Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVI. Körperverletzung.
schweren Körperverletzung eingetreten ist, da wird regelmäßig auch eine
Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwanzigtägiger Dauer
statt finden, so daß diese Häufung der Merkmale, welche der Code penal
auch nicht kennt, meistens nur in Beziehung auf die Beweisführung
und die Strafzumessung von Wichtigkeit sein wird.

III. Der Verletzte ist der Sprache, des Gesichts, des Gehörs oder
der Zeugungsfähigkeit beraubt werden. Auch hier sind die dauernden
nachtheiligen Folgen der Verletzung gemeint, im Gegensatz zu der Ar-
beitsunfähigkeit und Krankheit. -- Ueber die Entmannung hat der Code
penal
(Art. 316.) eine besondere Vorschrift.

IV. Daß auch die Versetzung des Verletzten in eine Geisteskrank-
heit als ein Merkmal der schweren Körperverletzung angeführt wird,
beruht auf der Bestimmung des Allgem. Landrechts Th. II. Tit. 20.
§. 801. Anfangs wurde jedoch nur eine solche Geisteskrankheit, bei
der keine gegründete Hoffnung zur Wiederherstellung vorhanden ist,
hierher gerechnet; r) allein später ließ man diese Unterscheidung fallen,
da dieselbe weder praktisch noch in sich gerechtfertigt erschien. s)

V. Die Strafe der schweren Körperverletzung und Mißhandlung
ist Zuchthaus von zwei bis zu funfzehn Jahren. In der Kommission
der zweiten Kammer war man Anfangs geneigt, die verschiedenen Fälle
des Verbrechens bei der Bestrafung zu unterscheiden, und namentlich
dann, wenn eine mehr als zwanzigtägige Krankheit oder Arbeitsunfä-
higkeit vorliegt, auch die Gefängnißstrafe neben dem Zuchthaus zuzu-
lassen. Von dieser Ansicht kam jedoch die Kommission bei genauerer
Erwägung der einzelnen, die Strafbarkeit begründenden Momente zurück,
indem sie annahm, daß mögliche Härten durch die in §. 196. freige-
lassene Berücksichtigung mildernder Umstände ausgeglichen werden
könnten. t) -- Bei der Anwendung der Strafe ist aber dem richterlichen
Ermessen ein so weiter Spielraum gelassen, daß die verschiedenen Zu-
messungsgründe in gehöriger Weise dabei in Betracht gezogen werden
können. Namentlich ist der Fall hierher zu rechnen, wenn das Ver-
brechen mit Ueberlegung begangen ist, und wenn bei der Verübung die
Absicht des Thäters auf die Herbeiführung des bestimmten Schadens,
der die Körperverletzung zu einer schweren macht, gerichtet war. Liegt
eine solche Absicht bei der Verstümmelung, der Entmannung u. s. w.
vor, so steigert sich natürlich dadurch die Strafbarkeit der Handlung.


r) Motive zum ersten Entwurf. III. 2. S. 234-36. -- Entwurf von
1830. §. 264. -- Entwurf von 1843. §. 436. -- Revision von 1845. II.
S. 136.
s) Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 119.
t) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 176. (193.)

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
ſchweren Körperverletzung eingetreten iſt, da wird regelmäßig auch eine
Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwanzigtägiger Dauer
ſtatt finden, ſo daß dieſe Häufung der Merkmale, welche der Code pénal
auch nicht kennt, meiſtens nur in Beziehung auf die Beweisführung
und die Strafzumeſſung von Wichtigkeit ſein wird.

III. Der Verletzte iſt der Sprache, des Geſichts, des Gehörs oder
der Zeugungsfähigkeit beraubt werden. Auch hier ſind die dauernden
nachtheiligen Folgen der Verletzung gemeint, im Gegenſatz zu der Ar-
beitsunfähigkeit und Krankheit. — Ueber die Entmannung hat der Code
pénal
(Art. 316.) eine beſondere Vorſchrift.

IV. Daß auch die Verſetzung des Verletzten in eine Geiſteskrank-
heit als ein Merkmal der ſchweren Körperverletzung angeführt wird,
beruht auf der Beſtimmung des Allgem. Landrechts Th. II. Tit. 20.
§. 801. Anfangs wurde jedoch nur eine ſolche Geiſteskrankheit, bei
der keine gegründete Hoffnung zur Wiederherſtellung vorhanden iſt,
hierher gerechnet; r) allein ſpäter ließ man dieſe Unterſcheidung fallen,
da dieſelbe weder praktiſch noch in ſich gerechtfertigt erſchien. s)

V. Die Strafe der ſchweren Körperverletzung und Mißhandlung
iſt Zuchthaus von zwei bis zu funfzehn Jahren. In der Kommiſſion
der zweiten Kammer war man Anfangs geneigt, die verſchiedenen Fälle
des Verbrechens bei der Beſtrafung zu unterſcheiden, und namentlich
dann, wenn eine mehr als zwanzigtägige Krankheit oder Arbeitsunfä-
higkeit vorliegt, auch die Gefängnißſtrafe neben dem Zuchthaus zuzu-
laſſen. Von dieſer Anſicht kam jedoch die Kommiſſion bei genauerer
Erwägung der einzelnen, die Strafbarkeit begründenden Momente zurück,
indem ſie annahm, daß mögliche Härten durch die in §. 196. freige-
laſſene Berückſichtigung mildernder Umſtände ausgeglichen werden
könnten. t) — Bei der Anwendung der Strafe iſt aber dem richterlichen
Ermeſſen ein ſo weiter Spielraum gelaſſen, daß die verſchiedenen Zu-
meſſungsgründe in gehöriger Weiſe dabei in Betracht gezogen werden
können. Namentlich iſt der Fall hierher zu rechnen, wenn das Ver-
brechen mit Ueberlegung begangen iſt, und wenn bei der Verübung die
Abſicht des Thäters auf die Herbeiführung des beſtimmten Schadens,
der die Körperverletzung zu einer ſchweren macht, gerichtet war. Liegt
eine ſolche Abſicht bei der Verſtümmelung, der Entmannung u. ſ. w.
vor, ſo ſteigert ſich natürlich dadurch die Strafbarkeit der Handlung.


r) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 234-36. — Entwurf von
1830. §. 264. — Entwurf von 1843. §. 436. — Reviſion von 1845. II.
S. 136.
s) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 119.
t) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 176. (193.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0384" n="374"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. &#xA75B;c. Tit. XVI.          Körperverletzung.</fw><lb/>
&#x017F;chweren Körperverletzung eingetreten i&#x017F;t,         da wird regelmäßig auch eine<lb/>
Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als         zwanzigtägiger Dauer<lb/>
&#x017F;tatt finden, &#x017F;o daß die&#x017F;e Häufung         der Merkmale, welche der <hi rendition="#aq">Code pénal</hi><lb/>
auch nicht         kennt, mei&#x017F;tens nur in Beziehung auf die Beweisführung<lb/>
und die         Strafzume&#x017F;&#x017F;ung von Wichtigkeit &#x017F;ein wird.</p><lb/>
              <p>III. Der Verletzte i&#x017F;t der Sprache, des Ge&#x017F;ichts, des Gehörs         oder<lb/>
der Zeugungsfähigkeit beraubt werden. Auch hier &#x017F;ind die         dauernden<lb/>
nachtheiligen Folgen der Verletzung gemeint, im Gegen&#x017F;atz zu der         Ar-<lb/>
beitsunfähigkeit und Krankheit. &#x2014; Ueber die Entmannung hat der <hi rendition="#aq">Code<lb/>
pénal</hi> (<hi rendition="#aq">Art.</hi> 316.) eine         be&#x017F;ondere Vor&#x017F;chrift.</p><lb/>
              <p>IV. Daß auch die Ver&#x017F;etzung des Verletzten in eine         Gei&#x017F;teskrank-<lb/>
heit als ein Merkmal der &#x017F;chweren Körperverletzung         angeführt wird,<lb/>
beruht auf der Be&#x017F;timmung des Allgem. Landrechts Th. II. Tit.         20.<lb/>
§. 801. Anfangs wurde jedoch nur eine &#x017F;olche Gei&#x017F;teskrankheit,         bei<lb/>
der keine gegründete Hoffnung zur Wiederher&#x017F;tellung vorhanden         i&#x017F;t,<lb/>
hierher gerechnet; <note place="foot" n="r)"><hi rendition="#g">Motive           zum er&#x017F;ten Entwurf</hi>. III. 2. S. 234-36. &#x2014; <hi rendition="#g">Entwurf von</hi><lb/>
1830. §. 264. &#x2014; <hi rendition="#g">Entwurf von</hi> 1843. §. 436. &#x2014; <hi rendition="#g">Revi&#x017F;ion von</hi> 1845. II.<lb/>
S. 136.</note> allein &#x017F;päter ließ man die&#x017F;e Unter&#x017F;cheidung         fallen,<lb/>
da die&#x017F;elbe weder prakti&#x017F;ch noch in &#x017F;ich         gerechtfertigt er&#x017F;chien. <note place="foot" n="s)"><hi rendition="#g">Verhandlungen der Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion von</hi> 1846. S.          119.</note>        </p><lb/>
              <p>V. Die Strafe der &#x017F;chweren Körperverletzung und Mißhandlung<lb/>
i&#x017F;t         Zuchthaus von zwei bis zu funfzehn Jahren. In der Kommi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
der         zweiten Kammer war man Anfangs geneigt, die ver&#x017F;chiedenen Fälle<lb/>
des         Verbrechens bei der Be&#x017F;trafung zu unter&#x017F;cheiden, und         namentlich<lb/>
dann, wenn eine mehr als zwanzigtägige Krankheit oder         Arbeitsunfä-<lb/>
higkeit vorliegt, auch die Gefängniß&#x017F;trafe neben dem Zuchthaus         zuzu-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Von die&#x017F;er An&#x017F;icht kam jedoch         die Kommi&#x017F;&#x017F;ion bei genauerer<lb/>
Erwägung der einzelnen, die         Strafbarkeit begründenden Momente zurück,<lb/>
indem &#x017F;ie annahm, daß mögliche         Härten durch die in §. 196. freige-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ene         Berück&#x017F;ichtigung mildernder Um&#x017F;tände ausgeglichen werden<lb/>
könnten.          <note place="foot" n="t)"><hi rendition="#g">Bericht der Kommi&#x017F;&#x017F;ion           der zweiten Kammer</hi> zu §. 176. (193.)</note> &#x2014; Bei der Anwendung der Strafe         i&#x017F;t aber dem richterlichen<lb/>
Erme&#x017F;&#x017F;en ein &#x017F;o         weiter Spielraum gela&#x017F;&#x017F;en, daß die ver&#x017F;chiedenen         Zu-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ungsgründe in gehöriger Wei&#x017F;e dabei in Betracht         gezogen werden<lb/>
können. Namentlich i&#x017F;t der Fall hierher zu rechnen, wenn das         Ver-<lb/>
brechen mit Ueberlegung begangen i&#x017F;t, und wenn bei der Verübung         die<lb/>
Ab&#x017F;icht des Thäters auf die Herbeiführung des be&#x017F;timmten         Schadens,<lb/>
der die Körperverletzung zu einer &#x017F;chweren macht, gerichtet war.         Liegt<lb/>
eine &#x017F;olche Ab&#x017F;icht bei der Ver&#x017F;tümmelung, der         Entmannung u. &#x017F;. w.<lb/>
vor, &#x017F;o &#x017F;teigert &#x017F;ich         natürlich dadurch die Strafbarkeit der Handlung.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0384] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung. ſchweren Körperverletzung eingetreten iſt, da wird regelmäßig auch eine Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwanzigtägiger Dauer ſtatt finden, ſo daß dieſe Häufung der Merkmale, welche der Code pénal auch nicht kennt, meiſtens nur in Beziehung auf die Beweisführung und die Strafzumeſſung von Wichtigkeit ſein wird. III. Der Verletzte iſt der Sprache, des Geſichts, des Gehörs oder der Zeugungsfähigkeit beraubt werden. Auch hier ſind die dauernden nachtheiligen Folgen der Verletzung gemeint, im Gegenſatz zu der Ar- beitsunfähigkeit und Krankheit. — Ueber die Entmannung hat der Code pénal (Art. 316.) eine beſondere Vorſchrift. IV. Daß auch die Verſetzung des Verletzten in eine Geiſteskrank- heit als ein Merkmal der ſchweren Körperverletzung angeführt wird, beruht auf der Beſtimmung des Allgem. Landrechts Th. II. Tit. 20. §. 801. Anfangs wurde jedoch nur eine ſolche Geiſteskrankheit, bei der keine gegründete Hoffnung zur Wiederherſtellung vorhanden iſt, hierher gerechnet; r) allein ſpäter ließ man dieſe Unterſcheidung fallen, da dieſelbe weder praktiſch noch in ſich gerechtfertigt erſchien. s) V. Die Strafe der ſchweren Körperverletzung und Mißhandlung iſt Zuchthaus von zwei bis zu funfzehn Jahren. In der Kommiſſion der zweiten Kammer war man Anfangs geneigt, die verſchiedenen Fälle des Verbrechens bei der Beſtrafung zu unterſcheiden, und namentlich dann, wenn eine mehr als zwanzigtägige Krankheit oder Arbeitsunfä- higkeit vorliegt, auch die Gefängnißſtrafe neben dem Zuchthaus zuzu- laſſen. Von dieſer Anſicht kam jedoch die Kommiſſion bei genauerer Erwägung der einzelnen, die Strafbarkeit begründenden Momente zurück, indem ſie annahm, daß mögliche Härten durch die in §. 196. freige- laſſene Berückſichtigung mildernder Umſtände ausgeglichen werden könnten. t) — Bei der Anwendung der Strafe iſt aber dem richterlichen Ermeſſen ein ſo weiter Spielraum gelaſſen, daß die verſchiedenen Zu- meſſungsgründe in gehöriger Weiſe dabei in Betracht gezogen werden können. Namentlich iſt der Fall hierher zu rechnen, wenn das Ver- brechen mit Ueberlegung begangen iſt, und wenn bei der Verübung die Abſicht des Thäters auf die Herbeiführung des beſtimmten Schadens, der die Körperverletzung zu einer ſchweren macht, gerichtet war. Liegt eine ſolche Abſicht bei der Verſtümmelung, der Entmannung u. ſ. w. vor, ſo ſteigert ſich natürlich dadurch die Strafbarkeit der Handlung. r) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 234-36. — Entwurf von 1830. §. 264. — Entwurf von 1843. §. 436. — Reviſion von 1845. II. S. 136. s) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 119. t) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 176. (193.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/384
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/384>, abgerufen am 26.04.2024.