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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Drittes Buch.
tive, sondern hält sich gerne an die ihrer Auffassung günstigen Aeußerungen oder
Handlungen. Vgl. oben § 39 und unten § 237.

233.

Eine Aenderung in der Person des Ministers des Auswärtigen übt
auch dann keinen Einfluß auf die Fortdauer des Creditivs aus, wenn
dasselbe lediglich an das Ministerium gerichtet war.

Das ist der Fall bei den Creditiven der Geschäftsträger.

234.

Bei schweren Verletzungen der Rechte oder der Ehre seines States
kann der Gesante, auch ohne seine Abberufung abzuwarten, seine Pässe
fordern und den diplomatischen Verkehr abbrechen.

Seinem State gegenüber wird er freilich für eine solche Handlung verant-
wortlich
; und diese Rücksicht wird ihn daher gewöhnlich abhalten, ohne besondern
Auftrag einen derartigen Riß zu constatiren. Für die äußersten Fälle aber, ins-
besondere wenn ein rascher Verkehr mit der Absenderegierung unterbrochen oder allzu
schwierig ist, muß dieses Recht des Gesanten doch anerkannt werden. Dasselbe ab-
solut verneinen, hieße in solchen Fällen den repräsentirten Stat den größten Ge-
fahren und Beleidigungen vorerst preisgeben.

235.

Bei schwerer Verschuldung des Gesanten gegen den besendeten Stat
und ebenso in Folge eines ernsten Streites mit dem Absendestat, kann die
besendete Regierung dem Gesanten ebenfalls einseitig seine Pässe zurück-
stellen und ihrerseits den diplomatischen Verkehr abbrechen.

Der Abbruch des Verkehrs und die Wegweisung des Gesanten ist nicht als
ein Act der Willkür in das beliebige Ermessen der besendeten Regierung gestellt,
sondern es bedarf, um diese schweren Maßregeln völkerrechtlich zu rechtfertigen, eines
ernsten Grundes.

236.

Die Beförderung eines Gesanten zu höherer Rangclasse veranlaßt
übungsgemäß die Uebergabe eines neuen Creditivs. Aber inzwischen dauert
das Recht der Vertretung auf Grundlage des alten Creditivs fort.

Ein Rechtsgrundsatz liegt dieser Uebung nicht zu Grunde. Würde der Ab-
sendestat die Rangerhöhung einfach notificiren, so wäre der Empfangstat nicht gehin-
dert, das für genügend zu erachten.

Drittes Buch.
tive, ſondern hält ſich gerne an die ihrer Auffaſſung günſtigen Aeußerungen oder
Handlungen. Vgl. oben § 39 und unten § 237.

233.

Eine Aenderung in der Perſon des Miniſters des Auswärtigen übt
auch dann keinen Einfluß auf die Fortdauer des Creditivs aus, wenn
dasſelbe lediglich an das Miniſterium gerichtet war.

Das iſt der Fall bei den Creditiven der Geſchäftsträger.

234.

Bei ſchweren Verletzungen der Rechte oder der Ehre ſeines States
kann der Geſante, auch ohne ſeine Abberufung abzuwarten, ſeine Päſſe
fordern und den diplomatiſchen Verkehr abbrechen.

Seinem State gegenüber wird er freilich für eine ſolche Handlung verant-
wortlich
; und dieſe Rückſicht wird ihn daher gewöhnlich abhalten, ohne beſondern
Auftrag einen derartigen Riß zu conſtatiren. Für die äußerſten Fälle aber, ins-
beſondere wenn ein raſcher Verkehr mit der Abſenderegierung unterbrochen oder allzu
ſchwierig iſt, muß dieſes Recht des Geſanten doch anerkannt werden. Dasſelbe ab-
ſolut verneinen, hieße in ſolchen Fällen den repräſentirten Stat den größten Ge-
fahren und Beleidigungen vorerſt preisgeben.

235.

Bei ſchwerer Verſchuldung des Geſanten gegen den beſendeten Stat
und ebenſo in Folge eines ernſten Streites mit dem Abſendeſtat, kann die
beſendete Regierung dem Geſanten ebenfalls einſeitig ſeine Päſſe zurück-
ſtellen und ihrerſeits den diplomatiſchen Verkehr abbrechen.

Der Abbruch des Verkehrs und die Wegweiſung des Geſanten iſt nicht als
ein Act der Willkür in das beliebige Ermeſſen der beſendeten Regierung geſtellt,
ſondern es bedarf, um dieſe ſchweren Maßregeln völkerrechtlich zu rechtfertigen, eines
ernſten Grundes.

236.

Die Beförderung eines Geſanten zu höherer Rangclaſſe veranlaßt
übungsgemäß die Uebergabe eines neuen Creditivs. Aber inzwiſchen dauert
das Recht der Vertretung auf Grundlage des alten Creditivs fort.

Ein Rechtsgrundſatz liegt dieſer Uebung nicht zu Grunde. Würde der Ab-
ſendeſtat die Rangerhöhung einfach notificiren, ſo wäre der Empfangſtat nicht gehin-
dert, das für genügend zu erachten.

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[148/0170] Drittes Buch. tive, ſondern hält ſich gerne an die ihrer Auffaſſung günſtigen Aeußerungen oder Handlungen. Vgl. oben § 39 und unten § 237. 233. Eine Aenderung in der Perſon des Miniſters des Auswärtigen übt auch dann keinen Einfluß auf die Fortdauer des Creditivs aus, wenn dasſelbe lediglich an das Miniſterium gerichtet war. Das iſt der Fall bei den Creditiven der Geſchäftsträger. 234. Bei ſchweren Verletzungen der Rechte oder der Ehre ſeines States kann der Geſante, auch ohne ſeine Abberufung abzuwarten, ſeine Päſſe fordern und den diplomatiſchen Verkehr abbrechen. Seinem State gegenüber wird er freilich für eine ſolche Handlung verant- wortlich; und dieſe Rückſicht wird ihn daher gewöhnlich abhalten, ohne beſondern Auftrag einen derartigen Riß zu conſtatiren. Für die äußerſten Fälle aber, ins- beſondere wenn ein raſcher Verkehr mit der Abſenderegierung unterbrochen oder allzu ſchwierig iſt, muß dieſes Recht des Geſanten doch anerkannt werden. Dasſelbe ab- ſolut verneinen, hieße in ſolchen Fällen den repräſentirten Stat den größten Ge- fahren und Beleidigungen vorerſt preisgeben. 235. Bei ſchwerer Verſchuldung des Geſanten gegen den beſendeten Stat und ebenſo in Folge eines ernſten Streites mit dem Abſendeſtat, kann die beſendete Regierung dem Geſanten ebenfalls einſeitig ſeine Päſſe zurück- ſtellen und ihrerſeits den diplomatiſchen Verkehr abbrechen. Der Abbruch des Verkehrs und die Wegweiſung des Geſanten iſt nicht als ein Act der Willkür in das beliebige Ermeſſen der beſendeten Regierung geſtellt, ſondern es bedarf, um dieſe ſchweren Maßregeln völkerrechtlich zu rechtfertigen, eines ernſten Grundes. 236. Die Beförderung eines Geſanten zu höherer Rangclaſſe veranlaßt übungsgemäß die Uebergabe eines neuen Creditivs. Aber inzwiſchen dauert das Recht der Vertretung auf Grundlage des alten Creditivs fort. Ein Rechtsgrundſatz liegt dieſer Uebung nicht zu Grunde. Würde der Ab- ſendeſtat die Rangerhöhung einfach notificiren, ſo wäre der Empfangſtat nicht gehin- dert, das für genügend zu erachten.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/170>, abgerufen am 26.04.2024.