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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVI. Körperverletzung.
letzungen in Raufhändeln, u) oder durch die Aufstellung einer eigenen
Klasse von Verbrechen v) die schwierigsten Fragen erledigt. Nur das
Hannoversche Kriminalgesetzbuch (Art. 232. und 245.) hat auch in
diesem Fall das Princip strenge festgehalten, daß jedem Einzelnen nur
die Schuld zur Strafe angerechnet werden kann, deren er nach allge-
meinen Rechtsregeln überwiesen worden ist. Auch der Entwurf von 1850.
enthielt den jetzigen §. 195. nicht; derselbe ist aber in der Kommission
der zweiten Kammer auf den Antrag der Staatsregierung, welche von
vielen Seiten auf das dringende praktische Bedürfniß solcher Bestim-
mungen aufmerksam gemacht worden war, wieder hergestellt worden,
und zwar im Wesentlichen nach der aus den Beschlüssen der Staats-
raths-Kommission w) hervorgegangenen Fassung des Entwurfs von 1847.
§§. 230. und 241. Nur sind beide Paragraphen, welche gesondert von
der Tödtung und der Körperverletzung handelten, in Einen zusammen
gezogen worden.

I. Die Bestimmungen des §. 195. handeln nur von der Tödtung
und der schweren Körperverletzung, wie dieselbe in §. 193. bestimmt ist;
eine analoge Ausdehnung derselben ist nicht zulässig.

II. Dieselben beziehen sich nur auf die Fälle, wenn ein solches
Verbrechen bei einer Schlägerei (in turba) oder bei einem von Mehreren
verübten Angriff begangen worden ist. Gewöhnlich wird die Art des
gewaltsamen Zusammentreffens, welche das Gesetzbuch voraussetzt, mit
dem Ausdruck Raufhandel, den die neueren Deutschen Gesetzgebungen
dafür gebrauchen, richtig bezeichnet sein. Doch liegt in dem Worte
"Angriff" noch eine weitere Bedeutung. Es wird dabei freilich die
Verübung durch Mehrere verlangt, nicht durch zwei oder Mehrere, so
daß anzunehmen ist, auch hier sei, wie bei dem Aufruhr und Tumult,
eine größere Anzahl von Personen erforderlich, um die Anwendung der
gesetzlichen Bestimmungen zu begründen. x) Während aber bei der
Schlägerei eine Betheiligung Mehrerer auf beiden Seiten gewöhnlich ist
(f. Allg. Landr. II. 20. §. 844.), kommt es bei dem Angriff auf die
Zahl der Angegriffenen nicht an.


u) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 124. 136. -- Württemb. Straf-
gesetzb.
Art. 248. 266. -- Thüringisches Strafgesetzbuch. Art. 124. 132.
-- Das Braunschweig. Criminalgesetzb. §. 153. behandelt nur den Fall der
Tödtung. Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 844-47.
v) Hessisch. Strafgesetzb. Tit. XXXI. §. 273-75. -- Bad. Strafge-
setzb.
Tit. XI. §. 239-42.
w) Berathungs-Protokolle. II. S. 186. 211. -- Revision von 1845.
II. S. 121-23. -- Verhandlungen von 1846. S. 115. 122. -- Fernere
Verhandlungen von
1847. S. 43.
x) S. oben S. 260.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
letzungen in Raufhändeln, u) oder durch die Aufſtellung einer eigenen
Klaſſe von Verbrechen v) die ſchwierigſten Fragen erledigt. Nur das
Hannoverſche Kriminalgeſetzbuch (Art. 232. und 245.) hat auch in
dieſem Fall das Princip ſtrenge feſtgehalten, daß jedem Einzelnen nur
die Schuld zur Strafe angerechnet werden kann, deren er nach allge-
meinen Rechtsregeln überwieſen worden iſt. Auch der Entwurf von 1850.
enthielt den jetzigen §. 195. nicht; derſelbe iſt aber in der Kommiſſion
der zweiten Kammer auf den Antrag der Staatsregierung, welche von
vielen Seiten auf das dringende praktiſche Bedürfniß ſolcher Beſtim-
mungen aufmerkſam gemacht worden war, wieder hergeſtellt worden,
und zwar im Weſentlichen nach der aus den Beſchlüſſen der Staats-
raths-Kommiſſion w) hervorgegangenen Faſſung des Entwurfs von 1847.
§§. 230. und 241. Nur ſind beide Paragraphen, welche geſondert von
der Tödtung und der Körperverletzung handelten, in Einen zuſammen
gezogen worden.

I. Die Beſtimmungen des §. 195. handeln nur von der Tödtung
und der ſchweren Körperverletzung, wie dieſelbe in §. 193. beſtimmt iſt;
eine analoge Ausdehnung derſelben iſt nicht zuläſſig.

II. Dieſelben beziehen ſich nur auf die Fälle, wenn ein ſolches
Verbrechen bei einer Schlägerei (in turba) oder bei einem von Mehreren
verübten Angriff begangen worden iſt. Gewöhnlich wird die Art des
gewaltſamen Zuſammentreffens, welche das Geſetzbuch vorausſetzt, mit
dem Ausdruck Raufhandel, den die neueren Deutſchen Geſetzgebungen
dafür gebrauchen, richtig bezeichnet ſein. Doch liegt in dem Worte
„Angriff“ noch eine weitere Bedeutung. Es wird dabei freilich die
Verübung durch Mehrere verlangt, nicht durch zwei oder Mehrere, ſo
daß anzunehmen iſt, auch hier ſei, wie bei dem Aufruhr und Tumult,
eine größere Anzahl von Perſonen erforderlich, um die Anwendung der
geſetzlichen Beſtimmungen zu begründen. x) Während aber bei der
Schlägerei eine Betheiligung Mehrerer auf beiden Seiten gewöhnlich iſt
(f. Allg. Landr. II. 20. §. 844.), kommt es bei dem Angriff auf die
Zahl der Angegriffenen nicht an.


u) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 124. 136. — Württemb. Straf-
geſetzb.
Art. 248. 266. — Thüringiſches Strafgeſetzbuch. Art. 124. 132.
— Das Braunſchweig. Criminalgeſetzb. §. 153. behandelt nur den Fall der
Tödtung. Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 844-47.
v) Heſſiſch. Strafgeſetzb. Tit. XXXI. §. 273-75. — Bad. Strafge-
ſetzb.
Tit. XI. §. 239-42.
w) Berathungs-Protokolle. II. S. 186. 211. — Reviſion von 1845.
II. S. 121-23. — Verhandlungen von 1846. S. 115. 122. — Fernere
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1847. S. 43.
x) S. oben S. 260.
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[376/0386] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung. letzungen in Raufhändeln, u) oder durch die Aufſtellung einer eigenen Klaſſe von Verbrechen v) die ſchwierigſten Fragen erledigt. Nur das Hannoverſche Kriminalgeſetzbuch (Art. 232. und 245.) hat auch in dieſem Fall das Princip ſtrenge feſtgehalten, daß jedem Einzelnen nur die Schuld zur Strafe angerechnet werden kann, deren er nach allge- meinen Rechtsregeln überwieſen worden iſt. Auch der Entwurf von 1850. enthielt den jetzigen §. 195. nicht; derſelbe iſt aber in der Kommiſſion der zweiten Kammer auf den Antrag der Staatsregierung, welche von vielen Seiten auf das dringende praktiſche Bedürfniß ſolcher Beſtim- mungen aufmerkſam gemacht worden war, wieder hergeſtellt worden, und zwar im Weſentlichen nach der aus den Beſchlüſſen der Staats- raths-Kommiſſion w) hervorgegangenen Faſſung des Entwurfs von 1847. §§. 230. und 241. Nur ſind beide Paragraphen, welche geſondert von der Tödtung und der Körperverletzung handelten, in Einen zuſammen gezogen worden. I. Die Beſtimmungen des §. 195. handeln nur von der Tödtung und der ſchweren Körperverletzung, wie dieſelbe in §. 193. beſtimmt iſt; eine analoge Ausdehnung derſelben iſt nicht zuläſſig. II. Dieſelben beziehen ſich nur auf die Fälle, wenn ein ſolches Verbrechen bei einer Schlägerei (in turba) oder bei einem von Mehreren verübten Angriff begangen worden iſt. Gewöhnlich wird die Art des gewaltſamen Zuſammentreffens, welche das Geſetzbuch vorausſetzt, mit dem Ausdruck Raufhandel, den die neueren Deutſchen Geſetzgebungen dafür gebrauchen, richtig bezeichnet ſein. Doch liegt in dem Worte „Angriff“ noch eine weitere Bedeutung. Es wird dabei freilich die Verübung durch Mehrere verlangt, nicht durch zwei oder Mehrere, ſo daß anzunehmen iſt, auch hier ſei, wie bei dem Aufruhr und Tumult, eine größere Anzahl von Perſonen erforderlich, um die Anwendung der geſetzlichen Beſtimmungen zu begründen. x) Während aber bei der Schlägerei eine Betheiligung Mehrerer auf beiden Seiten gewöhnlich iſt (f. Allg. Landr. II. 20. §. 844.), kommt es bei dem Angriff auf die Zahl der Angegriffenen nicht an. u) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 124. 136. — Württemb. Straf- geſetzb. Art. 248. 266. — Thüringiſches Strafgeſetzbuch. Art. 124. 132. — Das Braunſchweig. Criminalgeſetzb. §. 153. behandelt nur den Fall der Tödtung. Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 844-47. v) Heſſiſch. Strafgeſetzb. Tit. XXXI. §. 273-75. — Bad. Strafge- ſetzb. Tit. XI. §. 239-42. w) Berathungs-Protokolle. II. S. 186. 211. — Reviſion von 1845. II. S. 121-23. — Verhandlungen von 1846. S. 115. 122. — Fernere Verhandlungen von 1847. S. 43. x) S. oben S. 260.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/386>, abgerufen am 27.04.2024.