Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.

Der Großtrappe oder die Trappgans (Otis tarda), welchen man wohl auch "euro-
päischen Strauß"
zu nennen beliebt hat, wurde neuerdings zum Vertreter einer eigenen Sippe
erhoben, als deren wichtigstes Merkmal der aus langen, mit schmalen Fahnen besetzten Federn
bestehende Kinnbart des Männchens angesehen werden muß, da dieser andern Arten der Familie fehlt.
Jn allem übrigen entspricht unser Vogel dem allgemeinen Gepräge der Familie.

Der männliche Großtrappe ist ein stattliches Geschöpf, ebensowohl was den Leibesumfang als
was die Haltung anlangt. Seine Länge schwankt zwischen 31/4 bis 31/2 Fuß, die Breite zwischen
71/2 bis 8 Fuß; die Fittiglänge beträgt 21/4 Fuß, die Länge des Schwanzes 11 Zoll, das Gewicht
kann 30 und einige Pfund erreichen. Der Kopf, die Oberbrust und ein Theil des Oberflügels sind
hellaschgrau, die Federn des Rückens auf rostgelbem Grunde schwarz in die Quere gebändert, die
des Nackens rostfarbig, die der Unterseite schmuzig- oder gilblichweiß, die Steuerfedern schön rostroth,
weiß an der Spitze und vor ihr durch ein schwarzes Band geziert, die äußeren fast ganz weiß, die
Schwingen dunkelgraubraun, an der schmalen Außenfahne und am Ende schwarzbraun, ihre Schäfte
gelblichweiß, die Unterarmfedern schwarz, weiß an der Wurzel, die letzten fast reinweiß. Der Bart
besteht aus etwa dreißig langen, zarten, schmalen, zerschlissenen, grauweißen Federn. Das Auge ist
tiefbraun, der Schnabel schwärzlich, der Fuß grau.

Das Weibchen unterscheidet sich hauptsächlich durch die geringe Größe, aber auch durch ein
minder lebhaftes Gefieder und das Fehlen des Bartes. Seine Länge beträgt höchstens 23/4, seine
Breite 6 Fuß.

Von Südschweden und dem mittleren Rußland an findet man den Trappen in ganz Europa und
ebenso in einem großen Theile Asiens, aber nur einzeln und wohl blos während des Winters
in Nordwestafrika. Jn Großbritannien ist er bereits ausgerottet, in Deutschland ziemlich, in
Frankreich sehr selten geworden, in Spanien kaum häufiger zu finden; in Ungarn, der russischen
Steppe und in ganz Mittelasien dagegen tritt er außerordentlich häufig auf. Gelegentlich seiner
Streifereien, welche man eher ein Streichen als einen Zug nennen kann, berührt er nicht nur die
südlichen Länder, sondern auch solche, in denen man ihn sonst nicht bemerkt, z. B. Holland und die
Schweiz; immer aber wählt er sich weite Ebenen zu seinem Aufenthaltsorte aus. Sachsen und
Anhalt, Brandenburg und Schlesien, das ebene Thüringen und einzelne Gegenden Baierns sind die-
jenigen Striche Deutschlands, welche ihm Herberge geben. Hier trifft man zuweilen noch Flüge an,
welche über hundert Stücke zählen; aber sie kommen gar nicht im Vergleich mit den Scharen, welche
die ungarische Pusta und die russische Steppe beleben. Es bevorzugt der Großtrappe übrigens unter
allen Umständen Gegenden, in denen Getreidebau getrieben wird: Radde fand ihn gerade in den-
jenigen Theilen, welche das Hochsteppengepräge Mittelasiens am deutlichsten zeigen, viel seltener als
in der Udinski'schen und Bargusin'schen Steppe und im Selengathale, obgleich hier die Gegend
hügelig oder bergig ist; aber freilich wird dort wie hier viel Getreide gebaut. Jn Griechenland
soll er in allen Ebenen Standvogel sein; in Spanien belebt er die weiten, fruchtbaren Ebenen beider
Kastilien, der Mancha, Estremaduras und Niederandalusiens; auf den Jnseln des Mittelmeeres
kommt er immer nur einzeln vor.

Ein eigentlicher Standvogel ist der Großtrappe ebensowenig wie andere Arten seiner Familie. Bei
uns zu Lande wechselt er zwar seinen Aufenthaltsort nicht regelmäßig; aber er bewohnt auch in
Deutschland ein so großes Gebiet, daß er mindestens beständig meilenweite Entfernungen durchfliegt.
Anders ist es in Rußland und in Mittelasien. Hier erscheint er zu einer gewissen Zeit im Frühjahre,
in Daurien, nach Radde, Anfangs März, und verweilt blos bis zum August an dem Orte, an
welchem er sich fortpflanzt, tritt also eine, wenn auch beschränkte Wanderung an. Antinori
erwähnt, daß im Jahre 1858 zu Burgas bei Varna eine Menge Trappen mit Stöcken todtgeschlagen
wurden; andere Forscher, welche in den Mittelmeerländern beobachteten, wissen von einem ähnlichen
Auftreten größerer Trappenschwärme zu berichten. Dagegen erfährt man nun auch wiederum aller-
orten, wo Trappen brüten, daß sie während des Winters ihren sommerlichen Wohnkreis nicht ver-

Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.

Der Großtrappe oder die Trappgans (Otis tarda), welchen man wohl auch „euro-
päiſchen Strauß“
zu nennen beliebt hat, wurde neuerdings zum Vertreter einer eigenen Sippe
erhoben, als deren wichtigſtes Merkmal der aus langen, mit ſchmalen Fahnen beſetzten Federn
beſtehende Kinnbart des Männchens angeſehen werden muß, da dieſer andern Arten der Familie fehlt.
Jn allem übrigen entſpricht unſer Vogel dem allgemeinen Gepräge der Familie.

Der männliche Großtrappe iſt ein ſtattliches Geſchöpf, ebenſowohl was den Leibesumfang als
was die Haltung anlangt. Seine Länge ſchwankt zwiſchen 3¼ bis 3½ Fuß, die Breite zwiſchen
7½ bis 8 Fuß; die Fittiglänge beträgt 2¼ Fuß, die Länge des Schwanzes 11 Zoll, das Gewicht
kann 30 und einige Pfund erreichen. Der Kopf, die Oberbruſt und ein Theil des Oberflügels ſind
hellaſchgrau, die Federn des Rückens auf roſtgelbem Grunde ſchwarz in die Quere gebändert, die
des Nackens roſtfarbig, die der Unterſeite ſchmuzig- oder gilblichweiß, die Steuerfedern ſchön roſtroth,
weiß an der Spitze und vor ihr durch ein ſchwarzes Band geziert, die äußeren faſt ganz weiß, die
Schwingen dunkelgraubraun, an der ſchmalen Außenfahne und am Ende ſchwarzbraun, ihre Schäfte
gelblichweiß, die Unterarmfedern ſchwarz, weiß an der Wurzel, die letzten faſt reinweiß. Der Bart
beſteht aus etwa dreißig langen, zarten, ſchmalen, zerſchliſſenen, grauweißen Federn. Das Auge iſt
tiefbraun, der Schnabel ſchwärzlich, der Fuß grau.

Das Weibchen unterſcheidet ſich hauptſächlich durch die geringe Größe, aber auch durch ein
minder lebhaftes Gefieder und das Fehlen des Bartes. Seine Länge beträgt höchſtens 2¾, ſeine
Breite 6 Fuß.

Von Südſchweden und dem mittleren Rußland an findet man den Trappen in ganz Europa und
ebenſo in einem großen Theile Aſiens, aber nur einzeln und wohl blos während des Winters
in Nordweſtafrika. Jn Großbritannien iſt er bereits ausgerottet, in Deutſchland ziemlich, in
Frankreich ſehr ſelten geworden, in Spanien kaum häufiger zu finden; in Ungarn, der ruſſiſchen
Steppe und in ganz Mittelaſien dagegen tritt er außerordentlich häufig auf. Gelegentlich ſeiner
Streifereien, welche man eher ein Streichen als einen Zug nennen kann, berührt er nicht nur die
ſüdlichen Länder, ſondern auch ſolche, in denen man ihn ſonſt nicht bemerkt, z. B. Holland und die
Schweiz; immer aber wählt er ſich weite Ebenen zu ſeinem Aufenthaltsorte aus. Sachſen und
Anhalt, Brandenburg und Schleſien, das ebene Thüringen und einzelne Gegenden Baierns ſind die-
jenigen Striche Deutſchlands, welche ihm Herberge geben. Hier trifft man zuweilen noch Flüge an,
welche über hundert Stücke zählen; aber ſie kommen gar nicht im Vergleich mit den Scharen, welche
die ungariſche Puſta und die ruſſiſche Steppe beleben. Es bevorzugt der Großtrappe übrigens unter
allen Umſtänden Gegenden, in denen Getreidebau getrieben wird: Radde fand ihn gerade in den-
jenigen Theilen, welche das Hochſteppengepräge Mittelaſiens am deutlichſten zeigen, viel ſeltener als
in der Udinski’ſchen und Barguſin’ſchen Steppe und im Selengathale, obgleich hier die Gegend
hügelig oder bergig iſt; aber freilich wird dort wie hier viel Getreide gebaut. Jn Griechenland
ſoll er in allen Ebenen Standvogel ſein; in Spanien belebt er die weiten, fruchtbaren Ebenen beider
Kaſtilien, der Mancha, Eſtremaduras und Niederandaluſiens; auf den Jnſeln des Mittelmeeres
kommt er immer nur einzeln vor.

Ein eigentlicher Standvogel iſt der Großtrappe ebenſowenig wie andere Arten ſeiner Familie. Bei
uns zu Lande wechſelt er zwar ſeinen Aufenthaltsort nicht regelmäßig; aber er bewohnt auch in
Deutſchland ein ſo großes Gebiet, daß er mindeſtens beſtändig meilenweite Entfernungen durchfliegt.
Anders iſt es in Rußland und in Mittelaſien. Hier erſcheint er zu einer gewiſſen Zeit im Frühjahre,
in Daurien, nach Radde, Anfangs März, und verweilt blos bis zum Auguſt an dem Orte, an
welchem er ſich fortpflanzt, tritt alſo eine, wenn auch beſchränkte Wanderung an. Antinori
erwähnt, daß im Jahre 1858 zu Burgas bei Varna eine Menge Trappen mit Stöcken todtgeſchlagen
wurden; andere Forſcher, welche in den Mittelmeerländern beobachteten, wiſſen von einem ähnlichen
Auftreten größerer Trappenſchwärme zu berichten. Dagegen erfährt man nun auch wiederum aller-
orten, wo Trappen brüten, daß ſie während des Winters ihren ſommerlichen Wohnkreis nicht ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0596" n="560"/>
          <fw place="top" type="header">Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.</fw><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Großtrappe</hi> oder die <hi rendition="#g">Trappgans</hi> <hi rendition="#aq">(Otis tarda)</hi>, welchen man wohl auch <hi rendition="#g">&#x201E;euro-<lb/>
päi&#x017F;chen Strauß&#x201C;</hi> zu nennen beliebt hat, wurde neuerdings zum Vertreter einer eigenen Sippe<lb/>
erhoben, als deren wichtig&#x017F;tes Merkmal der aus langen, mit &#x017F;chmalen Fahnen be&#x017F;etzten Federn<lb/>
be&#x017F;tehende Kinnbart des Männchens ange&#x017F;ehen werden muß, da die&#x017F;er andern Arten der Familie fehlt.<lb/>
Jn allem übrigen ent&#x017F;pricht un&#x017F;er Vogel dem allgemeinen Gepräge der Familie.</p><lb/>
          <p>Der männliche Großtrappe i&#x017F;t ein &#x017F;tattliches Ge&#x017F;chöpf, eben&#x017F;owohl was den Leibesumfang als<lb/>
was die Haltung anlangt. Seine Länge &#x017F;chwankt zwi&#x017F;chen 3¼ bis 3½ Fuß, die Breite zwi&#x017F;chen<lb/>
7½ bis 8 Fuß; die Fittiglänge beträgt 2¼ Fuß, die Länge des Schwanzes 11 Zoll, das Gewicht<lb/>
kann 30 und einige Pfund erreichen. Der Kopf, die Oberbru&#x017F;t und ein Theil des Oberflügels &#x017F;ind<lb/>
hella&#x017F;chgrau, die Federn des Rückens auf ro&#x017F;tgelbem Grunde &#x017F;chwarz in die Quere gebändert, die<lb/>
des Nackens ro&#x017F;tfarbig, die der Unter&#x017F;eite &#x017F;chmuzig- oder gilblichweiß, die Steuerfedern &#x017F;chön ro&#x017F;troth,<lb/>
weiß an der Spitze und vor ihr durch ein &#x017F;chwarzes Band geziert, die äußeren fa&#x017F;t ganz weiß, die<lb/>
Schwingen dunkelgraubraun, an der &#x017F;chmalen Außenfahne und am Ende &#x017F;chwarzbraun, ihre Schäfte<lb/>
gelblichweiß, die Unterarmfedern &#x017F;chwarz, weiß an der Wurzel, die letzten fa&#x017F;t reinweiß. Der Bart<lb/>
be&#x017F;teht aus etwa dreißig langen, zarten, &#x017F;chmalen, zer&#x017F;chli&#x017F;&#x017F;enen, grauweißen Federn. Das Auge i&#x017F;t<lb/>
tiefbraun, der Schnabel &#x017F;chwärzlich, der Fuß grau.</p><lb/>
          <p>Das Weibchen unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich haupt&#x017F;ächlich durch die geringe Größe, aber auch durch ein<lb/>
minder lebhaftes Gefieder und das Fehlen des Bartes. Seine Länge beträgt höch&#x017F;tens 2¾, &#x017F;eine<lb/>
Breite 6 Fuß.</p><lb/>
          <p>Von Süd&#x017F;chweden und dem mittleren Rußland an findet man den Trappen in ganz Europa und<lb/>
eben&#x017F;o in einem großen Theile A&#x017F;iens, aber nur einzeln und wohl blos während des Winters<lb/>
in Nordwe&#x017F;tafrika. Jn Großbritannien i&#x017F;t er bereits ausgerottet, in Deut&#x017F;chland ziemlich, in<lb/>
Frankreich &#x017F;ehr &#x017F;elten geworden, in Spanien kaum häufiger zu finden; in Ungarn, der ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Steppe und in ganz Mittela&#x017F;ien dagegen tritt er außerordentlich häufig auf. Gelegentlich &#x017F;einer<lb/>
Streifereien, welche man eher ein Streichen als einen Zug nennen kann, berührt er nicht nur die<lb/>
&#x017F;üdlichen Länder, &#x017F;ondern auch &#x017F;olche, in denen man ihn &#x017F;on&#x017F;t nicht bemerkt, z. B. Holland und die<lb/>
Schweiz; immer aber wählt er &#x017F;ich weite Ebenen zu &#x017F;einem Aufenthaltsorte aus. Sach&#x017F;en und<lb/>
Anhalt, Brandenburg und Schle&#x017F;ien, das ebene Thüringen und einzelne Gegenden Baierns &#x017F;ind die-<lb/>
jenigen Striche Deut&#x017F;chlands, welche ihm Herberge geben. Hier trifft man zuweilen noch Flüge an,<lb/>
welche über hundert Stücke zählen; aber &#x017F;ie kommen gar nicht im Vergleich mit den Scharen, welche<lb/>
die ungari&#x017F;che Pu&#x017F;ta und die ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Steppe beleben. Es bevorzugt der Großtrappe übrigens unter<lb/>
allen Um&#x017F;tänden Gegenden, in denen Getreidebau getrieben wird: <hi rendition="#g">Radde</hi> fand ihn gerade in den-<lb/>
jenigen Theilen, welche das Hoch&#x017F;teppengepräge Mittela&#x017F;iens am deutlich&#x017F;ten zeigen, viel &#x017F;eltener als<lb/>
in der Udinski&#x2019;&#x017F;chen und Bargu&#x017F;in&#x2019;&#x017F;chen Steppe und im Selengathale, obgleich hier die Gegend<lb/>
hügelig oder bergig i&#x017F;t; aber freilich wird dort wie hier viel Getreide gebaut. Jn Griechenland<lb/>
&#x017F;oll er in allen Ebenen Standvogel &#x017F;ein; in Spanien belebt er die weiten, fruchtbaren Ebenen beider<lb/>
Ka&#x017F;tilien, der Mancha, E&#x017F;tremaduras und Niederandalu&#x017F;iens; auf den Jn&#x017F;eln des Mittelmeeres<lb/>
kommt er immer nur einzeln vor.</p><lb/>
          <p>Ein eigentlicher Standvogel i&#x017F;t der Großtrappe eben&#x017F;owenig wie andere Arten &#x017F;einer Familie. Bei<lb/>
uns zu Lande wech&#x017F;elt er zwar &#x017F;einen Aufenthaltsort nicht regelmäßig; aber er bewohnt auch in<lb/>
Deut&#x017F;chland ein &#x017F;o großes Gebiet, daß er minde&#x017F;tens be&#x017F;tändig meilenweite Entfernungen durchfliegt.<lb/>
Anders i&#x017F;t es in Rußland und in Mittela&#x017F;ien. Hier er&#x017F;cheint er zu einer gewi&#x017F;&#x017F;en Zeit im Frühjahre,<lb/>
in Daurien, nach <hi rendition="#g">Radde,</hi> Anfangs März, und verweilt blos bis zum Augu&#x017F;t an dem Orte, an<lb/>
welchem er &#x017F;ich fortpflanzt, tritt al&#x017F;o eine, wenn auch be&#x017F;chränkte Wanderung an. <hi rendition="#g">Antinori</hi><lb/>
erwähnt, daß im Jahre 1858 zu Burgas bei Varna eine Menge Trappen mit Stöcken todtge&#x017F;chlagen<lb/>
wurden; andere For&#x017F;cher, welche in den Mittelmeerländern beobachteten, wi&#x017F;&#x017F;en von einem ähnlichen<lb/>
Auftreten größerer Trappen&#x017F;chwärme zu berichten. Dagegen erfährt man nun auch wiederum aller-<lb/>
orten, wo Trappen brüten, daß &#x017F;ie während des Winters ihren &#x017F;ommerlichen Wohnkreis nicht ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[560/0596] Die Läufer. Stelzvögel. Trappen. Der Großtrappe oder die Trappgans (Otis tarda), welchen man wohl auch „euro- päiſchen Strauß“ zu nennen beliebt hat, wurde neuerdings zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben, als deren wichtigſtes Merkmal der aus langen, mit ſchmalen Fahnen beſetzten Federn beſtehende Kinnbart des Männchens angeſehen werden muß, da dieſer andern Arten der Familie fehlt. Jn allem übrigen entſpricht unſer Vogel dem allgemeinen Gepräge der Familie. Der männliche Großtrappe iſt ein ſtattliches Geſchöpf, ebenſowohl was den Leibesumfang als was die Haltung anlangt. Seine Länge ſchwankt zwiſchen 3¼ bis 3½ Fuß, die Breite zwiſchen 7½ bis 8 Fuß; die Fittiglänge beträgt 2¼ Fuß, die Länge des Schwanzes 11 Zoll, das Gewicht kann 30 und einige Pfund erreichen. Der Kopf, die Oberbruſt und ein Theil des Oberflügels ſind hellaſchgrau, die Federn des Rückens auf roſtgelbem Grunde ſchwarz in die Quere gebändert, die des Nackens roſtfarbig, die der Unterſeite ſchmuzig- oder gilblichweiß, die Steuerfedern ſchön roſtroth, weiß an der Spitze und vor ihr durch ein ſchwarzes Band geziert, die äußeren faſt ganz weiß, die Schwingen dunkelgraubraun, an der ſchmalen Außenfahne und am Ende ſchwarzbraun, ihre Schäfte gelblichweiß, die Unterarmfedern ſchwarz, weiß an der Wurzel, die letzten faſt reinweiß. Der Bart beſteht aus etwa dreißig langen, zarten, ſchmalen, zerſchliſſenen, grauweißen Federn. Das Auge iſt tiefbraun, der Schnabel ſchwärzlich, der Fuß grau. Das Weibchen unterſcheidet ſich hauptſächlich durch die geringe Größe, aber auch durch ein minder lebhaftes Gefieder und das Fehlen des Bartes. Seine Länge beträgt höchſtens 2¾, ſeine Breite 6 Fuß. Von Südſchweden und dem mittleren Rußland an findet man den Trappen in ganz Europa und ebenſo in einem großen Theile Aſiens, aber nur einzeln und wohl blos während des Winters in Nordweſtafrika. Jn Großbritannien iſt er bereits ausgerottet, in Deutſchland ziemlich, in Frankreich ſehr ſelten geworden, in Spanien kaum häufiger zu finden; in Ungarn, der ruſſiſchen Steppe und in ganz Mittelaſien dagegen tritt er außerordentlich häufig auf. Gelegentlich ſeiner Streifereien, welche man eher ein Streichen als einen Zug nennen kann, berührt er nicht nur die ſüdlichen Länder, ſondern auch ſolche, in denen man ihn ſonſt nicht bemerkt, z. B. Holland und die Schweiz; immer aber wählt er ſich weite Ebenen zu ſeinem Aufenthaltsorte aus. Sachſen und Anhalt, Brandenburg und Schleſien, das ebene Thüringen und einzelne Gegenden Baierns ſind die- jenigen Striche Deutſchlands, welche ihm Herberge geben. Hier trifft man zuweilen noch Flüge an, welche über hundert Stücke zählen; aber ſie kommen gar nicht im Vergleich mit den Scharen, welche die ungariſche Puſta und die ruſſiſche Steppe beleben. Es bevorzugt der Großtrappe übrigens unter allen Umſtänden Gegenden, in denen Getreidebau getrieben wird: Radde fand ihn gerade in den- jenigen Theilen, welche das Hochſteppengepräge Mittelaſiens am deutlichſten zeigen, viel ſeltener als in der Udinski’ſchen und Barguſin’ſchen Steppe und im Selengathale, obgleich hier die Gegend hügelig oder bergig iſt; aber freilich wird dort wie hier viel Getreide gebaut. Jn Griechenland ſoll er in allen Ebenen Standvogel ſein; in Spanien belebt er die weiten, fruchtbaren Ebenen beider Kaſtilien, der Mancha, Eſtremaduras und Niederandaluſiens; auf den Jnſeln des Mittelmeeres kommt er immer nur einzeln vor. Ein eigentlicher Standvogel iſt der Großtrappe ebenſowenig wie andere Arten ſeiner Familie. Bei uns zu Lande wechſelt er zwar ſeinen Aufenthaltsort nicht regelmäßig; aber er bewohnt auch in Deutſchland ein ſo großes Gebiet, daß er mindeſtens beſtändig meilenweite Entfernungen durchfliegt. Anders iſt es in Rußland und in Mittelaſien. Hier erſcheint er zu einer gewiſſen Zeit im Frühjahre, in Daurien, nach Radde, Anfangs März, und verweilt blos bis zum Auguſt an dem Orte, an welchem er ſich fortpflanzt, tritt alſo eine, wenn auch beſchränkte Wanderung an. Antinori erwähnt, daß im Jahre 1858 zu Burgas bei Varna eine Menge Trappen mit Stöcken todtgeſchlagen wurden; andere Forſcher, welche in den Mittelmeerländern beobachteten, wiſſen von einem ähnlichen Auftreten größerer Trappenſchwärme zu berichten. Dagegen erfährt man nun auch wiederum aller- orten, wo Trappen brüten, daß ſie während des Winters ihren ſommerlichen Wohnkreis nicht ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/596
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/596>, abgerufen am 01.05.2024.