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Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789.

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hören, oder eine gemischte Klasse der Bewegun-
gen ausmachen.

§. 292.

Allein bey einer genauern Erwägung sieht
man, daß diese Eintheilung großen Schwierigkei-
ten ausgesetzt ist, und daß überhaupt zwischen
diesen beyden Gattungen der Bewegung keine be-
stimmten Grenzen sich ziehen lassen.

Denn einmal ist es gewiß, daß es nur we-
nige Verrichtungen des menschlichen Körpers gibt,
die ganz außer dem Gebiethe des Willens liegen,
besonders wenn man auf die Verbindung der Ein-
bildungskraft und Leidenschaften mit dem Willen
Rücksicht nimmt.

Auf der andern Seite hingegen haben wir
Beyspiele von Muskelbewegungen, welche zwar
nach ihrer natürlichen Bestimmung der Willkühr
unterworfen sind, aber durch die Macht der Ge-
wohnheit (die überhaupt auf alle thierische Bewe-
gungen einen großen und wichtigen Einfluß hat)
in unwillkührliche Bewegungen übergehen.

§. 293.

Unter diese letzteren gehören vorzüglich diejeni-
gen Muskelbewegungen, die zwar von der Will-
kühr abhangen, aber doch unter gewissen Umstän-
den, ohne Bewußtseyn, und sogar wider den
Willen der Seele sich ereignen.

So z. B. schließen wir wider unsern Willen
das Aug, wenn ein Freund mit dem Finger vor-
beyfährt, obschon er das Aug selbst nicht berühret;
- oder die Beugung des Ringfingers, den die
meisten Menschen mit dem kleinen Finger zugleich
biegen.

hören, oder eine gemischte Klasse der Bewegun-
gen ausmachen.

§. 292.

Allein bey einer genauern Erwägung sieht
man, daß diese Eintheilung großen Schwierigkei-
ten ausgesetzt ist, und daß überhaupt zwischen
diesen beyden Gattungen der Bewegung keine be-
stimmten Grenzen sich ziehen lassen.

Denn einmal ist es gewiß, daß es nur we-
nige Verrichtungen des menschlichen Körpers gibt,
die ganz außer dem Gebiethe des Willens liegen,
besonders wenn man auf die Verbindung der Ein-
bildungskraft und Leidenschaften mit dem Willen
Rücksicht nimmt.

Auf der andern Seite hingegen haben wir
Beyspiele von Muskelbewegungen, welche zwar
nach ihrer natürlichen Bestimmung der Willkühr
unterworfen sind, aber durch die Macht der Ge-
wohnheit (die überhaupt auf alle thierische Bewe-
gungen einen großen und wichtigen Einfluß hat)
in unwillkührliche Bewegungen übergehen.

§. 293.

Unter diese letzteren gehören vorzüglich diejeni-
gen Muskelbewegungen, die zwar von der Will-
kühr abhangen, aber doch unter gewissen Umstän-
den, ohne Bewußtseyn, und sogar wider den
Willen der Seele sich ereignen.

So z. B. schließen wir wider unsern Willen
das Aug, wenn ein Freund mit dem Finger vor-
beyfährt, obschon er das Aug selbst nicht berühret;
– oder die Beugung des Ringfingers, den die
meisten Menschen mit dem kleinen Finger zugleich
biegen.

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[185/0203] hören, oder eine gemischte Klasse der Bewegun- gen ausmachen. §. 292. Allein bey einer genauern Erwägung sieht man, daß diese Eintheilung großen Schwierigkei- ten ausgesetzt ist, und daß überhaupt zwischen diesen beyden Gattungen der Bewegung keine be- stimmten Grenzen sich ziehen lassen. Denn einmal ist es gewiß, daß es nur we- nige Verrichtungen des menschlichen Körpers gibt, die ganz außer dem Gebiethe des Willens liegen, besonders wenn man auf die Verbindung der Ein- bildungskraft und Leidenschaften mit dem Willen Rücksicht nimmt. Auf der andern Seite hingegen haben wir Beyspiele von Muskelbewegungen, welche zwar nach ihrer natürlichen Bestimmung der Willkühr unterworfen sind, aber durch die Macht der Ge- wohnheit (die überhaupt auf alle thierische Bewe- gungen einen großen und wichtigen Einfluß hat) in unwillkührliche Bewegungen übergehen. §. 293. Unter diese letzteren gehören vorzüglich diejeni- gen Muskelbewegungen, die zwar von der Will- kühr abhangen, aber doch unter gewissen Umstän- den, ohne Bewußtseyn, und sogar wider den Willen der Seele sich ereignen. So z. B. schließen wir wider unsern Willen das Aug, wenn ein Freund mit dem Finger vor- beyfährt, obschon er das Aug selbst nicht berühret; – oder die Beugung des Ringfingers, den die meisten Menschen mit dem kleinen Finger zugleich biegen.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). Wien, 1789, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1789/203>, abgerufen am 27.04.2024.