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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Schwalben- und Flugfisch. Allgemeines über die Edelfische.
Beschuppung und Färbung zeichnen sich zwar nicht durch besonders auffallende Gestaltung und Pracht,
aber doch durch Zierlichkeit und Gefälligkeit aus.

An Reichhaltigkeit der Formen steht diese Ordnung der reichsten von allen, jener der Stachel-
flosser wenig nach; an Viehlzahl der Arten hingegen kommt sie, nach dem gegenwärtigen Stande
unserer Kenntniß wenigstens, der genannten Abtheilung nicht gleich; doch darf man wohl annehmen,
daß gerade sie durch zukünftige Entdeckungen wesentlich bereichert werden wird. Die Edelfische
gehören, wenn auch nicht gänzlich, so doch fast ausschließlich den süßen Gewässern an und bevölkern
die Binnenseen, Teiche, Bäche und Ströme aller Erdtheile und Länder. Nun kennt man nicht einmal
die europäischen Arten hinlänglich, geschweige denn diejenigen, welche in den großen Strömen oder
Süßgewässern überhaupt der übrigen Erdtheile herbergen; es ist also sehr erklärlich, daß unsere
Kenntniß gerade hinsichtlich dieser Fische in jedem Jahre wesentlich bereichert wird, daß jeder Reisende,
welcher irgend einen der großen, fremdländischen Ströme genauer durchfischt, neue Arten entdeckt.
So haben, um ein Beispiel anzuführen, die neuerlichen Forschungen des berühmten Agassiz über
den Fischreichthum des Amazonenstromes erst Licht verbreitet; denn diesem einen Fischkundigen und
seinen Gehilfen gelang es, falls die amerikanischen Berichte nicht gelogen, in dem Riesenstrome gegen
zwölfhundert Fischarten zu erbeuten, von denen der größte Theil noch gänzlich unbekannt gewesen sein
soll und sicherlich zu unserer Ordnung zählen wird.

Eine allgemeine Schilderung der Lebensweise, Sitten und Gewohnheiten, der Nahrung und
Fortpflanzung der Edelfische glaube ich übergehen zu können, weil ich hierüber Dasselbe sagen müßte,
was man bezüglich der ganzen Klasse überhaupt sagen kann. Jnnerhalb dieser Ordnung machen sich
bei verschiedenen Gliedern so ziemlich alle Eigenthümlichkeiten der Fische bemerklich. Es gibt Edel-
fische, welche streng an das Wasser gebunden sind und andere, denen längeres Verweilen auf festem
Lande durchaus nicht schadet, solche, welche weite Reisen zu Wasser, und andere, welche Wanderungen
über Land ausführen; die Ordnung zählt kühne Räuber und harmlose Gewürm- und Pflanzenfresser,
Arten, welche sich durch außerordentliche Fruchtbarkeit auszeichnen und andere, deren Vermehrungs-
fähigkeit verhältnißmäßig gering ist, solche, welche Eier legen und solche, welche lebende Junge zur
Welt bringen; wir entnehmen ihr unsere köstlichsten Tafelfische und verschmähen das Fleisch gewisser
Mitglieder gänzlich.

Für die Binnenländer sind die Edelfische bedeutsamer als alle übrigen Klassenverwandten, und
es ist mindestens bemerkenswerth, daß der wichtigste aller Seefische, der Hering, zu ihnen zählt. Jhre
Bedeutung würde noch viel größer sein, wollte man sich endlich dazu verstehen, den bisher rücksichtslos
verfolgten Fischen rechtzeitigen Schutz zu gewähren und in entsprechender Weise, unter Anderem
durch künstliche Fischzucht, für Vermehrung der so wichtigen Thiere zu sorgen. Auf sie insbesondere
gründet sich die gerechte Klage von dem Abnehmen der Fische, und sie sind es, bei welchen am Ersten
noch Abhilfe möglich. Die Zeit wird kommen, in welcher jeder Bauer begreift, daß es zur
Bevölkerung unserer Flüsse ebenso nothwendig der menschlichen Nachhilfe bedarf, als zur Erzielung
einer Schafherde oder eines Geflügelstammes, daß die Vorsehung, auf welche sich der Denk- und
Arbeitsfaule so oft beruft und verläßt, in diesem Falle gewiß Nichts thun wird, sondern der ver-
nünftige Mensch seine eigene Kraft anwenden muß, um der drohenden, ja bereits eingetretenen
Verarmung zu steuern.



Dieselben Beweggründe, welche die Vogelkundigen veranlaßt haben mögen, mit den größten
Raubvögeln, den plumpen und stumpfgeistigen Geiern, die Klasse der Vögel überhaupt zu eröffnen,
mögen bei den Fischkundigen, welche unter den Edelfischen die Welse (Siluri) obenan stellen, maß-
gebend gewesen sein. Als die ausgezeichnetsten oder edelsten Mitglieder der Ordnung haben wir diese
Fische gewiß nicht anzusehen, sondern höchstens als die größten und plumpesten. Ein massiger,

Schwalben- und Flugfiſch. Allgemeines über die Edelfiſche.
Beſchuppung und Färbung zeichnen ſich zwar nicht durch beſonders auffallende Geſtaltung und Pracht,
aber doch durch Zierlichkeit und Gefälligkeit aus.

An Reichhaltigkeit der Formen ſteht dieſe Ordnung der reichſten von allen, jener der Stachel-
floſſer wenig nach; an Viehlzahl der Arten hingegen kommt ſie, nach dem gegenwärtigen Stande
unſerer Kenntniß wenigſtens, der genannten Abtheilung nicht gleich; doch darf man wohl annehmen,
daß gerade ſie durch zukünftige Entdeckungen weſentlich bereichert werden wird. Die Edelfiſche
gehören, wenn auch nicht gänzlich, ſo doch faſt ausſchließlich den ſüßen Gewäſſern an und bevölkern
die Binnenſeen, Teiche, Bäche und Ströme aller Erdtheile und Länder. Nun kennt man nicht einmal
die europäiſchen Arten hinlänglich, geſchweige denn diejenigen, welche in den großen Strömen oder
Süßgewäſſern überhaupt der übrigen Erdtheile herbergen; es iſt alſo ſehr erklärlich, daß unſere
Kenntniß gerade hinſichtlich dieſer Fiſche in jedem Jahre weſentlich bereichert wird, daß jeder Reiſende,
welcher irgend einen der großen, fremdländiſchen Ströme genauer durchfiſcht, neue Arten entdeckt.
So haben, um ein Beiſpiel anzuführen, die neuerlichen Forſchungen des berühmten Agaſſiz über
den Fiſchreichthum des Amazonenſtromes erſt Licht verbreitet; denn dieſem einen Fiſchkundigen und
ſeinen Gehilfen gelang es, falls die amerikaniſchen Berichte nicht gelogen, in dem Rieſenſtrome gegen
zwölfhundert Fiſcharten zu erbeuten, von denen der größte Theil noch gänzlich unbekannt geweſen ſein
ſoll und ſicherlich zu unſerer Ordnung zählen wird.

Eine allgemeine Schilderung der Lebensweiſe, Sitten und Gewohnheiten, der Nahrung und
Fortpflanzung der Edelfiſche glaube ich übergehen zu können, weil ich hierüber Daſſelbe ſagen müßte,
was man bezüglich der ganzen Klaſſe überhaupt ſagen kann. Jnnerhalb dieſer Ordnung machen ſich
bei verſchiedenen Gliedern ſo ziemlich alle Eigenthümlichkeiten der Fiſche bemerklich. Es gibt Edel-
fiſche, welche ſtreng an das Waſſer gebunden ſind und andere, denen längeres Verweilen auf feſtem
Lande durchaus nicht ſchadet, ſolche, welche weite Reiſen zu Waſſer, und andere, welche Wanderungen
über Land ausführen; die Ordnung zählt kühne Räuber und harmloſe Gewürm- und Pflanzenfreſſer,
Arten, welche ſich durch außerordentliche Fruchtbarkeit auszeichnen und andere, deren Vermehrungs-
fähigkeit verhältnißmäßig gering iſt, ſolche, welche Eier legen und ſolche, welche lebende Junge zur
Welt bringen; wir entnehmen ihr unſere köſtlichſten Tafelfiſche und verſchmähen das Fleiſch gewiſſer
Mitglieder gänzlich.

Für die Binnenländer ſind die Edelfiſche bedeutſamer als alle übrigen Klaſſenverwandten, und
es iſt mindeſtens bemerkenswerth, daß der wichtigſte aller Seefiſche, der Hering, zu ihnen zählt. Jhre
Bedeutung würde noch viel größer ſein, wollte man ſich endlich dazu verſtehen, den bisher rückſichtslos
verfolgten Fiſchen rechtzeitigen Schutz zu gewähren und in entſprechender Weiſe, unter Anderem
durch künſtliche Fiſchzucht, für Vermehrung der ſo wichtigen Thiere zu ſorgen. Auf ſie insbeſondere
gründet ſich die gerechte Klage von dem Abnehmen der Fiſche, und ſie ſind es, bei welchen am Erſten
noch Abhilfe möglich. Die Zeit wird kommen, in welcher jeder Bauer begreift, daß es zur
Bevölkerung unſerer Flüſſe ebenſo nothwendig der menſchlichen Nachhilfe bedarf, als zur Erzielung
einer Schafherde oder eines Geflügelſtammes, daß die Vorſehung, auf welche ſich der Denk- und
Arbeitsfaule ſo oft beruft und verläßt, in dieſem Falle gewiß Nichts thun wird, ſondern der ver-
nünftige Menſch ſeine eigene Kraft anwenden muß, um der drohenden, ja bereits eingetretenen
Verarmung zu ſteuern.



Dieſelben Beweggründe, welche die Vogelkundigen veranlaßt haben mögen, mit den größten
Raubvögeln, den plumpen und ſtumpfgeiſtigen Geiern, die Klaſſe der Vögel überhaupt zu eröffnen,
mögen bei den Fiſchkundigen, welche unter den Edelfiſchen die Welſe (Siluri) obenan ſtellen, maß-
gebend geweſen ſein. Als die ausgezeichnetſten oder edelſten Mitglieder der Ordnung haben wir dieſe
Fiſche gewiß nicht anzuſehen, ſondern höchſtens als die größten und plumpeſten. Ein maſſiger,

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[629/0667] Schwalben- und Flugfiſch. Allgemeines über die Edelfiſche. Beſchuppung und Färbung zeichnen ſich zwar nicht durch beſonders auffallende Geſtaltung und Pracht, aber doch durch Zierlichkeit und Gefälligkeit aus. An Reichhaltigkeit der Formen ſteht dieſe Ordnung der reichſten von allen, jener der Stachel- floſſer wenig nach; an Viehlzahl der Arten hingegen kommt ſie, nach dem gegenwärtigen Stande unſerer Kenntniß wenigſtens, der genannten Abtheilung nicht gleich; doch darf man wohl annehmen, daß gerade ſie durch zukünftige Entdeckungen weſentlich bereichert werden wird. Die Edelfiſche gehören, wenn auch nicht gänzlich, ſo doch faſt ausſchließlich den ſüßen Gewäſſern an und bevölkern die Binnenſeen, Teiche, Bäche und Ströme aller Erdtheile und Länder. Nun kennt man nicht einmal die europäiſchen Arten hinlänglich, geſchweige denn diejenigen, welche in den großen Strömen oder Süßgewäſſern überhaupt der übrigen Erdtheile herbergen; es iſt alſo ſehr erklärlich, daß unſere Kenntniß gerade hinſichtlich dieſer Fiſche in jedem Jahre weſentlich bereichert wird, daß jeder Reiſende, welcher irgend einen der großen, fremdländiſchen Ströme genauer durchfiſcht, neue Arten entdeckt. So haben, um ein Beiſpiel anzuführen, die neuerlichen Forſchungen des berühmten Agaſſiz über den Fiſchreichthum des Amazonenſtromes erſt Licht verbreitet; denn dieſem einen Fiſchkundigen und ſeinen Gehilfen gelang es, falls die amerikaniſchen Berichte nicht gelogen, in dem Rieſenſtrome gegen zwölfhundert Fiſcharten zu erbeuten, von denen der größte Theil noch gänzlich unbekannt geweſen ſein ſoll und ſicherlich zu unſerer Ordnung zählen wird. Eine allgemeine Schilderung der Lebensweiſe, Sitten und Gewohnheiten, der Nahrung und Fortpflanzung der Edelfiſche glaube ich übergehen zu können, weil ich hierüber Daſſelbe ſagen müßte, was man bezüglich der ganzen Klaſſe überhaupt ſagen kann. Jnnerhalb dieſer Ordnung machen ſich bei verſchiedenen Gliedern ſo ziemlich alle Eigenthümlichkeiten der Fiſche bemerklich. Es gibt Edel- fiſche, welche ſtreng an das Waſſer gebunden ſind und andere, denen längeres Verweilen auf feſtem Lande durchaus nicht ſchadet, ſolche, welche weite Reiſen zu Waſſer, und andere, welche Wanderungen über Land ausführen; die Ordnung zählt kühne Räuber und harmloſe Gewürm- und Pflanzenfreſſer, Arten, welche ſich durch außerordentliche Fruchtbarkeit auszeichnen und andere, deren Vermehrungs- fähigkeit verhältnißmäßig gering iſt, ſolche, welche Eier legen und ſolche, welche lebende Junge zur Welt bringen; wir entnehmen ihr unſere köſtlichſten Tafelfiſche und verſchmähen das Fleiſch gewiſſer Mitglieder gänzlich. Für die Binnenländer ſind die Edelfiſche bedeutſamer als alle übrigen Klaſſenverwandten, und es iſt mindeſtens bemerkenswerth, daß der wichtigſte aller Seefiſche, der Hering, zu ihnen zählt. Jhre Bedeutung würde noch viel größer ſein, wollte man ſich endlich dazu verſtehen, den bisher rückſichtslos verfolgten Fiſchen rechtzeitigen Schutz zu gewähren und in entſprechender Weiſe, unter Anderem durch künſtliche Fiſchzucht, für Vermehrung der ſo wichtigen Thiere zu ſorgen. Auf ſie insbeſondere gründet ſich die gerechte Klage von dem Abnehmen der Fiſche, und ſie ſind es, bei welchen am Erſten noch Abhilfe möglich. Die Zeit wird kommen, in welcher jeder Bauer begreift, daß es zur Bevölkerung unſerer Flüſſe ebenſo nothwendig der menſchlichen Nachhilfe bedarf, als zur Erzielung einer Schafherde oder eines Geflügelſtammes, daß die Vorſehung, auf welche ſich der Denk- und Arbeitsfaule ſo oft beruft und verläßt, in dieſem Falle gewiß Nichts thun wird, ſondern der ver- nünftige Menſch ſeine eigene Kraft anwenden muß, um der drohenden, ja bereits eingetretenen Verarmung zu ſteuern. Dieſelben Beweggründe, welche die Vogelkundigen veranlaßt haben mögen, mit den größten Raubvögeln, den plumpen und ſtumpfgeiſtigen Geiern, die Klaſſe der Vögel überhaupt zu eröffnen, mögen bei den Fiſchkundigen, welche unter den Edelfiſchen die Welſe (Siluri) obenan ſtellen, maß- gebend geweſen ſein. Als die ausgezeichnetſten oder edelſten Mitglieder der Ordnung haben wir dieſe Fiſche gewiß nicht anzuſehen, ſondern höchſtens als die größten und plumpeſten. Ein maſſiger,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/667>, abgerufen am 27.04.2024.