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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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dichteten Luft liegendes Stückchen Feuerschwamm sich entzündet.
Die hier hervorgebrachte Wärme muß gegen 300 Gr. Cent. betra-
gen, da nach Gay-Lussac's Beobachtung der Schwamm sich
auf schmelzendem Wismuth (bei 283 Gr.) noch nicht entzündet,
wohl aber auf schmelzendem Blei (bei 323 Gr.). Ermann ist
indeß geneigt, den größten Theil der Wirkung dem zugleich erfol-
genden Zusammenpressen des weichen Körpers zuzuschreiben.

Diese Versuche dienen nun auch, um die Bemerkungen voll-
ständiger zu verstehen, deren Sie sich aus der Lehre vom Schalle
erinnern werden. Indem die Oscillationen der Schallwellen eine
Verdichtung der Luft hervorbringen, entbinden sie zugleich Wärme,
und die diesen Verdichtungen folgenden Verdünnungen sind mit
Abkühlung begleitet, dadurch aber wird der Wechsel der ausdeh-
nenden Kraft größer als er bei gleichbleibender Temperatur sein
würde, und der Schall pflanzt sich so fort, als ob die Luft eine
größere specifische Elasticität besäße, als sie wirklich besitzt. Dabei
darf man freilich nicht an eine fühlbare Wärme bei der Fortpflan-
zung des Schalles denken, da ein Wechsel, der hundert mal, ja
tausend mal und öfter in einer Secunde erfolgt, unmöglich fühlbar
sein kann. Diese Beschleunigung der Fortpflanzung des Schalles
hängt von dem Verhältniß der specifischen Wärme der Luft, die
immer gleichen Druck ausübt, zu der specifischen Wärme derjenigen,
die ein gleiches Volumen behält, ab. Wenn nämlich eingeschlossene
Luft sich nicht ausdehnen kann, so steigt bei hinzukommender Wärme
die Temperatur um eine bestimmte Anzahl von Graden; ist hin-
gegen eben diese Luft in einem der Ausdehnung fähigen Gefäße
enthalten, so wird bei gleicher hinzu kommender Wärmemenge die
Temperatur weniger steigen, weil ein Theil der Wärme bei der
Ausbreitung in einen größern Raum aufgewendet wird. Könnte
man also in plötzlichem Wechsel die Luft bald ausdehnen, bald ver-
dichten, so würde nach Maaßgabe jenes Verhältnisses die Ausdeh-
nungskraft der Luft stärkere Ungleichheiten als ihre Dichtigkeit
erleiden, und ebenso geschieht es in den unmerklichen Oscillationen
bei der Fortpflanzung des Schalles, so daß in diesen Betrachtungen
ein Maaß für die vergrößerte Geschwindigkeit des Schalles gefun-
den wird. Steigt bei der Verdichtung mit der Verdoppelung der
Dichtigkeit die elastische Kraft nicht auf 2, sondern auf 2., mit

dichteten Luft liegendes Stuͤckchen Feuerſchwamm ſich entzuͤndet.
Die hier hervorgebrachte Waͤrme muß gegen 300 Gr. Cent. betra-
gen, da nach Gay-Luſſac's Beobachtung der Schwamm ſich
auf ſchmelzendem Wismuth (bei 283 Gr.) noch nicht entzuͤndet,
wohl aber auf ſchmelzendem Blei (bei 323 Gr.). Ermann iſt
indeß geneigt, den groͤßten Theil der Wirkung dem zugleich erfol-
genden Zuſammenpreſſen des weichen Koͤrpers zuzuſchreiben.

Dieſe Verſuche dienen nun auch, um die Bemerkungen voll-
ſtaͤndiger zu verſtehen, deren Sie ſich aus der Lehre vom Schalle
erinnern werden. Indem die Oſcillationen der Schallwellen eine
Verdichtung der Luft hervorbringen, entbinden ſie zugleich Waͤrme,
und die dieſen Verdichtungen folgenden Verduͤnnungen ſind mit
Abkuͤhlung begleitet, dadurch aber wird der Wechſel der ausdeh-
nenden Kraft groͤßer als er bei gleichbleibender Temperatur ſein
wuͤrde, und der Schall pflanzt ſich ſo fort, als ob die Luft eine
groͤßere ſpecifiſche Elaſticitaͤt beſaͤße, als ſie wirklich beſitzt. Dabei
darf man freilich nicht an eine fuͤhlbare Waͤrme bei der Fortpflan-
zung des Schalles denken, da ein Wechſel, der hundert mal, ja
tauſend mal und oͤfter in einer Secunde erfolgt, unmoͤglich fuͤhlbar
ſein kann. Dieſe Beſchleunigung der Fortpflanzung des Schalles
haͤngt von dem Verhaͤltniß der ſpecifiſchen Waͤrme der Luft, die
immer gleichen Druck ausuͤbt, zu der ſpecifiſchen Waͤrme derjenigen,
die ein gleiches Volumen behaͤlt, ab. Wenn naͤmlich eingeſchloſſene
Luft ſich nicht ausdehnen kann, ſo ſteigt bei hinzukommender Waͤrme
die Temperatur um eine beſtimmte Anzahl von Graden; iſt hin-
gegen eben dieſe Luft in einem der Ausdehnung faͤhigen Gefaͤße
enthalten, ſo wird bei gleicher hinzu kommender Waͤrmemenge die
Temperatur weniger ſteigen, weil ein Theil der Waͤrme bei der
Ausbreitung in einen groͤßern Raum aufgewendet wird. Koͤnnte
man alſo in ploͤtzlichem Wechſel die Luft bald ausdehnen, bald ver-
dichten, ſo wuͤrde nach Maaßgabe jenes Verhaͤltniſſes die Ausdeh-
nungskraft der Luft ſtaͤrkere Ungleichheiten als ihre Dichtigkeit
erleiden, und ebenſo geſchieht es in den unmerklichen Oſcillationen
bei der Fortpflanzung des Schalles, ſo daß in dieſen Betrachtungen
ein Maaß fuͤr die vergroͤßerte Geſchwindigkeit des Schalles gefun-
den wird. Steigt bei der Verdichtung mit der Verdoppelung der
Dichtigkeit die elaſtiſche Kraft nicht auf 2, ſondern auf 2., mit

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[76/0090] dichteten Luft liegendes Stuͤckchen Feuerſchwamm ſich entzuͤndet. Die hier hervorgebrachte Waͤrme muß gegen 300 Gr. Cent. betra- gen, da nach Gay-Luſſac's Beobachtung der Schwamm ſich auf ſchmelzendem Wismuth (bei 283 Gr.) noch nicht entzuͤndet, wohl aber auf ſchmelzendem Blei (bei 323 Gr.). Ermann iſt indeß geneigt, den groͤßten Theil der Wirkung dem zugleich erfol- genden Zuſammenpreſſen des weichen Koͤrpers zuzuſchreiben. Dieſe Verſuche dienen nun auch, um die Bemerkungen voll- ſtaͤndiger zu verſtehen, deren Sie ſich aus der Lehre vom Schalle erinnern werden. Indem die Oſcillationen der Schallwellen eine Verdichtung der Luft hervorbringen, entbinden ſie zugleich Waͤrme, und die dieſen Verdichtungen folgenden Verduͤnnungen ſind mit Abkuͤhlung begleitet, dadurch aber wird der Wechſel der ausdeh- nenden Kraft groͤßer als er bei gleichbleibender Temperatur ſein wuͤrde, und der Schall pflanzt ſich ſo fort, als ob die Luft eine groͤßere ſpecifiſche Elaſticitaͤt beſaͤße, als ſie wirklich beſitzt. Dabei darf man freilich nicht an eine fuͤhlbare Waͤrme bei der Fortpflan- zung des Schalles denken, da ein Wechſel, der hundert mal, ja tauſend mal und oͤfter in einer Secunde erfolgt, unmoͤglich fuͤhlbar ſein kann. Dieſe Beſchleunigung der Fortpflanzung des Schalles haͤngt von dem Verhaͤltniß der ſpecifiſchen Waͤrme der Luft, die immer gleichen Druck ausuͤbt, zu der ſpecifiſchen Waͤrme derjenigen, die ein gleiches Volumen behaͤlt, ab. Wenn naͤmlich eingeſchloſſene Luft ſich nicht ausdehnen kann, ſo ſteigt bei hinzukommender Waͤrme die Temperatur um eine beſtimmte Anzahl von Graden; iſt hin- gegen eben dieſe Luft in einem der Ausdehnung faͤhigen Gefaͤße enthalten, ſo wird bei gleicher hinzu kommender Waͤrmemenge die Temperatur weniger ſteigen, weil ein Theil der Waͤrme bei der Ausbreitung in einen groͤßern Raum aufgewendet wird. Koͤnnte man alſo in ploͤtzlichem Wechſel die Luft bald ausdehnen, bald ver- dichten, ſo wuͤrde nach Maaßgabe jenes Verhaͤltniſſes die Ausdeh- nungskraft der Luft ſtaͤrkere Ungleichheiten als ihre Dichtigkeit erleiden, und ebenſo geſchieht es in den unmerklichen Oſcillationen bei der Fortpflanzung des Schalles, ſo daß in dieſen Betrachtungen ein Maaß fuͤr die vergroͤßerte Geſchwindigkeit des Schalles gefun- den wird. Steigt bei der Verdichtung mit der Verdoppelung der Dichtigkeit die elaſtiſche Kraft nicht auf 2, ſondern auf 2.[FORMEL], mit

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/90>, abgerufen am 26.04.2024.