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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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lernen. Ueber ihre wahre Größe scheinen nur die chemischen Er-
scheinungen einige Auskunft zu geben.

Rotation eines befeuchteten Glases.

Ich füge zum Schlusse dieses Gegenstandes noch die Beschrei-
bung eines Versuches bei, der eine sehr auffallende Erscheinung
darstellt. Wenn man ein Uhrglas an der convexen Seite mit einem
Tropfen Wasser naß macht, und es nun so, daß der Tropfen an
der Berührungsstelle liegt, auf einen Spiegel legt, so bewegt sich
das Glas bei einer schwachen Neigung des Spiegels nicht in gerader
Richtung herab, sondern geräth in eine, oft recht schnelle, Drehung.
Diese Drehung entsteht ohne Zweifel dadurch, daß der Schwerpunct
des Glases von dem durch den Tropfen festgehaltenen Puncte etwas
abweicht, die einmal entstandene Drehung setzt sich, wie bei Kreiseln,
leicht fort. Um die Ursache dieser Rotation des Uhrglases recht
deutlich zu sehen, scheint mir folgende Anordnung des Versuches
vorzüglich zweckmäßig. Man legt das Uhrglas auf den Spiegel so,
daß der Wassertropfen die Mitte des Glases befeuchtet und sich
gleichförmig um den mittlern Berührungspunct ausdehnt. Ist
dies genau der Fall, so nimmt auch bei einer etwas geneigten
Stellung des Spiegels, den ich als mit der niedrigern Seite gegen
den Beobachter gekehrt annehme, das Uhrglas keine Rotation an.
Aber nun drücke man einen Augenblick lang mit dem Finger den
rechts liegenden Rand des Glases nieder, so setzt sich sogleich das
Glas in eine drehende Bewegung, und zwar so, daß die links
liegenden Theile unterwärts gehen, und diese Bewegung dauert nun
ohne Aufhören fort, bis man durch einen Druck auf die links
liegende Seite eine entgegengesetzte Bewegung hervorbringt. Die
Ursache der Drehung besteht also darin, daß, indem ich das Glas
an der rechten Seite niederdrücke, der Schwerpunct des Glases
ohne Unterstützung ist, und also, indem er sinkt, eine Drehung um
den durch den Wassertropfen festgehaltenen Punct anfängt; diese
Drehung dauert, nachdem sie einmal eingetreten ist, aus ähnlichen
Gründen fort, wie die regelmäßigen Schwankungen der Axe eines
Kreisels, wenn dieser einmal um seine nicht genau vertical stehende
Axe in drehende Bewegung gesetzt ist.


lernen. Ueber ihre wahre Groͤße ſcheinen nur die chemiſchen Er-
ſcheinungen einige Auskunft zu geben.

Rotation eines befeuchteten Glaſes.

Ich fuͤge zum Schluſſe dieſes Gegenſtandes noch die Beſchrei-
bung eines Verſuches bei, der eine ſehr auffallende Erſcheinung
darſtellt. Wenn man ein Uhrglas an der convexen Seite mit einem
Tropfen Waſſer naß macht, und es nun ſo, daß der Tropfen an
der Beruͤhrungsſtelle liegt, auf einen Spiegel legt, ſo bewegt ſich
das Glas bei einer ſchwachen Neigung des Spiegels nicht in gerader
Richtung herab, ſondern geraͤth in eine, oft recht ſchnelle, Drehung.
Dieſe Drehung entſteht ohne Zweifel dadurch, daß der Schwerpunct
des Glaſes von dem durch den Tropfen feſtgehaltenen Puncte etwas
abweicht, die einmal entſtandene Drehung ſetzt ſich, wie bei Kreiſeln,
leicht fort. Um die Urſache dieſer Rotation des Uhrglaſes recht
deutlich zu ſehen, ſcheint mir folgende Anordnung des Verſuches
vorzuͤglich zweckmaͤßig. Man legt das Uhrglas auf den Spiegel ſo,
daß der Waſſertropfen die Mitte des Glaſes befeuchtet und ſich
gleichfoͤrmig um den mittlern Beruͤhrungspunct ausdehnt. Iſt
dies genau der Fall, ſo nimmt auch bei einer etwas geneigten
Stellung des Spiegels, den ich als mit der niedrigern Seite gegen
den Beobachter gekehrt annehme, das Uhrglas keine Rotation an.
Aber nun druͤcke man einen Augenblick lang mit dem Finger den
rechts liegenden Rand des Glaſes nieder, ſo ſetzt ſich ſogleich das
Glas in eine drehende Bewegung, und zwar ſo, daß die links
liegenden Theile unterwaͤrts gehen, und dieſe Bewegung dauert nun
ohne Aufhoͤren fort, bis man durch einen Druck auf die links
liegende Seite eine entgegengeſetzte Bewegung hervorbringt. Die
Urſache der Drehung beſteht alſo darin, daß, indem ich das Glas
an der rechten Seite niederdruͤcke, der Schwerpunct des Glaſes
ohne Unterſtuͤtzung iſt, und alſo, indem er ſinkt, eine Drehung um
den durch den Waſſertropfen feſtgehaltenen Punct anfaͤngt; dieſe
Drehung dauert, nachdem ſie einmal eingetreten iſt, aus aͤhnlichen
Gruͤnden fort, wie die regelmaͤßigen Schwankungen der Axe eines
Kreiſels, wenn dieſer einmal um ſeine nicht genau vertical ſtehende
Axe in drehende Bewegung geſetzt iſt.


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[22/0036] lernen. Ueber ihre wahre Groͤße ſcheinen nur die chemiſchen Er- ſcheinungen einige Auskunft zu geben. Rotation eines befeuchteten Glaſes. Ich fuͤge zum Schluſſe dieſes Gegenſtandes noch die Beſchrei- bung eines Verſuches bei, der eine ſehr auffallende Erſcheinung darſtellt. Wenn man ein Uhrglas an der convexen Seite mit einem Tropfen Waſſer naß macht, und es nun ſo, daß der Tropfen an der Beruͤhrungsſtelle liegt, auf einen Spiegel legt, ſo bewegt ſich das Glas bei einer ſchwachen Neigung des Spiegels nicht in gerader Richtung herab, ſondern geraͤth in eine, oft recht ſchnelle, Drehung. Dieſe Drehung entſteht ohne Zweifel dadurch, daß der Schwerpunct des Glaſes von dem durch den Tropfen feſtgehaltenen Puncte etwas abweicht, die einmal entſtandene Drehung ſetzt ſich, wie bei Kreiſeln, leicht fort. Um die Urſache dieſer Rotation des Uhrglaſes recht deutlich zu ſehen, ſcheint mir folgende Anordnung des Verſuches vorzuͤglich zweckmaͤßig. Man legt das Uhrglas auf den Spiegel ſo, daß der Waſſertropfen die Mitte des Glaſes befeuchtet und ſich gleichfoͤrmig um den mittlern Beruͤhrungspunct ausdehnt. Iſt dies genau der Fall, ſo nimmt auch bei einer etwas geneigten Stellung des Spiegels, den ich als mit der niedrigern Seite gegen den Beobachter gekehrt annehme, das Uhrglas keine Rotation an. Aber nun druͤcke man einen Augenblick lang mit dem Finger den rechts liegenden Rand des Glaſes nieder, ſo ſetzt ſich ſogleich das Glas in eine drehende Bewegung, und zwar ſo, daß die links liegenden Theile unterwaͤrts gehen, und dieſe Bewegung dauert nun ohne Aufhoͤren fort, bis man durch einen Druck auf die links liegende Seite eine entgegengeſetzte Bewegung hervorbringt. Die Urſache der Drehung beſteht alſo darin, daß, indem ich das Glas an der rechten Seite niederdruͤcke, der Schwerpunct des Glaſes ohne Unterſtuͤtzung iſt, und alſo, indem er ſinkt, eine Drehung um den durch den Waſſertropfen feſtgehaltenen Punct anfaͤngt; dieſe Drehung dauert, nachdem ſie einmal eingetreten iſt, aus aͤhnlichen Gruͤnden fort, wie die regelmaͤßigen Schwankungen der Axe eines Kreiſels, wenn dieſer einmal um ſeine nicht genau vertical ſtehende Axe in drehende Bewegung geſetzt iſt.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/36>, abgerufen am 26.04.2024.