Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Knospe.
Jch brach ein noch nicht ganz geöffnet Knöspchen ab,
Das mir, als ich es recht beschau'te,
Von GOttes weiser Macht solch' eine Probe gab,
Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau'te.
Jch ward daran so mancher Haut gewahr,
Die jede wie ein eigen Kleid,
Ja wie ein Pelz, der Blühte Zärtlichkeit
Für Frost und andere Gefahr
Recht Wunder-würdig schützt' und deckte.
Die Zahl derselbigen, so sich auf neun erstreckte,
Wovon, so bald die Blüht zu ihrem Ausbruch eilet,
Sich jede wieder dreyfach teilet,
Doch allezeit an solchem Orte,
Woselbst der Oeffnung kleine Pforte
Ein' and're Haut, so alda ganz, entspriesst,
O Wunder! immer wieder schliesst;
Bewog mich, auf das neu, das albern' Ungefehr
Der Atheisten zu verlachen,
Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu
machen:
Ein Etwas, das vom Sinn' und allem Denken leer,
Das folglich blind und tumm, kann nicht mit Wahrheits-
Schein
Für eine Sache Sorge tragen,
Und klüger, als die Klugheit, seyn.

Hier
Die Knoſpe.
Jch brach ein noch nicht ganz geoͤffnet Knoͤſpchen ab,
Das mir, als ich es recht beſchau’te,
Von GOttes weiſer Macht ſolch’ eine Probe gab,
Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau’te.
Jch ward daran ſo mancher Haut gewahr,
Die jede wie ein eigen Kleid,
Ja wie ein Pelz, der Bluͤhte Zaͤrtlichkeit
Fuͤr Froſt und andere Gefahr
Recht Wunder-wuͤrdig ſchuͤtzt’ und deckte.
Die Zahl derſelbigen, ſo ſich auf neun erſtreckte,
Wovon, ſo bald die Bluͤht zu ihrem Ausbruch eilet,
Sich jede wieder dreyfach teilet,
Doch allezeit an ſolchem Orte,
Woſelbſt der Oeffnung kleine Pforte
Ein’ and’re Haut, ſo alda ganz, entſprieſſt,
O Wunder! immer wieder ſchlieſſt;
Bewog mich, auf das neu, das albern’ Ungefehr
Der Atheiſten zu verlachen,
Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu
machen:
Ein Etwas, das vom Sinn’ und allem Denken leer,
Das folglich blind und tumm, kann nicht mit Wahrheits-
Schein
Fuͤr eine Sache Sorge tragen,
Und kluͤger, als die Klugheit, ſeyn.

Hier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0084" n="48"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Kno&#x017F;pe.</hi> </head><lb/>
          <lg n="12">
            <l><hi rendition="#in">J</hi>ch brach ein noch nicht ganz geo&#x0364;ffnet Kno&#x0364;&#x017F;pchen ab,</l><lb/>
            <l>Das mir, als ich es recht be&#x017F;chau&#x2019;te,</l><lb/>
            <l>Von GOttes wei&#x017F;er Macht &#x017F;olch&#x2019; eine Probe gab,</l><lb/>
            <l>Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau&#x2019;te.</l><lb/>
            <l>Jch ward daran &#x017F;o mancher Haut gewahr,</l><lb/>
            <l>Die jede wie ein eigen Kleid,</l><lb/>
            <l>Ja wie ein Pelz, der Blu&#x0364;hte Za&#x0364;rtlichkeit</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r Fro&#x017F;t und andere Gefahr</l><lb/>
            <l>Recht Wunder-wu&#x0364;rdig &#x017F;chu&#x0364;tzt&#x2019; und deckte.</l><lb/>
            <l>Die Zahl der&#x017F;elbigen, &#x017F;o &#x017F;ich auf neun er&#x017F;treckte,</l><lb/>
            <l>Wovon, &#x017F;o bald die Blu&#x0364;ht zu ihrem Ausbruch eilet,</l><lb/>
            <l>Sich jede wieder dreyfach teilet,</l><lb/>
            <l>Doch allezeit an &#x017F;olchem Orte,</l><lb/>
            <l>Wo&#x017F;elb&#x017F;t der Oeffnung kleine Pforte</l><lb/>
            <l>Ein&#x2019; and&#x2019;re Haut, &#x017F;o alda ganz, ent&#x017F;prie&#x017F;&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>O Wunder! immer wieder &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>Bewog mich, auf das neu, das albern&#x2019; Ungefehr</l><lb/>
            <l>Der Athei&#x017F;ten zu verlachen,</l><lb/>
            <l>Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">machen:</hi> </l><lb/>
            <l>Ein Etwas, das vom Sinn&#x2019; und allem Denken leer,</l><lb/>
            <l>Das folglich blind und tumm, kann nicht mit Wahrheits-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Schein</hi> </l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r eine Sache Sorge tragen,</l><lb/>
            <l>Und klu&#x0364;ger, als die Klugheit, &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0084] Die Knoſpe. Jch brach ein noch nicht ganz geoͤffnet Knoͤſpchen ab, Das mir, als ich es recht beſchau’te, Von GOttes weiſer Macht ſolch’ eine Probe gab, Daß ich zu Seinem Ruhm mich recht dadurch erbau’te. Jch ward daran ſo mancher Haut gewahr, Die jede wie ein eigen Kleid, Ja wie ein Pelz, der Bluͤhte Zaͤrtlichkeit Fuͤr Froſt und andere Gefahr Recht Wunder-wuͤrdig ſchuͤtzt’ und deckte. Die Zahl derſelbigen, ſo ſich auf neun erſtreckte, Wovon, ſo bald die Bluͤht zu ihrem Ausbruch eilet, Sich jede wieder dreyfach teilet, Doch allezeit an ſolchem Orte, Woſelbſt der Oeffnung kleine Pforte Ein’ and’re Haut, ſo alda ganz, entſprieſſt, O Wunder! immer wieder ſchlieſſt; Bewog mich, auf das neu, das albern’ Ungefehr Der Atheiſten zu verlachen, Und zwang mich, Freuden-voll den wahren Schluß zu machen: Ein Etwas, das vom Sinn’ und allem Denken leer, Das folglich blind und tumm, kann nicht mit Wahrheits- Schein Fuͤr eine Sache Sorge tragen, Und kluͤger, als die Klugheit, ſeyn. Hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/84
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/84>, abgerufen am 19.03.2024.