Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Noch andere Frühlings-Gedancken.
Noch andere Frühlings-Gedancken.
Der laue Strahl der wiederkehr'nden Sonne
Füllt die verdünnte Lufft mit neuer Lebens-Gluth,
Flösst rege Fruchtbarkeit in aller Thiere Blut,
Und, in der Menschen Geist, lang' ungespührte Wonne.
Viel tausend Knospen öffnen sich,
Bey diesem lauen Frühlings-Wetter.
Man sieht viel tausend junge Blätter
Aus ihrem Schooß fast sichtbarlich
Entstehen und gebohren werden.
Nicht minder brechen aus der Erden
Noch unlängst braun-, seit gestern, grüner Brust,
Zu noch sich mehrender Gemüths- und Augen-Luft,
Viel tausend bunte Frühlings-Kinder,
Jn dem beblühmten Klee. Nicht minder
Fängt auf begrünter Bäume Zweigen
Ein angenehmer Schatz sich an zu zeigen.
Wie Silber gläntzt die reine Blühte;
Jhr lieblicher Geruch labt Cörper und Gemüthe.
Und sie versprechen uns, daneben
Noch manch erfrischendes Gerichte,
Jn säurlich-süsser Frucht, zu geben.
Schau mit bedachtsamen und aufgewecktem Sinn,
O Mensch, ietzt allenthalben hin!
Schau tausend, tausend Lieblichkeiten!
Schau, in der Silber-klaren Fluth,
Auf einem gleichsam güldnen Sande,
Auf welchem sie, ohn' alle Ruhe, ruht,
Von einem Bluhmen-Klee- und Binsen-reichem Rande
Be-
C 3
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Der laue Strahl der wiederkehr’nden Sonne
Fuͤllt die verduͤnnte Lufft mit neuer Lebens-Gluth,
Floͤſſt rege Fruchtbarkeit in aller Thiere Blut,
Und, in der Menſchen Geiſt, lang’ ungeſpuͤhrte Wonne.
Viel tauſend Knoſpen oͤffnen ſich,
Bey dieſem lauen Fruͤhlings-Wetter.
Man ſieht viel tauſend junge Blaͤtter
Aus ihrem Schooß faſt ſichtbarlich
Entſtehen und gebohren werden.
Nicht minder brechen aus der Erden
Noch unlaͤngſt braun-, ſeit geſtern, gruͤner Bruſt,
Zu noch ſich mehrender Gemuͤths- und Augen-Luft,
Viel tauſend bunte Fruͤhlings-Kinder,
Jn dem bebluͤhmten Klee. Nicht minder
Faͤngt auf begruͤnter Baͤume Zweigen
Ein angenehmer Schatz ſich an zu zeigen.
Wie Silber glaͤntzt die reine Bluͤhte;
Jhr lieblicher Geruch labt Coͤrper und Gemuͤthe.
Und ſie verſprechen uns, daneben
Noch manch erfriſchendes Gerichte,
Jn ſaͤurlich-ſuͤſſer Frucht, zu geben.
Schau mit bedachtſamen und aufgewecktem Sinn,
O Menſch, ietzt allenthalben hin!
Schau tauſend, tauſend Lieblichkeiten!
Schau, in der Silber-klaren Fluth,
Auf einem gleichſam guͤldnen Sande,
Auf welchem ſie, ohn’ alle Ruhe, ruht,
Von einem Bluhmen-Klee- und Binſen-reichem Rande
Be-
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0069" n="37"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Noch andere Fru&#x0364;hlings-Gedancken.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Noch andere Fru&#x0364;hlings-Gedancken.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>er laue Strahl der wiederkehr&#x2019;nden Sonne</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;llt die verdu&#x0364;nnte Lufft mit neuer Lebens-Gluth,</l><lb/>
              <l>Flo&#x0364;&#x017F;&#x017F;t rege Fruchtbarkeit in aller Thiere Blut,</l><lb/>
              <l>Und, in der Men&#x017F;chen Gei&#x017F;t, lang&#x2019; unge&#x017F;pu&#x0364;hrte Wonne.</l><lb/>
              <l>Viel tau&#x017F;end Kno&#x017F;pen o&#x0364;ffnen &#x017F;ich,</l><lb/>
              <l>Bey die&#x017F;em lauen Fru&#x0364;hlings-Wetter.</l><lb/>
              <l>Man &#x017F;ieht viel tau&#x017F;end junge Bla&#x0364;tter</l><lb/>
              <l>Aus ihrem Schooß fa&#x017F;t &#x017F;ichtbarlich</l><lb/>
              <l>Ent&#x017F;tehen und gebohren werden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Nicht minder brechen aus der Erden</l><lb/>
              <l>Noch unla&#x0364;ng&#x017F;t braun-, &#x017F;eit ge&#x017F;tern, gru&#x0364;ner Bru&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Zu noch &#x017F;ich mehrender Gemu&#x0364;ths- und Augen-Luft,</l><lb/>
              <l>Viel tau&#x017F;end bunte Fru&#x0364;hlings-Kinder,</l><lb/>
              <l>Jn dem beblu&#x0364;hmten Klee. Nicht minder</l><lb/>
              <l>Fa&#x0364;ngt auf begru&#x0364;nter Ba&#x0364;ume Zweigen</l><lb/>
              <l>Ein angenehmer Schatz &#x017F;ich an zu zeigen.</l><lb/>
              <l>Wie Silber gla&#x0364;ntzt die reine Blu&#x0364;hte;</l><lb/>
              <l>Jhr lieblicher Geruch labt Co&#x0364;rper und Gemu&#x0364;the.</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie ver&#x017F;prechen uns, daneben</l><lb/>
              <l>Noch manch erfri&#x017F;chendes Gerichte,</l><lb/>
              <l>Jn &#x017F;a&#x0364;urlich-&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Frucht, zu geben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Schau mit bedacht&#x017F;amen und aufgewecktem Sinn,</l><lb/>
              <l>O Men&#x017F;ch, ietzt allenthalben hin!</l><lb/>
              <l>Schau tau&#x017F;end, tau&#x017F;end Lieblichkeiten!</l><lb/>
              <l>Schau, in der Silber-klaren Fluth,</l><lb/>
              <l>Auf einem gleich&#x017F;am gu&#x0364;ldnen Sande,</l><lb/>
              <l>Auf welchem &#x017F;ie, ohn&#x2019; alle Ruhe, ruht,</l><lb/>
              <l>Von einem Bluhmen-Klee- und Bin&#x017F;en-reichem Rande</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">C 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0069] Noch andere Fruͤhlings-Gedancken. Noch andere Fruͤhlings-Gedancken. Der laue Strahl der wiederkehr’nden Sonne Fuͤllt die verduͤnnte Lufft mit neuer Lebens-Gluth, Floͤſſt rege Fruchtbarkeit in aller Thiere Blut, Und, in der Menſchen Geiſt, lang’ ungeſpuͤhrte Wonne. Viel tauſend Knoſpen oͤffnen ſich, Bey dieſem lauen Fruͤhlings-Wetter. Man ſieht viel tauſend junge Blaͤtter Aus ihrem Schooß faſt ſichtbarlich Entſtehen und gebohren werden. Nicht minder brechen aus der Erden Noch unlaͤngſt braun-, ſeit geſtern, gruͤner Bruſt, Zu noch ſich mehrender Gemuͤths- und Augen-Luft, Viel tauſend bunte Fruͤhlings-Kinder, Jn dem bebluͤhmten Klee. Nicht minder Faͤngt auf begruͤnter Baͤume Zweigen Ein angenehmer Schatz ſich an zu zeigen. Wie Silber glaͤntzt die reine Bluͤhte; Jhr lieblicher Geruch labt Coͤrper und Gemuͤthe. Und ſie verſprechen uns, daneben Noch manch erfriſchendes Gerichte, Jn ſaͤurlich-ſuͤſſer Frucht, zu geben. Schau mit bedachtſamen und aufgewecktem Sinn, O Menſch, ietzt allenthalben hin! Schau tauſend, tauſend Lieblichkeiten! Schau, in der Silber-klaren Fluth, Auf einem gleichſam guͤldnen Sande, Auf welchem ſie, ohn’ alle Ruhe, ruht, Von einem Bluhmen-Klee- und Binſen-reichem Rande Be- C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/69
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/69>, abgerufen am 26.04.2024.