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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Versailles.
I.

Die Verstimmung gegen mich, welche die höhern militärischen
Kreise aus dem östreichischen Kriege mitgebracht hatten, dauerte
während des französischen fort, gepflegt nicht von Moltke und Roon,
aber von den "Halbgöttern", wie man damals die höhern General¬
stabsoffiziere nannte. Sie machte sich im Feldzuge für mich und
meine Beamten bis in das Gebiet der Naturalverpflegung und
Einquartirung fühlbar1). Sie würde noch weiter gegangen sein,
wenn sie nicht in der sich immer gleichbleibenden, weltmännischen
Höflichkeit des Grafen Moltke ein Correctiv gefunden hätte. Roon
war im Felde nicht in der Lage, mir als Freund und College
Beistand zu leisten; er bedurfte im Gegentheil schließlich in Ver¬
sailles meines Beistandes, um im Kreise des Königs seine mili¬
tärischen Ueberzeugungen geltend zu machen.

Schon bei der Abreise nach Köln erfuhr ich durch einen Zufall,
daß beim Ausbruch des Krieges der Plan festgestellt war, mich von
den militärischen Berathungen auszuschließen. Ich konnte das aus
einem Gespräch des Generals von Podbielski mit Roon entnehmen,

1) Vgl. das amtliche Schreiben Bismarck's an Roon vom 10. August 1870
bei Poschinger, Bismarck-Portefeuille II 189 f.
Dreiundzwanzigſtes Kapitel.
Versailles.
I.

Die Verſtimmung gegen mich, welche die höhern militäriſchen
Kreiſe aus dem öſtreichiſchen Kriege mitgebracht hatten, dauerte
während des franzöſiſchen fort, gepflegt nicht von Moltke und Roon,
aber von den „Halbgöttern“, wie man damals die höhern General¬
ſtabsoffiziere nannte. Sie machte ſich im Feldzuge für mich und
meine Beamten bis in das Gebiet der Naturalverpflegung und
Einquartirung fühlbar1). Sie würde noch weiter gegangen ſein,
wenn ſie nicht in der ſich immer gleichbleibenden, weltmänniſchen
Höflichkeit des Grafen Moltke ein Correctiv gefunden hätte. Roon
war im Felde nicht in der Lage, mir als Freund und College
Beiſtand zu leiſten; er bedurfte im Gegentheil ſchließlich in Ver¬
ſailles meines Beiſtandes, um im Kreiſe des Königs ſeine mili¬
täriſchen Ueberzeugungen geltend zu machen.

Schon bei der Abreiſe nach Köln erfuhr ich durch einen Zufall,
daß beim Ausbruch des Krieges der Plan feſtgeſtellt war, mich von
den militäriſchen Berathungen auszuſchließen. Ich konnte das aus
einem Geſpräch des Generals von Podbielski mit Roon entnehmen,

1) Vgl. das amtliche Schreiben Bismarck's an Roon vom 10. Auguſt 1870
bei Poſchinger, Bismarck-Portefeuille II 189 f.
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[[94]/0118] Dreiundzwanzigſtes Kapitel. Versailles. I. Die Verſtimmung gegen mich, welche die höhern militäriſchen Kreiſe aus dem öſtreichiſchen Kriege mitgebracht hatten, dauerte während des franzöſiſchen fort, gepflegt nicht von Moltke und Roon, aber von den „Halbgöttern“, wie man damals die höhern General¬ ſtabsoffiziere nannte. Sie machte ſich im Feldzuge für mich und meine Beamten bis in das Gebiet der Naturalverpflegung und Einquartirung fühlbar 1). Sie würde noch weiter gegangen ſein, wenn ſie nicht in der ſich immer gleichbleibenden, weltmänniſchen Höflichkeit des Grafen Moltke ein Correctiv gefunden hätte. Roon war im Felde nicht in der Lage, mir als Freund und College Beiſtand zu leiſten; er bedurfte im Gegentheil ſchließlich in Ver¬ ſailles meines Beiſtandes, um im Kreiſe des Königs ſeine mili¬ täriſchen Ueberzeugungen geltend zu machen. Schon bei der Abreiſe nach Köln erfuhr ich durch einen Zufall, daß beim Ausbruch des Krieges der Plan feſtgeſtellt war, mich von den militäriſchen Berathungen auszuſchließen. Ich konnte das aus einem Geſpräch des Generals von Podbielski mit Roon entnehmen, 1) Vgl. das amtliche Schreiben Bismarck's an Roon vom 10. Auguſt 1870 bei Poſchinger, Bismarck-Portefeuille II 189 f.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. [94]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/118>, abgerufen am 27.04.2024.