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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Nagethiere und Affen in Siam.

Hasen habe ich in Siam nicht gesehen, so wenig als Fin-
layson und Crawfurd; aber frühere Reisende, wie Tachard, erwäh-
nen ihrer und Pallegoix erzählt, sie seien häufig, namentlich in der
Umgebung der alten Hauptstadt Ayutia, doch sollen die Siamesen
die Jagd derselben nicht der Mühe werth halten und nur viele
Fabeln über die Schlauheit dieser Thiere erzählen; ein in Bangkok
gekauftes siamesisches Vocabular gibt einen einheimischen Namen,
katai, für den Hasen an. Da der indische Archipel ursprünglich
keine Hasen besitzt (vgl. unten), wohl aber Vorderindien, so scheint
das eine weitere Thiergattung, deren Verbreitung das kontinentale
Asien gegenüber der Inselwelt charakterisirt.

Zahlreicher sind die Eichhörnchen, rothbraune, Sciurus
Siamensis Gray, schwarz- und weisse, Sc. bicolor Sparrm. und
dreifarbige, oben schwarz, unten roth, mit einem weissen Seiten-
streifen, Sc. Prevosti Desm.; seltener das weisse, Sc. Finlaysoni
Horsf. Pallegoix gibt an, dass man das letztere nie auf Cocos-
palmen, wie die andern, sondern nur in den menschlichen Woh-
nungen als Dieb finde; sollte daraus sich vielleicht seine auffallende
Färbung erklären lassen? Auch grosse fliegende Eichhörnchen, Pte-
romys petaurista Pall., kennt man aus Siam.

Unter den übrigen Nagthieren sind neben den zahlreichen
Ratten, nu in der Landessprache, noch zu erwähnen die Gattung
Rhizomys, ein bissiges Thier von über 6 Zoll Länge, das den Reis-
vorräthen gefährlich wird, thur nach Finlayson hier genannt, und
zweierlei Stachelschweine, tua men, das kurzschwänzige, Hys-
trix cristata, und das langschwänzige, Atherura fasciculata.

Das Schuppenthier, Manis brachyura, ist schon den
älteren Reisenden (Tachard 1689) aufgefallen; seine Haut, klet lin,
ist ein Handelsartikel für die Apotheken bis Singapore und China.

Unter den Affen, ling, scheint auch hier wie im indischen
Archipel der gemeine Makako, Macacus cynamolgos, der häufigste
zu sein; die Affen, welche ich im Stalle des weissen Elephanten
gesehen, gehörten dieser Art an. Seltener sind die Schlankaffen,
Semnopithecus obscurus Reid und S. Siamensis Wagn. Der inter-
essanteste und niedlichste ist ein langarmiger Affe, Hylobates pileatus
Gray, nur durch die tief schwarze Färbung des Oberkopfes vom alt-
bekannten Hylobates lar L. unterschieden, Stirne und ein Ring um
das Gesicht weiss, die Hände weisslich. Zwei dieser langarmigen
Affen erhielt der preussische Gesandte zum Geschenke, und sie

Nagethiere und Affen in Siam.

Hasen habe ich in Siam nicht gesehen, so wenig als Fin-
layson und Crawfurd; aber frühere Reisende, wie Tachard, erwäh-
nen ihrer und Pallegoix erzählt, sie seien häufig, namentlich in der
Umgebung der alten Hauptstadt Ayutia, doch sollen die Siamesen
die Jagd derselben nicht der Mühe werth halten und nur viele
Fabeln über die Schlauheit dieser Thiere erzählen; ein in Bangkok
gekauftes siamesisches Vocabular gibt einen einheimischen Namen,
katai, für den Hasen an. Da der indische Archipel ursprünglich
keine Hasen besitzt (vgl. unten), wohl aber Vorderindien, so scheint
das eine weitere Thiergattung, deren Verbreitung das kontinentale
Asien gegenüber der Inselwelt charakterisirt.

Zahlreicher sind die Eichhörnchen, rothbraune, Sciurus
Siamensis Gray, schwarz- und weisse, Sc. bicolor Sparrm. und
dreifarbige, oben schwarz, unten roth, mit einem weissen Seiten-
streifen, Sc. Prevosti Desm.; seltener das weisse, Sc. Finlaysoni
Horsf. Pallegoix gibt an, dass man das letztere nie auf Cocos-
palmen, wie die andern, sondern nur in den menschlichen Woh-
nungen als Dieb finde; sollte daraus sich vielleicht seine auffallende
Färbung erklären lassen? Auch grosse fliegende Eichhörnchen, Pte-
romys petaurista Pall., kennt man aus Siam.

Unter den übrigen Nagthieren sind neben den zahlreichen
Ratten, nu in der Landessprache, noch zu erwähnen die Gattung
Rhizomys, ein bissiges Thier von über 6 Zoll Länge, das den Reis-
vorräthen gefährlich wird, thur nach Finlayson hier genannt, und
zweierlei Stachelschweine, tua men, das kurzschwänzige, Hys-
trix cristata, und das langschwänzige, Atherura fasciculata.

Das Schuppenthier, Manis brachyura, ist schon den
älteren Reisenden (Tachard 1689) aufgefallen; seine Haut, klet lin,
ist ein Handelsartikel für die Apotheken bis Singapore und China.

Unter den Affen, ling, scheint auch hier wie im indischen
Archipel der gemeine Makako, Macacus cynamolgos, der häufigste
zu sein; die Affen, welche ich im Stalle des weissen Elephanten
gesehen, gehörten dieser Art an. Seltener sind die Schlankaffen,
Semnopithecus obscurus Reid und S. Siamensis Wagn. Der inter-
essanteste und niedlichste ist ein langarmiger Affe, Hylobates pileatus
Gray, nur durch die tief schwarze Färbung des Oberkopfes vom alt-
bekannten Hylobates lar L. unterschieden, Stirne und ein Ring um
das Gesicht weiss, die Hände weisslich. Zwei dieser langarmigen
Affen erhielt der preussische Gesandte zum Geschenke, und sie

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[220/0238] Nagethiere und Affen in Siam. Hasen habe ich in Siam nicht gesehen, so wenig als Fin- layson und Crawfurd; aber frühere Reisende, wie Tachard, erwäh- nen ihrer und Pallegoix erzählt, sie seien häufig, namentlich in der Umgebung der alten Hauptstadt Ayutia, doch sollen die Siamesen die Jagd derselben nicht der Mühe werth halten und nur viele Fabeln über die Schlauheit dieser Thiere erzählen; ein in Bangkok gekauftes siamesisches Vocabular gibt einen einheimischen Namen, katai, für den Hasen an. Da der indische Archipel ursprünglich keine Hasen besitzt (vgl. unten), wohl aber Vorderindien, so scheint das eine weitere Thiergattung, deren Verbreitung das kontinentale Asien gegenüber der Inselwelt charakterisirt. Zahlreicher sind die Eichhörnchen, rothbraune, Sciurus Siamensis Gray, schwarz- und weisse, Sc. bicolor Sparrm. und dreifarbige, oben schwarz, unten roth, mit einem weissen Seiten- streifen, Sc. Prevosti Desm.; seltener das weisse, Sc. Finlaysoni Horsf. Pallegoix gibt an, dass man das letztere nie auf Cocos- palmen, wie die andern, sondern nur in den menschlichen Woh- nungen als Dieb finde; sollte daraus sich vielleicht seine auffallende Färbung erklären lassen? Auch grosse fliegende Eichhörnchen, Pte- romys petaurista Pall., kennt man aus Siam. Unter den übrigen Nagthieren sind neben den zahlreichen Ratten, nu in der Landessprache, noch zu erwähnen die Gattung Rhizomys, ein bissiges Thier von über 6 Zoll Länge, das den Reis- vorräthen gefährlich wird, thur nach Finlayson hier genannt, und zweierlei Stachelschweine, tua men, das kurzschwänzige, Hys- trix cristata, und das langschwänzige, Atherura fasciculata. Das Schuppenthier, Manis brachyura, ist schon den älteren Reisenden (Tachard 1689) aufgefallen; seine Haut, klet lin, ist ein Handelsartikel für die Apotheken bis Singapore und China. Unter den Affen, ling, scheint auch hier wie im indischen Archipel der gemeine Makako, Macacus cynamolgos, der häufigste zu sein; die Affen, welche ich im Stalle des weissen Elephanten gesehen, gehörten dieser Art an. Seltener sind die Schlankaffen, Semnopithecus obscurus Reid und S. Siamensis Wagn. Der inter- essanteste und niedlichste ist ein langarmiger Affe, Hylobates pileatus Gray, nur durch die tief schwarze Färbung des Oberkopfes vom alt- bekannten Hylobates lar L. unterschieden, Stirne und ein Ring um das Gesicht weiss, die Hände weisslich. Zwei dieser langarmigen Affen erhielt der preussische Gesandte zum Geschenke, und sie

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/238>, abgerufen am 26.04.2024.