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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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zwey Weibes-Personen bezeugten,
hätten. Denn was mich insonderheit vollends
am allermeisten bewegte, so daß ich nicht wuste,
was ich dencken solte, war unter andern eine
gewisse Abmahnung, die sie an mich ergehen
ließ. Ach, lieber Herr Magister, sprach sie,
ich weiß wohl, sie haben ietzt diß und jenes im
Sinn, und gedencken große Dinge zu unter-
nehmen; ach thun sie es nicht, ändern sie ih-
ren Vorsatz, bleiben sie in dem, wozu sie GOtt
gesetzt und beruffen hat, sie werden mehr Nu-
tzen schaffen, es ist damit nicht viel in der Welt
anzufangen. Waren es just nicht diese
Worte, so konte ich doch keinen andern Ver-
stand daraus nehmen, als eben diesen. Jch
deutete es, da ich noch bey ihr zugegen war,
heimlich auf den bekannten Tractat, den ich da-
mahls zu schreiben willens war, und welchen
ich schon untern Händen hatte. Jch nahm
mir vor, so bald ich würde nach Hause kom-
men, diesem seltsamen Umstande, und dieser
wunderbaren Begebenheit nachzudencken; und
siehe, ich weiß nicht, wie es geschehen, daß ich
eher nicht, als das Jahr darauf, und kurtz vor
meiner Resignation wieder dran gedacht habe.

§. 119.

Doch meine Zuhörer haben nicht nur mit
Worten in den ersten Jahren meines Predigt-

Amts,
L l 2

zwey Weibes-Perſonen bezeugten,
haͤtten. Denn was mich inſonderheit vollends
am allermeiſten bewegte, ſo daß ich nicht wuſte,
was ich dencken ſolte, war unter andern eine
gewiſſe Abmahnung, die ſie an mich ergehen
ließ. Ach, lieber Herr Magiſter, ſprach ſie,
ich weiß wohl, ſie haben ietzt diß und jenes im
Sinn, und gedencken große Dinge zu unter-
nehmen; ach thun ſie es nicht, aͤndern ſie ih-
ren Vorſatz, bleiben ſie in dem, wozu ſie GOtt
geſetzt und beruffen hat, ſie werden mehr Nu-
tzen ſchaffen, es iſt damit nicht viel in der Welt
anzufangen. Waren es juſt nicht dieſe
Worte, ſo konte ich doch keinen andern Ver-
ſtand daraus nehmen, als eben dieſen. Jch
deutete es, da ich noch bey ihr zugegen war,
heimlich auf den bekannten Tractat, den ich da-
mahls zu ſchreiben willens war, und welchen
ich ſchon untern Haͤnden hatte. Jch nahm
mir vor, ſo bald ich wuͤrde nach Hauſe kom-
men, dieſem ſeltſamen Umſtande, und dieſer
wunderbaren Begebenheit nachzudencken; und
ſiehe, ich weiß nicht, wie es geſchehen, daß ich
eher nicht, als das Jahr darauf, und kurtz vor
meiner Reſignation wieder dran gedacht habe.

§. 119.

Doch meine Zuhoͤrer haben nicht nur mit
Worten in den erſten Jahren meines Predigt-

Amts,
L l 2
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[531/0577] zwey Weibes-Perſonen bezeugten, haͤtten. Denn was mich inſonderheit vollends am allermeiſten bewegte, ſo daß ich nicht wuſte, was ich dencken ſolte, war unter andern eine gewiſſe Abmahnung, die ſie an mich ergehen ließ. Ach, lieber Herr Magiſter, ſprach ſie, ich weiß wohl, ſie haben ietzt diß und jenes im Sinn, und gedencken große Dinge zu unter- nehmen; ach thun ſie es nicht, aͤndern ſie ih- ren Vorſatz, bleiben ſie in dem, wozu ſie GOtt geſetzt und beruffen hat, ſie werden mehr Nu- tzen ſchaffen, es iſt damit nicht viel in der Welt anzufangen. Waren es juſt nicht dieſe Worte, ſo konte ich doch keinen andern Ver- ſtand daraus nehmen, als eben dieſen. Jch deutete es, da ich noch bey ihr zugegen war, heimlich auf den bekannten Tractat, den ich da- mahls zu ſchreiben willens war, und welchen ich ſchon untern Haͤnden hatte. Jch nahm mir vor, ſo bald ich wuͤrde nach Hauſe kom- men, dieſem ſeltſamen Umſtande, und dieſer wunderbaren Begebenheit nachzudencken; und ſiehe, ich weiß nicht, wie es geſchehen, daß ich eher nicht, als das Jahr darauf, und kurtz vor meiner Reſignation wieder dran gedacht habe. §. 119. Doch meine Zuhoͤrer haben nicht nur mit Worten in den erſten Jahren meines Predigt- Amts, L l 2

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/577>, abgerufen am 26.04.2024.