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Birken, Sigmund von: Heiliger Sonntags-Handel und Kirch-Wandel. Nürnberg, 1681.

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Weißheit-Verlangen.
Weißheit) gehet herum/ und suchet wer
ihrer wehrt sey. Sie lässt sich gern sehen
und finden von denen/ die sie lieben und
suchen. Ja sie begegnet ihnen/ und gibt
sich ihnen/ selbst zu erkennen. Ach! und
ich habe die Weißheit gesucht von meiner
Jugend auf/ und gedenke sie mir zur
Braut zu nehmen: dann ich hab ihre Schö-
ne lieb gewonnen. Jch gehe herum in der
Jrre/ suche und kan sie doch nicht finden.
Und du gehest auch herum/ und suchest ei-
nen Liebhaber! Und du stehest vor mei-
ner Thür/ du himlische Weißheit! Ach!
warum sehe ich dich dan nicht? Warum
thue ich dir nit auf?

Ach! ich bin zu blind/ dich zu sehen; zu
blöd und schwach/ dir auf zuthun. Ach!
wann du warten woltest/ bis ich dir auf-
thue: du würdest wol immer draußen/ und
ich ewig einsam und elend bleiben; wir
würden nimmermehr zusammen kommen.
Ach! so thue dan dir selber auf. Thue
gewalt: stosse auf die Pforte meines Her-
zens. Komme herein/ du Gesegnete
des HErrn! warum stehest du draußen?

Ach daß ich dich finden und fassen
möchte! ich wolte dich halten/ und nicht
lassen biß du mich segnetest. Ach komme
doch herein/ du Auserwehlte! ich wolt

sagen/

Weißheit-Verlangen.
Weißheit) gehet herum/ und ſuchet wer
ihrer wehrt ſey. Sie laͤſſt ſich gern ſehen
und finden von denen/ die ſie lieben und
ſuchen. Ja ſie begegnet ihnen/ und gibt
ſich ihnen/ ſelbſt zu erkennen. Ach! und
ich habe die Weißheit geſucht von meiner
Jugend auf/ und gedenke ſie mir zur
Braut zu nehmen: dañ ich hab ihre Schoͤ-
ne lieb gewonnen. Jch gehe herum in der
Jrre/ ſuche und kan ſie doch nicht finden.
Und du geheſt auch herum/ und ſucheſt ei-
nen Liebhaber! Und du ſteheſt vor mei-
ner Thuͤr/ du himliſche Weißheit! Ach!
warum ſehe ich dich dan nicht? Warum
thue ich dir nit auf?

Ach! ich bin zu blind/ dich zu ſehen; zu
bloͤd und ſchwach/ dir auf zuthun. Ach!
wañ du warten wolteſt/ bis ich dir auf-
thue: du wuͤrdeſt wol immer draußen/ und
ich ewig einſam und elend bleiben; wir
wuͤrden nimmermehr zuſammen kommen.
Ach! ſo thue dan dir ſelber auf. Thue
gewalt: ſtoſſe auf die Pforte meines Her-
zens. Komme herein/ du Geſegnete
des HErꝛn! warum ſteheſt du draußen?

Ach daß ich dich finden und faſſen
moͤchte! ich wolte dich halten/ und nicht
laſſen biß du mich ſegneteſt. Ach komme
doch herein/ du Auserwehlte! ich wolt

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[191/0219] Weißheit-Verlangen. Weißheit) gehet herum/ und ſuchet wer ihrer wehrt ſey. Sie laͤſſt ſich gern ſehen und finden von denen/ die ſie lieben und ſuchen. Ja ſie begegnet ihnen/ und gibt ſich ihnen/ ſelbſt zu erkennen. Ach! und ich habe die Weißheit geſucht von meiner Jugend auf/ und gedenke ſie mir zur Braut zu nehmen: dañ ich hab ihre Schoͤ- ne lieb gewonnen. Jch gehe herum in der Jrre/ ſuche und kan ſie doch nicht finden. Und du geheſt auch herum/ und ſucheſt ei- nen Liebhaber! Und du ſteheſt vor mei- ner Thuͤr/ du himliſche Weißheit! Ach! warum ſehe ich dich dan nicht? Warum thue ich dir nit auf? Ach! ich bin zu blind/ dich zu ſehen; zu bloͤd und ſchwach/ dir auf zuthun. Ach! wañ du warten wolteſt/ bis ich dir auf- thue: du wuͤrdeſt wol immer draußen/ und ich ewig einſam und elend bleiben; wir wuͤrden nimmermehr zuſammen kommen. Ach! ſo thue dan dir ſelber auf. Thue gewalt: ſtoſſe auf die Pforte meines Her- zens. Komme herein/ du Geſegnete des HErꝛn! warum ſteheſt du draußen? Ach daß ich dich finden und faſſen moͤchte! ich wolte dich halten/ und nicht laſſen biß du mich ſegneteſt. Ach komme doch herein/ du Auserwehlte! ich wolt ſagen/

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Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Heiliger Sonntags-Handel und Kirch-Wandel. Nürnberg, 1681, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_sonntagswandel_1681/219>, abgerufen am 26.04.2024.