Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Völkerrechtliche Organe.
den besondern Statsschutz in Anspruch nimmt und die Versicherung gibt,
daß sie keine zollpflichtigen Güter in sich schließen.

Wenn der Gesante zugleich Kaufmann ist, so sind seine Handelswaaren der
gewöhnlichen Verzollung unterworfen.

224.

In allen zweifelhaften Fällen, wo Conflicte über die Ausdehnung
oder Beschränkung der Exterritorialität mit fremden Gesanten drohen, sol-
len die untern Landesbehörden es vermeiden, von sich aus dem Entscheide
der obersten Regierungsautorität vorzugreifen und ist durch Verhandlung
dieser mit der Gesantschaft ein freundliches Einverständniß anzustreben.

Es ist das eine zur Verhütung schädlicher Streitigkeiten wichtige Maxime
Der Amtseifer der Unterbehörden sieht leicht nur das Nächste und beurtheilt das
nach dem gewöhnlichen Geschäftsgang, während die Centralregierung einen weiteren
Horizont von höherem Standpunkte aus überschaut und daher die Rücksichten von
Stat zu Stat richtiger zu würdigen versteht. Der Gesante ist berechtigt, bei einem
drohenden Conflicte mit einem Unterbeamten diesen darauf hinzuweisen, daß er
wohl thue, an höhere Behörde zu berichten und weitere Befehle abzuwarten.

225.

Der Gesante ist verpflichtet, die Selbständigkeit und Ehre des States,
bei welchem er beglaubigt ist, sorgfältig zu achten. Er darf sich nicht in
die innern Landesangelegenheiten ungebührlich einmischen, und hat sich aller
autoritativen Acte zu enthalten, welche in den Bereich der Statshoheit des
besendeten States eingreifen. Er soll alle Aufreizungen oder Drohungen
oder Bestechungen unterlassen, durch welche die Freiheit des Volkes, die
Autorität der Regierung und die Ehrbarkeit des politischen Lebens gefähr-
det oder verletzt würden.

Bloße Meinungsäußerung und Ertheilung von guten Räthen bezüglich der
innern Politik, zumal im Privatverkehr, ist nicht als unerlaubte Einmischung zu
betrachten. Aber immerhin ist auch hier Mäßigung zu empfehlen, damit nicht der
Eindruck einer versuchten Einmischung entstehe, welche der fremden Macht und ihrem
Vertreter nicht zukommt. Die Grenze, welche die freie Besprechung von ungebühr-
licher Zudringlichkeit unterscheidet, kann nur durch den ausgebildeten Takt der Per-
sonen inne gehalten werden.

226.

Ohne Ermächtigung des Absendestats darf der Gesante weder Ge-
schenke noch Orden von dem Empfangstate annehmen.

Bluntschli, Das Völkerrecht. 10

Völkerrechtliche Organe.
den beſondern Statsſchutz in Anſpruch nimmt und die Verſicherung gibt,
daß ſie keine zollpflichtigen Güter in ſich ſchließen.

Wenn der Geſante zugleich Kaufmann iſt, ſo ſind ſeine Handelswaaren der
gewöhnlichen Verzollung unterworfen.

224.

In allen zweifelhaften Fällen, wo Conflicte über die Ausdehnung
oder Beſchränkung der Exterritorialität mit fremden Geſanten drohen, ſol-
len die untern Landesbehörden es vermeiden, von ſich aus dem Entſcheide
der oberſten Regierungsautorität vorzugreifen und iſt durch Verhandlung
dieſer mit der Geſantſchaft ein freundliches Einverſtändniß anzuſtreben.

Es iſt das eine zur Verhütung ſchädlicher Streitigkeiten wichtige Maxime
Der Amtseifer der Unterbehörden ſieht leicht nur das Nächſte und beurtheilt das
nach dem gewöhnlichen Geſchäftsgang, während die Centralregierung einen weiteren
Horizont von höherem Standpunkte aus überſchaut und daher die Rückſichten von
Stat zu Stat richtiger zu würdigen verſteht. Der Geſante iſt berechtigt, bei einem
drohenden Conflicte mit einem Unterbeamten dieſen darauf hinzuweiſen, daß er
wohl thue, an höhere Behörde zu berichten und weitere Befehle abzuwarten.

225.

Der Geſante iſt verpflichtet, die Selbſtändigkeit und Ehre des States,
bei welchem er beglaubigt iſt, ſorgfältig zu achten. Er darf ſich nicht in
die innern Landesangelegenheiten ungebührlich einmiſchen, und hat ſich aller
autoritativen Acte zu enthalten, welche in den Bereich der Statshoheit des
beſendeten States eingreifen. Er ſoll alle Aufreizungen oder Drohungen
oder Beſtechungen unterlaſſen, durch welche die Freiheit des Volkes, die
Autorität der Regierung und die Ehrbarkeit des politiſchen Lebens gefähr-
det oder verletzt würden.

Bloße Meinungsäußerung und Ertheilung von guten Räthen bezüglich der
innern Politik, zumal im Privatverkehr, iſt nicht als unerlaubte Einmiſchung zu
betrachten. Aber immerhin iſt auch hier Mäßigung zu empfehlen, damit nicht der
Eindruck einer verſuchten Einmiſchung entſtehe, welche der fremden Macht und ihrem
Vertreter nicht zukommt. Die Grenze, welche die freie Beſprechung von ungebühr-
licher Zudringlichkeit unterſcheidet, kann nur durch den ausgebildeten Takt der Per-
ſonen inne gehalten werden.

226.

Ohne Ermächtigung des Abſendeſtats darf der Geſante weder Ge-
ſchenke noch Orden von dem Empfangſtate annehmen.

Bluntſchli, Das Völkerrecht. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0167" n="145"/><fw place="top" type="header">Völkerrechtliche Organe.</fw><lb/>
den be&#x017F;ondern Stats&#x017F;chutz in An&#x017F;pruch nimmt und die Ver&#x017F;icherung gibt,<lb/>
daß &#x017F;ie keine zollpflichtigen Güter in &#x017F;ich &#x017F;chließen.</p><lb/>
                <p>Wenn der Ge&#x017F;ante zugleich Kaufmann i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;eine Handelswaaren der<lb/>
gewöhnlichen Verzollung unterworfen.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>224.</head><lb/>
                <p>In allen zweifelhaften Fällen, wo Conflicte über die Ausdehnung<lb/>
oder Be&#x017F;chränkung der Exterritorialität mit fremden Ge&#x017F;anten drohen, &#x017F;ol-<lb/>
len die untern Landesbehörden es vermeiden, von &#x017F;ich aus dem Ent&#x017F;cheide<lb/>
der ober&#x017F;ten Regierungsautorität vorzugreifen und i&#x017F;t durch Verhandlung<lb/>
die&#x017F;er mit der Ge&#x017F;ant&#x017F;chaft ein freundliches Einver&#x017F;tändniß anzu&#x017F;treben.</p><lb/>
                <p>Es i&#x017F;t das eine zur Verhütung &#x017F;chädlicher Streitigkeiten wichtige Maxime<lb/>
Der Amtseifer der Unterbehörden &#x017F;ieht leicht nur das Näch&#x017F;te und beurtheilt das<lb/>
nach dem gewöhnlichen Ge&#x017F;chäftsgang, während die Centralregierung einen weiteren<lb/>
Horizont von höherem Standpunkte aus über&#x017F;chaut und daher die Rück&#x017F;ichten von<lb/>
Stat zu Stat richtiger zu würdigen ver&#x017F;teht. Der Ge&#x017F;ante i&#x017F;t berechtigt, bei einem<lb/>
drohenden Conflicte mit einem Unterbeamten die&#x017F;en darauf hinzuwei&#x017F;en, daß er<lb/>
wohl thue, an höhere Behörde zu berichten und weitere Befehle abzuwarten.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>225.</head><lb/>
                <p>Der Ge&#x017F;ante i&#x017F;t verpflichtet, die Selb&#x017F;tändigkeit und Ehre des States,<lb/>
bei welchem er beglaubigt i&#x017F;t, &#x017F;orgfältig zu achten. Er darf &#x017F;ich nicht in<lb/>
die innern Landesangelegenheiten ungebührlich einmi&#x017F;chen, und hat &#x017F;ich aller<lb/>
autoritativen Acte zu enthalten, welche in den Bereich der Statshoheit des<lb/>
be&#x017F;endeten States eingreifen. Er &#x017F;oll alle Aufreizungen oder Drohungen<lb/>
oder Be&#x017F;techungen unterla&#x017F;&#x017F;en, durch welche die Freiheit des Volkes, die<lb/>
Autorität der Regierung und die Ehrbarkeit des politi&#x017F;chen Lebens gefähr-<lb/>
det oder verletzt würden.</p><lb/>
                <p>Bloße Meinungsäußerung und Ertheilung von guten Räthen bezüglich der<lb/>
innern Politik, zumal im Privatverkehr, i&#x017F;t nicht als unerlaubte Einmi&#x017F;chung zu<lb/>
betrachten. Aber immerhin i&#x017F;t auch hier Mäßigung zu empfehlen, damit nicht der<lb/>
Eindruck einer ver&#x017F;uchten Einmi&#x017F;chung ent&#x017F;tehe, welche der fremden Macht und ihrem<lb/>
Vertreter nicht zukommt. Die Grenze, welche die freie Be&#x017F;prechung von ungebühr-<lb/>
licher Zudringlichkeit unter&#x017F;cheidet, kann nur durch den ausgebildeten Takt der Per-<lb/>
&#x017F;onen inne gehalten werden.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>226.</head><lb/>
                <p>Ohne Ermächtigung des Ab&#x017F;ende&#x017F;tats darf der Ge&#x017F;ante weder Ge-<lb/>
&#x017F;chenke noch Orden von dem Empfang&#x017F;tate annehmen.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Blunt&#x017F;chli</hi>, Das Völkerrecht. 10</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0167] Völkerrechtliche Organe. den beſondern Statsſchutz in Anſpruch nimmt und die Verſicherung gibt, daß ſie keine zollpflichtigen Güter in ſich ſchließen. Wenn der Geſante zugleich Kaufmann iſt, ſo ſind ſeine Handelswaaren der gewöhnlichen Verzollung unterworfen. 224. In allen zweifelhaften Fällen, wo Conflicte über die Ausdehnung oder Beſchränkung der Exterritorialität mit fremden Geſanten drohen, ſol- len die untern Landesbehörden es vermeiden, von ſich aus dem Entſcheide der oberſten Regierungsautorität vorzugreifen und iſt durch Verhandlung dieſer mit der Geſantſchaft ein freundliches Einverſtändniß anzuſtreben. Es iſt das eine zur Verhütung ſchädlicher Streitigkeiten wichtige Maxime Der Amtseifer der Unterbehörden ſieht leicht nur das Nächſte und beurtheilt das nach dem gewöhnlichen Geſchäftsgang, während die Centralregierung einen weiteren Horizont von höherem Standpunkte aus überſchaut und daher die Rückſichten von Stat zu Stat richtiger zu würdigen verſteht. Der Geſante iſt berechtigt, bei einem drohenden Conflicte mit einem Unterbeamten dieſen darauf hinzuweiſen, daß er wohl thue, an höhere Behörde zu berichten und weitere Befehle abzuwarten. 225. Der Geſante iſt verpflichtet, die Selbſtändigkeit und Ehre des States, bei welchem er beglaubigt iſt, ſorgfältig zu achten. Er darf ſich nicht in die innern Landesangelegenheiten ungebührlich einmiſchen, und hat ſich aller autoritativen Acte zu enthalten, welche in den Bereich der Statshoheit des beſendeten States eingreifen. Er ſoll alle Aufreizungen oder Drohungen oder Beſtechungen unterlaſſen, durch welche die Freiheit des Volkes, die Autorität der Regierung und die Ehrbarkeit des politiſchen Lebens gefähr- det oder verletzt würden. Bloße Meinungsäußerung und Ertheilung von guten Räthen bezüglich der innern Politik, zumal im Privatverkehr, iſt nicht als unerlaubte Einmiſchung zu betrachten. Aber immerhin iſt auch hier Mäßigung zu empfehlen, damit nicht der Eindruck einer verſuchten Einmiſchung entſtehe, welche der fremden Macht und ihrem Vertreter nicht zukommt. Die Grenze, welche die freie Beſprechung von ungebühr- licher Zudringlichkeit unterſcheidet, kann nur durch den ausgebildeten Takt der Per- ſonen inne gehalten werden. 226. Ohne Ermächtigung des Abſendeſtats darf der Geſante weder Ge- ſchenke noch Orden von dem Empfangſtate annehmen. Bluntſchli, Das Völkerrecht. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/167
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/167>, abgerufen am 26.04.2024.