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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 33. Strafe des Versuchs eines Vergehens.
nahmsweise bestraft wird; daß das Strafgesetzbuch nur ausnahmsweise
bei der Zuchthausstrafe ein anderes Minimum als das gesetzliche von
zwei Jahren aufstellt, und daß bei dem Versuch auch die mildernden
Umstände berücksichtigt werden. -- Eine ganz gleiche Strafe wird für
den Versuch und das vollendete Verbrechen nur dann bestehen, wenn
für beide der niedrigste Grad der Strafbarkeit sich herausstellt; dann
wird aber auch wohl meistens ein Fall vorliegen, wo es überhaupt
schwer ist, die Grenzen zwischen der bloß vorbereitenden Handlung und
dem strafbaren Versuch sicher zu ziehen.

b. Auf Todesstrafe und lebenslängliches Zuchthaus sollwegen
Versuchs eines Verbrechens niemals erkannt werden. Wenn das Ver-
brechen selbst mit einer dieser Strafen bedroht ist, so tritt statt derselben
bei dem Versuch eine zeitige Zuchthausstrafe von mindestens zehn Jah-
ren und Stellung unter Polizei-Aufsicht ein.

c. Allgemein gilt die Regel, daß, wenn bei dem Verbrechen die
Feststellung des Vorhandenseins mildernder Umstände eine Heruntersetzung
der Strafe ihrer Art oder ihrem Maaße nach mit sich führt, dieß auch
für den Versuch gilt. Diese Bestimmung konnte für die Vorschriften
des ersten Absatzes wohl als sich von selbst verstehend angesehen wer-
den; aber bei der dispositiven Fassung des zweiten Absatzes erschien die
ausdrückliche Hinzufügung nothwendig.

III. Der strafbare Versuch läßt sich nicht nach bestimmten Gra-
den zerlegen; die beiden einzigen fest zu bestimmenden Punkte sind sein
Anfang und sein Ende. Zwischen diesen beiden Punkten, von dem aus,
wo die Strafbarkeit anfängt, bis zu dem hin, wo der Versuch in das voll-
endete Verbrechen übertritt, bewegen sich die Versuchshandlungen im all-
mählichen Fortschreiten. Daraus läßt sich für die Strafzumessung die
allgemeine Regel ableiten, daß der Versuch um so strafbarer ist, je mehr
er sich dem vollendeten Verbrechen nähert, und daß der beendigte Ver-
such, das delictum perfectum also den höchsten Grad der Strafbarkeit
darstellt. Dabei ist aber nicht zu übersehen, daß das Verhältniß, in wel-
chem sich der Versuch dem vollendeten Verbrechen nähert, nicht der ein-
zige Maaßstab für die Strafbarkeit der Versuchshandlungen ist; die
übrigen subjektiven und objektiven Zumessungsgründe behalten daneben
ihre allgemeine Bedeutung.

§. 33.

Der Versuch eines Vergehens wird nur in den Fällen bestraft, in welchen
die Gesetze dies ausdrücklich bestimmen. Der Versuch wird alsdann wie das
Vergehen selbst nach den im §. 32. aufgestellten Grundsätzen bestraft.



Ueber den Versuch eines Vergehens gelten die allgemeinen Grund-

§. 33. Strafe des Verſuchs eines Vergehens.
nahmsweiſe beſtraft wird; daß das Strafgeſetzbuch nur ausnahmsweiſe
bei der Zuchthausſtrafe ein anderes Minimum als das geſetzliche von
zwei Jahren aufſtellt, und daß bei dem Verſuch auch die mildernden
Umſtände berückſichtigt werden. — Eine ganz gleiche Strafe wird für
den Verſuch und das vollendete Verbrechen nur dann beſtehen, wenn
für beide der niedrigſte Grad der Strafbarkeit ſich herausſtellt; dann
wird aber auch wohl meiſtens ein Fall vorliegen, wo es überhaupt
ſchwer iſt, die Grenzen zwiſchen der bloß vorbereitenden Handlung und
dem ſtrafbaren Verſuch ſicher zu ziehen.

b. Auf Todesſtrafe und lebenslängliches Zuchthaus ſollwegen
Verſuchs eines Verbrechens niemals erkannt werden. Wenn das Ver-
brechen ſelbſt mit einer dieſer Strafen bedroht iſt, ſo tritt ſtatt derſelben
bei dem Verſuch eine zeitige Zuchthausſtrafe von mindeſtens zehn Jah-
ren und Stellung unter Polizei-Aufſicht ein.

c. Allgemein gilt die Regel, daß, wenn bei dem Verbrechen die
Feſtſtellung des Vorhandenſeins mildernder Umſtände eine Herunterſetzung
der Strafe ihrer Art oder ihrem Maaße nach mit ſich führt, dieß auch
für den Verſuch gilt. Dieſe Beſtimmung konnte für die Vorſchriften
des erſten Abſatzes wohl als ſich von ſelbſt verſtehend angeſehen wer-
den; aber bei der dispoſitiven Faſſung des zweiten Abſatzes erſchien die
ausdrückliche Hinzufügung nothwendig.

III. Der ſtrafbare Verſuch läßt ſich nicht nach beſtimmten Gra-
den zerlegen; die beiden einzigen feſt zu beſtimmenden Punkte ſind ſein
Anfang und ſein Ende. Zwiſchen dieſen beiden Punkten, von dem aus,
wo die Strafbarkeit anfängt, bis zu dem hin, wo der Verſuch in das voll-
endete Verbrechen übertritt, bewegen ſich die Verſuchshandlungen im all-
mählichen Fortſchreiten. Daraus läßt ſich für die Strafzumeſſung die
allgemeine Regel ableiten, daß der Verſuch um ſo ſtrafbarer iſt, je mehr
er ſich dem vollendeten Verbrechen nähert, und daß der beendigte Ver-
ſuch, das delictum perfectum alſo den höchſten Grad der Strafbarkeit
darſtellt. Dabei iſt aber nicht zu überſehen, daß das Verhältniß, in wel-
chem ſich der Verſuch dem vollendeten Verbrechen nähert, nicht der ein-
zige Maaßſtab für die Strafbarkeit der Verſuchshandlungen iſt; die
übrigen ſubjektiven und objektiven Zumeſſungsgründe behalten daneben
ihre allgemeine Bedeutung.

§. 33.

Der Verſuch eines Vergehens wird nur in den Fällen beſtraft, in welchen
die Geſetze dies ausdrücklich beſtimmen. Der Verſuch wird alsdann wie das
Vergehen ſelbſt nach den im §. 32. aufgeſtellten Grundſätzen beſtraft.



Ueber den Verſuch eines Vergehens gelten die allgemeinen Grund-

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[149/0159] §. 33. Strafe des Verſuchs eines Vergehens. nahmsweiſe beſtraft wird; daß das Strafgeſetzbuch nur ausnahmsweiſe bei der Zuchthausſtrafe ein anderes Minimum als das geſetzliche von zwei Jahren aufſtellt, und daß bei dem Verſuch auch die mildernden Umſtände berückſichtigt werden. — Eine ganz gleiche Strafe wird für den Verſuch und das vollendete Verbrechen nur dann beſtehen, wenn für beide der niedrigſte Grad der Strafbarkeit ſich herausſtellt; dann wird aber auch wohl meiſtens ein Fall vorliegen, wo es überhaupt ſchwer iſt, die Grenzen zwiſchen der bloß vorbereitenden Handlung und dem ſtrafbaren Verſuch ſicher zu ziehen. b. Auf Todesſtrafe und lebenslängliches Zuchthaus ſollwegen Verſuchs eines Verbrechens niemals erkannt werden. Wenn das Ver- brechen ſelbſt mit einer dieſer Strafen bedroht iſt, ſo tritt ſtatt derſelben bei dem Verſuch eine zeitige Zuchthausſtrafe von mindeſtens zehn Jah- ren und Stellung unter Polizei-Aufſicht ein. c. Allgemein gilt die Regel, daß, wenn bei dem Verbrechen die Feſtſtellung des Vorhandenſeins mildernder Umſtände eine Herunterſetzung der Strafe ihrer Art oder ihrem Maaße nach mit ſich führt, dieß auch für den Verſuch gilt. Dieſe Beſtimmung konnte für die Vorſchriften des erſten Abſatzes wohl als ſich von ſelbſt verſtehend angeſehen wer- den; aber bei der dispoſitiven Faſſung des zweiten Abſatzes erſchien die ausdrückliche Hinzufügung nothwendig. III. Der ſtrafbare Verſuch läßt ſich nicht nach beſtimmten Gra- den zerlegen; die beiden einzigen feſt zu beſtimmenden Punkte ſind ſein Anfang und ſein Ende. Zwiſchen dieſen beiden Punkten, von dem aus, wo die Strafbarkeit anfängt, bis zu dem hin, wo der Verſuch in das voll- endete Verbrechen übertritt, bewegen ſich die Verſuchshandlungen im all- mählichen Fortſchreiten. Daraus läßt ſich für die Strafzumeſſung die allgemeine Regel ableiten, daß der Verſuch um ſo ſtrafbarer iſt, je mehr er ſich dem vollendeten Verbrechen nähert, und daß der beendigte Ver- ſuch, das delictum perfectum alſo den höchſten Grad der Strafbarkeit darſtellt. Dabei iſt aber nicht zu überſehen, daß das Verhältniß, in wel- chem ſich der Verſuch dem vollendeten Verbrechen nähert, nicht der ein- zige Maaßſtab für die Strafbarkeit der Verſuchshandlungen iſt; die übrigen ſubjektiven und objektiven Zumeſſungsgründe behalten daneben ihre allgemeine Bedeutung. §. 33. Der Verſuch eines Vergehens wird nur in den Fällen beſtraft, in welchen die Geſetze dies ausdrücklich beſtimmen. Der Verſuch wird alsdann wie das Vergehen ſelbſt nach den im §. 32. aufgeſtellten Grundſätzen beſtraft. Ueber den Verſuch eines Vergehens gelten die allgemeinen Grund-

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/159>, abgerufen am 26.04.2024.