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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832.

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§. 70.

Wenn endlich das Geschäft des Nesterbaues vollendet ist,
so legt die Mutter ihre Eier hinein; deren Anzahl bei den ver-
schiedenen Gattungen der Vögel sehr verschieden ist. Viele
Wasservögel z. B. legen jedes Mahl nur ein einziges Ei; die
Taucherchen und mehresten Tauben ihrer zwey; die Möven drey,
die Raben vier; die Finken fünf; die Schwalben sechs bis acht;
die Rebhühner und Wachteln vierzehn; das Haushuhn aber, be-
sonders wenn man ihm die Eier nach und nach wegnimmt*),
bis fünfzig und darüber. Zuweilen geben auch manche Vögel,
ohne vorher gegangene Befruchtung, Eier von sich, die aber zum
Brüten untauglich sind und Windeier (ova subventanea,
cynosura, zephyria, hypenemia
) heißen.

§. 71.

Die Ausbildung des jungen Thiers, die bei den Säugethie-
ren noch im Mutterleibe vollzogen wird, muß hingegen bei den
Vögeln im schon gelegten Ei, mittelst des Brütens bewirkt
werden. Nur der Kukkuk brütet seine Eier nicht selbst aus,
sondern überläßt es den Grasmücken oder Bachstelzen etc., in de-
ren Nest er sein Ei gelegt hat. Hingegen weiß man, daß selbst
Capaunen und Hunde und sogar Menschen Vogeleier ausgebrü-
tet haben**). Auch bloß durch künstliche Wärme, und erhitzten
Mist***), und durch Lampenfeuer in so genannten Brüt-Ma-
schinen+) und in Brütöfen, kann man leicht Hühnchen auskrie-
chen lassen. - Die Vögel werden durchs anhaltende Brüten ab-
gemattet, und nur bei solchen, die sich paarweise zusammen hal-
ten, wie bei den Tauben, Schwalben etc. nimmt auch das Männ-
chen an diesem Geschäfte Antheil. Die Hähne unter den Cana-

*) In diesem Fall scheint also das Eierlegen eine willkür-
liche
Handlung, wodurch es sich folglich vom durchaus unwillkürli-
chen Gebähren der Säugethiere auffallend auszeichnet.
**) Plin L. X. cap. 55. "Livia Augusta, prima sua juven-
ta Tiberio Caesare ex Nerone gravida, cum parere virilem se-
xum admodum cuperet, hoc usa est puellari augurio, ovum in
sino fovendo, atque cum deponendum haberet, nutrici per si-
num tradendo, ne intermitteretur tepor"
***) Aristot. hist. animal. L. VI. c. 2. L'art de faire eclorre des oiseaux domestiques, par de
Reaumur
. Par. 1741. 3 Vol. 12. (Des Abbe Copineau) Ornithotrophie artificielle. Par. 1780. 12.
+) Eine genaue Beschreibung dieser nützlichen gar nicht kostba-
ren Maschine, und die doch so ausnehmend interessante und lehrrei-
che Unterhaltung gewährt, s. in unsers sel. Hollmann's Unter-
richt von Barometern und Thermometern. Göttingen, 1783. 8. S.
206. u. f. 271. u. f.
§. 70.

Wenn endlich das Geschäft des Nesterbaues vollendet ist,
so legt die Mutter ihre Eier hinein; deren Anzahl bei den ver-
schiedenen Gattungen der Vögel sehr verschieden ist. Viele
Wasservögel z. B. legen jedes Mahl nur ein einziges Ei; die
Taucherchen und mehresten Tauben ihrer zwey; die Möven drey,
die Raben vier; die Finken fünf; die Schwalben sechs bis acht;
die Rebhühner und Wachteln vierzehn; das Haushuhn aber, be-
sonders wenn man ihm die Eier nach und nach wegnimmt*),
bis fünfzig und darüber. Zuweilen geben auch manche Vögel,
ohne vorher gegangene Befruchtung, Eier von sich, die aber zum
Brüten untauglich sind und Windeier (ova subventanea,
cynosura, zephyria, hypenemia
) heißen.

§. 71.

Die Ausbildung des jungen Thiers, die bei den Säugethie-
ren noch im Mutterleibe vollzogen wird, muß hingegen bei den
Vögeln im schon gelegten Ei, mittelst des Brütens bewirkt
werden. Nur der Kukkuk brütet seine Eier nicht selbst aus,
sondern überläßt es den Grasmücken oder Bachstelzen ꝛc., in de-
ren Nest er sein Ei gelegt hat. Hingegen weiß man, daß selbst
Capaunen und Hunde und sogar Menschen Vogeleier ausgebrü-
tet haben**). Auch bloß durch künstliche Wärme, und erhitzten
Mist***), und durch Lampenfeuer in so genannten Brüt-Ma-
schinen†) und in Brütöfen, kann man leicht Hühnchen auskrie-
chen lassen. – Die Vögel werden durchs anhaltende Brüten ab-
gemattet, und nur bei solchen, die sich paarweise zusammen hal-
ten, wie bei den Tauben, Schwalben ꝛc. nimmt auch das Männ-
chen an diesem Geschäfte Antheil. Die Hähne unter den Cana-

*) In diesem Fall scheint also das Eierlegen eine willkür-
liche
Handlung, wodurch es sich folglich vom durchaus unwillkürli-
chen Gebähren der Säugethiere auffallend auszeichnet.
**) Plin L. X. cap. 55. Livia Augusta, prima sua juven-
ta Tiberio Caesare ex Nerone gravida, cum parere virilem se-
xum admodum cuperet, hoc usa est puellari augurio, ovum in
sino fovendo, atque cum deponendum haberet, nutrici per si-
num tradendo, ne intermitteretur tepor“
***) Aristot. hist. animal. L. VI. c. 2. L'art de faire éclorre des oiseaux domestiques, par de
Reaumur
. Par. 1741. 3 Vol. 12. (Des Abbé Copineau) Ornithotrophie artificielle. Par. 1780. 12.
†) Eine genaue Beschreibung dieser nützlichen gar nicht kostba-
ren Maschine, und die doch so ausnehmend interessante und lehrrei-
che Unterhaltung gewährt, s. in unsers sel. Hollmann's Unter-
richt von Barometern und Thermometern. Göttingen, 1783. 8. S.
206. u. f. 271. u. f.
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[96/0106] §. 70. Wenn endlich das Geschäft des Nesterbaues vollendet ist, so legt die Mutter ihre Eier hinein; deren Anzahl bei den ver- schiedenen Gattungen der Vögel sehr verschieden ist. Viele Wasservögel z. B. legen jedes Mahl nur ein einziges Ei; die Taucherchen und mehresten Tauben ihrer zwey; die Möven drey, die Raben vier; die Finken fünf; die Schwalben sechs bis acht; die Rebhühner und Wachteln vierzehn; das Haushuhn aber, be- sonders wenn man ihm die Eier nach und nach wegnimmt *), bis fünfzig und darüber. Zuweilen geben auch manche Vögel, ohne vorher gegangene Befruchtung, Eier von sich, die aber zum Brüten untauglich sind und Windeier (ova subventanea, cynosura, zephyria, hypenemia) heißen. §. 71. Die Ausbildung des jungen Thiers, die bei den Säugethie- ren noch im Mutterleibe vollzogen wird, muß hingegen bei den Vögeln im schon gelegten Ei, mittelst des Brütens bewirkt werden. Nur der Kukkuk brütet seine Eier nicht selbst aus, sondern überläßt es den Grasmücken oder Bachstelzen ꝛc., in de- ren Nest er sein Ei gelegt hat. Hingegen weiß man, daß selbst Capaunen und Hunde und sogar Menschen Vogeleier ausgebrü- tet haben **). Auch bloß durch künstliche Wärme, und erhitzten Mist ***), und durch Lampenfeuer in so genannten Brüt-Ma- schinen †) und in Brütöfen, kann man leicht Hühnchen auskrie- chen lassen. – Die Vögel werden durchs anhaltende Brüten ab- gemattet, und nur bei solchen, die sich paarweise zusammen hal- ten, wie bei den Tauben, Schwalben ꝛc. nimmt auch das Männ- chen an diesem Geschäfte Antheil. Die Hähne unter den Cana- *) In diesem Fall scheint also das Eierlegen eine willkür- liche Handlung, wodurch es sich folglich vom durchaus unwillkürli- chen Gebähren der Säugethiere auffallend auszeichnet. **) Plin L. X. cap. 55. „Livia Augusta, prima sua juven- ta Tiberio Caesare ex Nerone gravida, cum parere virilem se- xum admodum cuperet, hoc usa est puellari augurio, ovum in sino fovendo, atque cum deponendum haberet, nutrici per si- num tradendo, ne intermitteretur tepor“ ***) Aristot. hist. animal. L. VI. c. 2. L'art de faire éclorre des oiseaux domestiques, par de Reaumur. Par. 1741. 3 Vol. 12. (Des Abbé Copineau) Ornithotrophie artificielle. Par. 1780. 12. †) Eine genaue Beschreibung dieser nützlichen gar nicht kostba- ren Maschine, und die doch so ausnehmend interessante und lehrrei- che Unterhaltung gewährt, s. in unsers sel. Hollmann's Unter- richt von Barometern und Thermometern. Göttingen, 1783. 8. S. 206. u. f. 271. u. f.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/106>, abgerufen am 26.04.2024.