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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben.
1) um ein der Ausführung derselben entgegen tretendes Hinderniß
zu beseitigen, oder
2) um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen.

In dieser Beschränkung war die Vorschrift des §. 178. zuerst von
der Staatsraths-Kommission in Vorschlag gebracht worden, d) und fand
auch die Billigung des Staatsrathes, e) indem gegen die Einwendung,
daß man dadurch von dem allgemeinen System des Gesetzbuchs über
die Konkurrenz von Verbrechen und die Bestrafung der Tödtung ab-
weiche, auf die Gefährlichkeit eines Menschen hingewiesen wurde, welcher
bei der Ausführung eines verbrecherischen Unternehmens oder um sich
vor den Folgen desselben zu schützen, vor keinem Mittel zurückschrecke.
Selbst das Allgemeine Landrecht, welches den Todtschlag überhaupt mit
dem Tode bestrafe, habe für besondere Fälle (Th. II. Tit. 20. §. 1194.
1196.) durch die Androhung einer geschärften Todesstrafe auf jene
Momente Rücksicht genommen. -- Das Ministerium für die Gesetz-
Revision, welches den singulären Charakter der ganzen Vorschrift be-
sonders hervorhob, schlug die Streichung desselben vor, fand darin aber
keine Unterstützung, f) und auch der Antrag, welchen die vorberathende
Abtheilung des vereinigten ständischen Ausschusses in demselben Sinne
stellte, wurde nur in Beziehung auf die Worte "oder um sich der Er-
greifung auf frischer That zu entziehen" angenommen. g) Später ist
jedoch, aus den im Staatsrathe angeführten Gründen und namentlich
mit Rücksicht auf die Sicherung der Person und des Eigenthums gegen
Diebe und Räuber, die frühere Fassung wieder hergestellt worden. h)

IV. Der Todtschlag, welcher an leiblichen Eltern verübt wird,
soll mit dem Tode bestraft werden (§. 179.). Es widerspricht dem
Systeme des Strafgesetzbuchs, für die möglichen Fälle einer geringeren
Verschuldung neben der Todesstrafe ein Minimum aufzustellen, und die
Natur des Verbrechens gestattet es nicht, hier, wie der vereinigte stän-
dische Ausschuß es gethan hat, die Berücksichtigung mildernder Umstände
zuzulassen. i) Nur die Gnade kann in einem solchen Fall das strenge
Recht mit den Anforderungen der Billigkeit ausgleichen.


d) Berathungs-Protokolle. II. S. 184. 185.
e) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. und 17. April 1841.
f) Revision von 1845. II. S. 118. 119. -- Verhandlungen der
Staatsraths-Kommission von
1846. S. 113.
g) Verhandlungen IV. S. 20-24.
h) Motive zum Entwurf von 1850. §. 164. 165. Vgl. Württemb.
Strafgesetzb
. Art. 245.
i) Verhandlungen. IV. S. 13-20.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben.
1) um ein der Ausführung derſelben entgegen tretendes Hinderniß
zu beſeitigen, oder
2) um ſich der Ergreifung auf friſcher That zu entziehen.

In dieſer Beſchränkung war die Vorſchrift des §. 178. zuerſt von
der Staatsraths-Kommiſſion in Vorſchlag gebracht worden, d) und fand
auch die Billigung des Staatsrathes, e) indem gegen die Einwendung,
daß man dadurch von dem allgemeinen Syſtem des Geſetzbuchs über
die Konkurrenz von Verbrechen und die Beſtrafung der Tödtung ab-
weiche, auf die Gefährlichkeit eines Menſchen hingewieſen wurde, welcher
bei der Ausführung eines verbrecheriſchen Unternehmens oder um ſich
vor den Folgen deſſelben zu ſchützen, vor keinem Mittel zurückſchrecke.
Selbſt das Allgemeine Landrecht, welches den Todtſchlag überhaupt mit
dem Tode beſtrafe, habe für beſondere Fälle (Th. II. Tit. 20. §. 1194.
1196.) durch die Androhung einer geſchärften Todesſtrafe auf jene
Momente Rückſicht genommen. — Das Miniſterium für die Geſetz-
Reviſion, welches den ſingulären Charakter der ganzen Vorſchrift be-
ſonders hervorhob, ſchlug die Streichung deſſelben vor, fand darin aber
keine Unterſtützung, f) und auch der Antrag, welchen die vorberathende
Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes in demſelben Sinne
ſtellte, wurde nur in Beziehung auf die Worte „oder um ſich der Er-
greifung auf friſcher That zu entziehen“ angenommen. g) Später iſt
jedoch, aus den im Staatsrathe angeführten Gründen und namentlich
mit Rückſicht auf die Sicherung der Perſon und des Eigenthums gegen
Diebe und Räuber, die frühere Faſſung wieder hergeſtellt worden. h)

IV. Der Todtſchlag, welcher an leiblichen Eltern verübt wird,
ſoll mit dem Tode beſtraft werden (§. 179.). Es widerſpricht dem
Syſteme des Strafgeſetzbuchs, für die möglichen Fälle einer geringeren
Verſchuldung neben der Todesſtrafe ein Minimum aufzuſtellen, und die
Natur des Verbrechens geſtattet es nicht, hier, wie der vereinigte ſtän-
diſche Ausſchuß es gethan hat, die Berückſichtigung mildernder Umſtände
zuzulaſſen. i) Nur die Gnade kann in einem ſolchen Fall das ſtrenge
Recht mit den Anforderungen der Billigkeit ausgleichen.


d) Berathungs-Protokolle. II. S. 184. 185.
e) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. und 17. April 1841.
f) Reviſion von 1845. II. S. 118. 119. — Verhandlungen der
Staatsraths-Kommiſſion von
1846. S. 113.
g) Verhandlungen IV. S. 20-24.
h) Motive zum Entwurf von 1850. §. 164. 165. Vgl. Württemb.
Strafgeſetzb
. Art. 245.
i) Verhandlungen. IV. S. 13-20.
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[354/0364] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben. 1) um ein der Ausführung derſelben entgegen tretendes Hinderniß zu beſeitigen, oder 2) um ſich der Ergreifung auf friſcher That zu entziehen. In dieſer Beſchränkung war die Vorſchrift des §. 178. zuerſt von der Staatsraths-Kommiſſion in Vorſchlag gebracht worden, d) und fand auch die Billigung des Staatsrathes, e) indem gegen die Einwendung, daß man dadurch von dem allgemeinen Syſtem des Geſetzbuchs über die Konkurrenz von Verbrechen und die Beſtrafung der Tödtung ab- weiche, auf die Gefährlichkeit eines Menſchen hingewieſen wurde, welcher bei der Ausführung eines verbrecheriſchen Unternehmens oder um ſich vor den Folgen deſſelben zu ſchützen, vor keinem Mittel zurückſchrecke. Selbſt das Allgemeine Landrecht, welches den Todtſchlag überhaupt mit dem Tode beſtrafe, habe für beſondere Fälle (Th. II. Tit. 20. §. 1194. 1196.) durch die Androhung einer geſchärften Todesſtrafe auf jene Momente Rückſicht genommen. — Das Miniſterium für die Geſetz- Reviſion, welches den ſingulären Charakter der ganzen Vorſchrift be- ſonders hervorhob, ſchlug die Streichung deſſelben vor, fand darin aber keine Unterſtützung, f) und auch der Antrag, welchen die vorberathende Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes in demſelben Sinne ſtellte, wurde nur in Beziehung auf die Worte „oder um ſich der Er- greifung auf friſcher That zu entziehen“ angenommen. g) Später iſt jedoch, aus den im Staatsrathe angeführten Gründen und namentlich mit Rückſicht auf die Sicherung der Perſon und des Eigenthums gegen Diebe und Räuber, die frühere Faſſung wieder hergeſtellt worden. h) IV. Der Todtſchlag, welcher an leiblichen Eltern verübt wird, ſoll mit dem Tode beſtraft werden (§. 179.). Es widerſpricht dem Syſteme des Strafgeſetzbuchs, für die möglichen Fälle einer geringeren Verſchuldung neben der Todesſtrafe ein Minimum aufzuſtellen, und die Natur des Verbrechens geſtattet es nicht, hier, wie der vereinigte ſtän- diſche Ausſchuß es gethan hat, die Berückſichtigung mildernder Umſtände zuzulaſſen. i) Nur die Gnade kann in einem ſolchen Fall das ſtrenge Recht mit den Anforderungen der Billigkeit ausgleichen. d) Berathungs-Protokolle. II. S. 184. 185. e) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. und 17. April 1841. f) Reviſion von 1845. II. S. 118. 119. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 113. g) Verhandlungen IV. S. 20-24. h) Motive zum Entwurf von 1850. §. 164. 165. Vgl. Württemb. Strafgeſetzb. Art. 245. i) Verhandlungen. IV. S. 13-20.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/364>, abgerufen am 27.04.2024.