 nicht mehr gleich. Da heiſſt es zum Exempel: ” ”Das Laͤmmlein iſt der groſſe GOtt, der ”Schoͤpfer unſrer Seelen; den hat ſein ”Vater in der Noth uns nicht gewollt ”verhehlen: Geh hin, mein Kind! und nim ”das Amt, die Suͤnder, die du ſelbſt ver- ”dammt, zur Straff der Zornes-Ruthen, ”zur Straff ſo ſchwer, zum Zorn ſo groß, ”In deinr Perſon zu machen los, Durch ”Sterben und durch Bluten.” Wie viel Dankſagung an den himmliſchen Vater fuͤr ſeine Liebe wird bey dieſer Meinung unterblei- ben? und wie wird der Zugang und das Na- hen zu Ihme ſo rar gemacht, wann man die Seelen gewoͤhnet bey dem Mittler ſtehen zu bleiben? Man ſoll ja billig auch zu Herzen nehmen den Willen GOttes, welchen Chriſtus ſo gerne gethan hat: und das, was GOtt ſelbs in Chriſto bey dem Leiden Chriſti gethan hat, wie denn Paulus Col. 2, 14. 15. vergl. Eph. 2, 4. von GOtt redet: desgleichen bey Chriſto ſelbs die Aufopferung gegen den himmliſchen Vater, das Thun des Willens GOttes bey ſolcher Aufopferung, und nebſt dem aͤuſſern auch ſein inneres Leiden, deſſen Betrachtung die natuͤrliche Sinnen nicht ſo angreifft und von dem Ordinario nicht ſo geprieſen wird. Bey dem Kampf an dem Oelberg, deſſen er ſo hauͤffig gedenket, ſieht er vielmehr auf den blu- tigen Schweiß, als auf die Uebergabe in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/124
Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/124>, abgerufen am 01.05.2024.