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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Sechstes Buch.
wie z. B. sie will den Schiffahrtsverkehr auf Strömen verhindern, welche
dem Weltverkehr neu eröffnet worden sind;
d) die nothwendige Entwicklung und Wandlung der öffentlichen Rechts- und
Statszustände läßt das Festhalten an der älteren Vertragsbestimmung als
unnatürlich und nicht mehr zeitgemäß erscheinen.
438.

Den Hauptparteien, in deren Interesse der Garantievertrag als blo-
ßer Nebenvertrag abgeschlossen worden ist, steht es allezeit frei, die Garan-
ten ihrer Währschaftspflicht zu entbinden und damit den Garantievertrag
aufzulösen.

Das gilt natürlich nicht von solchen Garantieverträgen, welche nicht als bloße
untergeordnete Nebenverträge zur Verstärkung des Hauptvertrages eingegangen wor-
den sind, sondern eine selbständige Bedeutung auch im Interesse des Garanten haben.
Vgl. zu § 432.

439.

Haben zwei oder mehrere Garanten einen Vertrag gewährleistet, so
kann zunächst jeder derselben von den Betheiligten um Hülfe angerufen
werden. Aber der angerufene Garant ist seinerseits berechtigt, bevor er
einseitige Hülfe leistet, ein Einverständniß mit den übrigen Garanten zu
versuchen.

Sobald mehrere Garanten desselben Vertrags vorhanden sind, so besteht min-
destens eine objective Verbindung derselben, insofern sie denselben statlichen
Zweck
durch ihre Beihülfe erreichen sollen, also im Ziel zusammentreffen und dem-
nach auch in den Mitteln, mit denen das Ziel zu erreichen ist, einander ergän-
zen und unterstützen. Deßhalb ist alle Zeit ein vorheriges Einverständniß zu ver-
suchen, so weit die Umstände einen Aufschub erlauben. Die Verbindung kann aber
auch von Anfang als persönliche Gemeinschaft der Garanten gewollt sein und
dann darf nicht einseitige Hülfe gefordert werden, so lange die Möglichkeit der Gemein-
hülfe offen bleibt. Vgl. darüber § 440.

440.

Ist die Garantie zweier oder mehrerer Staten ausdrücklich als eine
gemeinsame nicht als eine mehrfache Einzelgarantie verabredet worden
(Collectivgarantie), so sind die garantirenden Staten zugleich um Beistand
anzugehen oder zur Vertheidigung des garantirten Zustandes aufzurufen.

Sechstes Buch.
wie z. B. ſie will den Schiffahrtsverkehr auf Strömen verhindern, welche
dem Weltverkehr neu eröffnet worden ſind;
d) die nothwendige Entwicklung und Wandlung der öffentlichen Rechts- und
Statszuſtände läßt das Feſthalten an der älteren Vertragsbeſtimmung als
unnatürlich und nicht mehr zeitgemäß erſcheinen.
438.

Den Hauptparteien, in deren Intereſſe der Garantievertrag als blo-
ßer Nebenvertrag abgeſchloſſen worden iſt, ſteht es allezeit frei, die Garan-
ten ihrer Währſchaftspflicht zu entbinden und damit den Garantievertrag
aufzulöſen.

Das gilt natürlich nicht von ſolchen Garantieverträgen, welche nicht als bloße
untergeordnete Nebenverträge zur Verſtärkung des Hauptvertrages eingegangen wor-
den ſind, ſondern eine ſelbſtändige Bedeutung auch im Intereſſe des Garanten haben.
Vgl. zu § 432.

439.

Haben zwei oder mehrere Garanten einen Vertrag gewährleiſtet, ſo
kann zunächſt jeder derſelben von den Betheiligten um Hülfe angerufen
werden. Aber der angerufene Garant iſt ſeinerſeits berechtigt, bevor er
einſeitige Hülfe leiſtet, ein Einverſtändniß mit den übrigen Garanten zu
verſuchen.

Sobald mehrere Garanten desſelben Vertrags vorhanden ſind, ſo beſteht min-
deſtens eine objective Verbindung derſelben, inſofern ſie denſelben ſtatlichen
Zweck
durch ihre Beihülfe erreichen ſollen, alſo im Ziel zuſammentreffen und dem-
nach auch in den Mitteln, mit denen das Ziel zu erreichen iſt, einander ergän-
zen und unterſtützen. Deßhalb iſt alle Zeit ein vorheriges Einverſtändniß zu ver-
ſuchen, ſo weit die Umſtände einen Aufſchub erlauben. Die Verbindung kann aber
auch von Anfang als perſönliche Gemeinſchaft der Garanten gewollt ſein und
dann darf nicht einſeitige Hülfe gefordert werden, ſo lange die Möglichkeit der Gemein-
hülfe offen bleibt. Vgl. darüber § 440.

440.

Iſt die Garantie zweier oder mehrerer Staten ausdrücklich als eine
gemeinſame nicht als eine mehrfache Einzelgarantie verabredet worden
(Collectivgarantie), ſo ſind die garantirenden Staten zugleich um Beiſtand
anzugehen oder zur Vertheidigung des garantirten Zuſtandes aufzurufen.

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[246/0268] Sechstes Buch. wie z. B. ſie will den Schiffahrtsverkehr auf Strömen verhindern, welche dem Weltverkehr neu eröffnet worden ſind; d) die nothwendige Entwicklung und Wandlung der öffentlichen Rechts- und Statszuſtände läßt das Feſthalten an der älteren Vertragsbeſtimmung als unnatürlich und nicht mehr zeitgemäß erſcheinen. 438. Den Hauptparteien, in deren Intereſſe der Garantievertrag als blo- ßer Nebenvertrag abgeſchloſſen worden iſt, ſteht es allezeit frei, die Garan- ten ihrer Währſchaftspflicht zu entbinden und damit den Garantievertrag aufzulöſen. Das gilt natürlich nicht von ſolchen Garantieverträgen, welche nicht als bloße untergeordnete Nebenverträge zur Verſtärkung des Hauptvertrages eingegangen wor- den ſind, ſondern eine ſelbſtändige Bedeutung auch im Intereſſe des Garanten haben. Vgl. zu § 432. 439. Haben zwei oder mehrere Garanten einen Vertrag gewährleiſtet, ſo kann zunächſt jeder derſelben von den Betheiligten um Hülfe angerufen werden. Aber der angerufene Garant iſt ſeinerſeits berechtigt, bevor er einſeitige Hülfe leiſtet, ein Einverſtändniß mit den übrigen Garanten zu verſuchen. Sobald mehrere Garanten desſelben Vertrags vorhanden ſind, ſo beſteht min- deſtens eine objective Verbindung derſelben, inſofern ſie denſelben ſtatlichen Zweck durch ihre Beihülfe erreichen ſollen, alſo im Ziel zuſammentreffen und dem- nach auch in den Mitteln, mit denen das Ziel zu erreichen iſt, einander ergän- zen und unterſtützen. Deßhalb iſt alle Zeit ein vorheriges Einverſtändniß zu ver- ſuchen, ſo weit die Umſtände einen Aufſchub erlauben. Die Verbindung kann aber auch von Anfang als perſönliche Gemeinſchaft der Garanten gewollt ſein und dann darf nicht einſeitige Hülfe gefordert werden, ſo lange die Möglichkeit der Gemein- hülfe offen bleibt. Vgl. darüber § 440. 440. Iſt die Garantie zweier oder mehrerer Staten ausdrücklich als eine gemeinſame nicht als eine mehrfache Einzelgarantie verabredet worden (Collectivgarantie), ſo ſind die garantirenden Staten zugleich um Beiſtand anzugehen oder zur Vertheidigung des garantirten Zuſtandes aufzurufen.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/268>, abgerufen am 26.04.2024.