Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Die lehrende Mah-Bluhme.
Die lehrende Mah-Bluhme.
Wo ich gestern tausend Bluhmen von dem allerschön-
sten Mah

Jn den reinsten Farben blühen,
Ja im bunten Feuer glühen,
Gläntzen, prangen, funckeln sah;
Eben da
Seh ich nichts als ihre Köpfe,
Von der bunten Pracht beraubt,
Von den Blättern gantz entlaubt,
Als so viele Todten-Töpfe.
Fast durch nichts wird auf der Welt
Aller Dinge dieser Zeit
Flüchtige Beschaffenheit
So natürlich vorgestellt.
Aber in dem flüchtgen Wesen
Kann man, daß sie doch bestehn,
Und nicht, wie es scheint, vergehn,
Eben an den Knöpfen lesen.
Da sie, recht als Samen-Töpfe,
Einen Geist in sich enthalten,
Der sie nimmer lässt veralten,
Nicht verkommen, nicht verderben,
Nicht vernichtigt seyn, nicht sterben:
Son-
H 4
Die lehrende Mah-Bluhme.
Die lehrende Mah-Bluhme.
Wo ich geſtern tauſend Bluhmen von dem allerſchoͤn-
ſten Mah

Jn den reinſten Farben bluͤhen,
Ja im bunten Feuer gluͤhen,
Glaͤntzen, prangen, funckeln ſah;
Eben da
Seh ich nichts als ihre Koͤpfe,
Von der bunten Pracht beraubt,
Von den Blaͤttern gantz entlaubt,
Als ſo viele Todten-Toͤpfe.
Faſt durch nichts wird auf der Welt
Aller Dinge dieſer Zeit
Fluͤchtige Beſchaffenheit
So natuͤrlich vorgeſtellt.
Aber in dem fluͤchtgen Weſen
Kann man, daß ſie doch beſtehn,
Und nicht, wie es ſcheint, vergehn,
Eben an den Knoͤpfen leſen.
Da ſie, recht als Samen-Toͤpfe,
Einen Geiſt in ſich enthalten,
Der ſie nimmer laͤſſt veralten,
Nicht verkommen, nicht verderben,
Nicht vernichtigt ſeyn, nicht ſterben:
Son-
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0151" n="119"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die lehrende Mah-Bluhme.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Die lehrende Mah-Bluhme.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>o ich ge&#x017F;tern tau&#x017F;end Bluhmen von dem aller&#x017F;cho&#x0364;n-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ten Mah</hi></l><lb/>
              <l>Jn den rein&#x017F;ten Farben blu&#x0364;hen,</l><lb/>
              <l>Ja im bunten Feuer glu&#x0364;hen,</l><lb/>
              <l>Gla&#x0364;ntzen, prangen, funckeln &#x017F;ah;</l><lb/>
              <l>Eben da</l><lb/>
              <l>Seh ich nichts als ihre Ko&#x0364;pfe,</l><lb/>
              <l>Von der bunten Pracht beraubt,</l><lb/>
              <l>Von den Bla&#x0364;ttern gantz entlaubt,</l><lb/>
              <l>Als &#x017F;o viele Todten-To&#x0364;pfe.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Fa&#x017F;t durch nichts wird auf der Welt</l><lb/>
              <l>Aller Dinge die&#x017F;er Zeit</l><lb/>
              <l>Flu&#x0364;chtige Be&#x017F;chaffenheit</l><lb/>
              <l>So natu&#x0364;rlich vorge&#x017F;tellt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Aber in dem flu&#x0364;chtgen We&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Kann man, daß &#x017F;ie doch be&#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Und nicht, wie es &#x017F;cheint, vergehn,</l><lb/>
              <l>Eben an den Kno&#x0364;pfen le&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;ie, recht als Samen-To&#x0364;pfe,</l><lb/>
              <l>Einen Gei&#x017F;t in &#x017F;ich enthalten,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ie nimmer la&#x0364;&#x017F;&#x017F;t veralten,</l><lb/>
              <l>Nicht verkommen, nicht verderben,</l><lb/>
              <l>Nicht vernichtigt &#x017F;eyn, nicht &#x017F;terben:<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Son-</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0151] Die lehrende Mah-Bluhme. Die lehrende Mah-Bluhme. Wo ich geſtern tauſend Bluhmen von dem allerſchoͤn- ſten Mah Jn den reinſten Farben bluͤhen, Ja im bunten Feuer gluͤhen, Glaͤntzen, prangen, funckeln ſah; Eben da Seh ich nichts als ihre Koͤpfe, Von der bunten Pracht beraubt, Von den Blaͤttern gantz entlaubt, Als ſo viele Todten-Toͤpfe. Faſt durch nichts wird auf der Welt Aller Dinge dieſer Zeit Fluͤchtige Beſchaffenheit So natuͤrlich vorgeſtellt. Aber in dem fluͤchtgen Weſen Kann man, daß ſie doch beſtehn, Und nicht, wie es ſcheint, vergehn, Eben an den Knoͤpfen leſen. Da ſie, recht als Samen-Toͤpfe, Einen Geiſt in ſich enthalten, Der ſie nimmer laͤſſt veralten, Nicht verkommen, nicht verderben, Nicht vernichtigt ſeyn, nicht ſterben: Son- H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/151
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/151>, abgerufen am 26.04.2024.