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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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Kohle in eine andre Luft-Art gebracht wird, entläßt sie etwas von
der Luft, die sie schon aufgenommen hatte, und nimmt dagegen
etwas von der zweiten Luft-Art auf. Auch bei andern festen Kör-
pern findet etwas Aehnliches statt.

Ob hiebei bloß die Adhäsion, eine ebensolche Anziehungskraft,
wie bei den Haarröhrchen, thätig ist, läßt sich zwar nicht ganz ent-
scheiden; aber die dem mechanischen Drucke so genau folgende Ab-
sorption, und das unveränderte Hervorgehen der absorbirt gewesenen
Luft scheint hiefür zu sprechen. Indeß verdichtet sich die Luft offen-
bar sehr bedeutend in den Poren der festen Körper und selbst in den
flüssigen, und diese anziehende Kraft der Körper übt also ohne
Zweifel eine sehr bedeutende Gewalt auf die Luft aus. Auch ist
diese Anziehungskraft nach der Verschiedenheit der Luft-Arten sehr
ungleich, was uns, da schon bei den Haarröhrchen eben das statt
findet, nicht sehr befremden kann *).

Chemische Anziehung. Veränderung der Körper bei
chemischen Verbindungen
.

Und nun ist es wohl Zeit, endlich zu den chemischen Anzie-
hungen und den chemischen Verbindungen überzugehen. Die Stu-
fenfolge von Wirkungen der Anziehung, wo zuerst nur unbedeu-
tende Erfolge durch die Differenz der Wirkung fester und flüssiger
Körper auf flüssige entstanden, wo die Wahl-Anziehung einer Ober-
fläche gegen eine Flüssigkeit mehr als gegen die andre sichtbar wurde,
wo die Luft in hohem Grade verdichtet, aber auch mit einer nach
der Natur der Luft-Art verschiedenen Gewalt, von flüssigen und
festen Körpern aufgenommen wurde, -- diese Stufenfolge von
Wirkungen scheint uns zu jenen mächtigen Wirkungen gleichsam
hinüber zu führen; aber dennoch ist der Uebergang zu den chemi-
schen Wirkungen dadurch noch keinesweges aufgeklärt. Das läßt
sich wohl einsehen, daß die Theilchen eines Flüssigen, einer Säure
zum Beispiel, indem sie einen festen Körper innig berühren, seine
Theilchen so anziehen können, daß sie dieselben nöthigen, die Ver-
bindung mit ihren nächsten Nachbaren aufzugeben, sich aufzulösen,

*) Umständlicher ist dieser Gegenstand abgehandelt in Gehlers
Wörterbuch I. 40.

Kohle in eine andre Luft-Art gebracht wird, entlaͤßt ſie etwas von
der Luft, die ſie ſchon aufgenommen hatte, und nimmt dagegen
etwas von der zweiten Luft-Art auf. Auch bei andern feſten Koͤr-
pern findet etwas Aehnliches ſtatt.

Ob hiebei bloß die Adhaͤſion, eine ebenſolche Anziehungskraft,
wie bei den Haarroͤhrchen, thaͤtig iſt, laͤßt ſich zwar nicht ganz ent-
ſcheiden; aber die dem mechaniſchen Drucke ſo genau folgende Ab-
ſorption, und das unveraͤnderte Hervorgehen der abſorbirt geweſenen
Luft ſcheint hiefuͤr zu ſprechen. Indeß verdichtet ſich die Luft offen-
bar ſehr bedeutend in den Poren der feſten Koͤrper und ſelbſt in den
fluͤſſigen, und dieſe anziehende Kraft der Koͤrper uͤbt alſo ohne
Zweifel eine ſehr bedeutende Gewalt auf die Luft aus. Auch iſt
dieſe Anziehungskraft nach der Verſchiedenheit der Luft-Arten ſehr
ungleich, was uns, da ſchon bei den Haarroͤhrchen eben das ſtatt
findet, nicht ſehr befremden kann *).

Chemiſche Anziehung. Veraͤnderung der Koͤrper bei
chemiſchen Verbindungen
.

Und nun iſt es wohl Zeit, endlich zu den chemiſchen Anzie-
hungen und den chemiſchen Verbindungen uͤberzugehen. Die Stu-
fenfolge von Wirkungen der Anziehung, wo zuerſt nur unbedeu-
tende Erfolge durch die Differenz der Wirkung feſter und fluͤſſiger
Koͤrper auf fluͤſſige entſtanden, wo die Wahl-Anziehung einer Ober-
flaͤche gegen eine Fluͤſſigkeit mehr als gegen die andre ſichtbar wurde,
wo die Luft in hohem Grade verdichtet, aber auch mit einer nach
der Natur der Luft-Art verſchiedenen Gewalt, von fluͤſſigen und
feſten Koͤrpern aufgenommen wurde, — dieſe Stufenfolge von
Wirkungen ſcheint uns zu jenen maͤchtigen Wirkungen gleichſam
hinuͤber zu fuͤhren; aber dennoch iſt der Uebergang zu den chemi-
ſchen Wirkungen dadurch noch keinesweges aufgeklaͤrt. Das laͤßt
ſich wohl einſehen, daß die Theilchen eines Fluͤſſigen, einer Saͤure
zum Beiſpiel, indem ſie einen feſten Koͤrper innig beruͤhren, ſeine
Theilchen ſo anziehen koͤnnen, daß ſie dieſelben noͤthigen, die Ver-
bindung mit ihren naͤchſten Nachbaren aufzugeben, ſich aufzuloͤſen,

*) Umſtaͤndlicher iſt dieſer Gegenſtand abgehandelt in Gehlers
Woͤrterbuch I. 40.
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[31/0045] Kohle in eine andre Luft-Art gebracht wird, entlaͤßt ſie etwas von der Luft, die ſie ſchon aufgenommen hatte, und nimmt dagegen etwas von der zweiten Luft-Art auf. Auch bei andern feſten Koͤr- pern findet etwas Aehnliches ſtatt. Ob hiebei bloß die Adhaͤſion, eine ebenſolche Anziehungskraft, wie bei den Haarroͤhrchen, thaͤtig iſt, laͤßt ſich zwar nicht ganz ent- ſcheiden; aber die dem mechaniſchen Drucke ſo genau folgende Ab- ſorption, und das unveraͤnderte Hervorgehen der abſorbirt geweſenen Luft ſcheint hiefuͤr zu ſprechen. Indeß verdichtet ſich die Luft offen- bar ſehr bedeutend in den Poren der feſten Koͤrper und ſelbſt in den fluͤſſigen, und dieſe anziehende Kraft der Koͤrper uͤbt alſo ohne Zweifel eine ſehr bedeutende Gewalt auf die Luft aus. Auch iſt dieſe Anziehungskraft nach der Verſchiedenheit der Luft-Arten ſehr ungleich, was uns, da ſchon bei den Haarroͤhrchen eben das ſtatt findet, nicht ſehr befremden kann *). Chemiſche Anziehung. Veraͤnderung der Koͤrper bei chemiſchen Verbindungen. Und nun iſt es wohl Zeit, endlich zu den chemiſchen Anzie- hungen und den chemiſchen Verbindungen uͤberzugehen. Die Stu- fenfolge von Wirkungen der Anziehung, wo zuerſt nur unbedeu- tende Erfolge durch die Differenz der Wirkung feſter und fluͤſſiger Koͤrper auf fluͤſſige entſtanden, wo die Wahl-Anziehung einer Ober- flaͤche gegen eine Fluͤſſigkeit mehr als gegen die andre ſichtbar wurde, wo die Luft in hohem Grade verdichtet, aber auch mit einer nach der Natur der Luft-Art verſchiedenen Gewalt, von fluͤſſigen und feſten Koͤrpern aufgenommen wurde, — dieſe Stufenfolge von Wirkungen ſcheint uns zu jenen maͤchtigen Wirkungen gleichſam hinuͤber zu fuͤhren; aber dennoch iſt der Uebergang zu den chemi- ſchen Wirkungen dadurch noch keinesweges aufgeklaͤrt. Das laͤßt ſich wohl einſehen, daß die Theilchen eines Fluͤſſigen, einer Saͤure zum Beiſpiel, indem ſie einen feſten Koͤrper innig beruͤhren, ſeine Theilchen ſo anziehen koͤnnen, daß ſie dieſelben noͤthigen, die Ver- bindung mit ihren naͤchſten Nachbaren aufzugeben, ſich aufzuloͤſen, *) Umſtaͤndlicher iſt dieſer Gegenſtand abgehandelt in Gehlers Woͤrterbuch I. 40.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/45>, abgerufen am 27.04.2024.