Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Das liebreiche Gesetz.
Das liebreiche Gesetz.
Uns hat, zu unserm Besten, Gott, der unsern Zustand wohl
erkannt,

Jm alten Testament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt,
Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erkläret wird,
Da man jedoch in der Erklärung ganz augenscheinlich sich
geirrt.
Man spricht vom donnernden Gesetz, als wenn uns selbiges
zur Last,

Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur
verfaßt,

Zum Schrecken nur gegeben wäre, da doch, wenn wir es über-
legen,

Und des Gesetzes wahren Endzweck, aus seiner Absicht, wohl er-
wegen

Wir, wie des Schöpfers Lieb und Huld, mit unsrer Liebe, sich
verbinden,

Jn der gebothnen Nächstenliebe, in jeglichem Gebothe finden.
Die andre Tafel des Gesetzes zeigt nichts, als wie die wil-
den Triebe

Der uns nur selbst verderblich-schädlich- und recht fatalen
Eigenliebe,

(Wann selbe nemlich ausgeschweift,) durch unsre Nächstenlieb
allein,

Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu zähmen seyn.
Man nehm ein jegliches Geboth, und seh, ob das, was es
verbietet,

Nicht bloß auf unsre Ruhe zielt, uns nicht beschützet und be-
hütet.
Daß
Das liebreiche Geſetz.
Das liebreiche Geſetz.
Uns hat, zu unſerm Beſten, Gott, der unſern Zuſtand wohl
erkannt,

Jm alten Teſtament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt,
Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erklaͤret wird,
Da man jedoch in der Erklaͤrung ganz augenſcheinlich ſich
geirrt.
Man ſpricht vom donnernden Geſetz, als wenn uns ſelbiges
zur Laſt,

Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur
verfaßt,

Zum Schrecken nur gegeben waͤre, da doch, wenn wir es uͤber-
legen,

Und des Geſetzes wahren Endzweck, aus ſeiner Abſicht, wohl er-
wegen

Wir, wie des Schoͤpfers Lieb und Huld, mit unſrer Liebe, ſich
verbinden,

Jn der gebothnen Naͤchſtenliebe, in jeglichem Gebothe finden.
Die andre Tafel des Geſetzes zeigt nichts, als wie die wil-
den Triebe

Der uns nur ſelbſt verderblich-ſchaͤdlich- und recht fatalen
Eigenliebe,

(Wann ſelbe nemlich ausgeſchweift,) durch unſre Naͤchſtenlieb
allein,

Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu zaͤhmen ſeyn.
Man nehm ein jegliches Geboth, und ſeh, ob das, was es
verbietet,

Nicht bloß auf unſre Ruhe zielt, uns nicht beſchuͤtzet und be-
huͤtet.
Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0638" n="614"/>
        <fw place="top" type="header">Das liebreiche Ge&#x017F;etz.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das liebreiche Ge&#x017F;etz.</hi> </head><lb/>
          <lg n="23">
            <l><hi rendition="#in">U</hi>ns hat, zu un&#x017F;erm Be&#x017F;ten, Gott, der un&#x017F;ern Zu&#x017F;tand wohl<lb/><hi rendition="#et">erkannt,</hi></l><lb/>
            <l>Jm alten Te&#x017F;tament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt,</l><lb/>
            <l>Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erkla&#x0364;ret wird,</l><lb/>
            <l>Da man jedoch in der Erkla&#x0364;rung ganz augen&#x017F;cheinlich &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">geirrt.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="24">
            <l>Man &#x017F;pricht vom donnernden Ge&#x017F;etz, als wenn uns &#x017F;elbiges<lb/><hi rendition="#et">zur La&#x017F;t,</hi></l><lb/>
            <l>Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur<lb/><hi rendition="#et">verfaßt,</hi></l><lb/>
            <l>Zum Schrecken nur gegeben wa&#x0364;re, da doch, wenn wir es u&#x0364;ber-<lb/><hi rendition="#et">legen,</hi></l><lb/>
            <l>Und des Ge&#x017F;etzes wahren Endzweck, aus &#x017F;einer Ab&#x017F;icht, wohl er-<lb/><hi rendition="#et">wegen</hi></l><lb/>
            <l>Wir, wie des Scho&#x0364;pfers Lieb und Huld, mit un&#x017F;rer Liebe, &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">verbinden,</hi></l><lb/>
            <l>Jn der gebothnen Na&#x0364;ch&#x017F;tenliebe, in jeglichem Gebothe finden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="25">
            <l>Die andre Tafel des Ge&#x017F;etzes zeigt nichts, als wie die wil-<lb/><hi rendition="#et">den Triebe</hi></l><lb/>
            <l>Der uns nur &#x017F;elb&#x017F;t verderblich-&#x017F;cha&#x0364;dlich- und recht fatalen<lb/><hi rendition="#et">Eigenliebe,</hi></l><lb/>
            <l>(Wann &#x017F;elbe nemlich ausge&#x017F;chweift,) durch un&#x017F;re Na&#x0364;ch&#x017F;tenlieb<lb/><hi rendition="#et">allein,</hi></l><lb/>
            <l>Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu za&#x0364;hmen &#x017F;eyn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="26">
            <l>Man nehm ein jegliches Geboth, und &#x017F;eh, ob das, was es<lb/><hi rendition="#et">verbietet,</hi></l><lb/>
            <l>Nicht bloß auf un&#x017F;re Ruhe zielt, uns nicht be&#x017F;chu&#x0364;tzet und be-<lb/><hi rendition="#et">hu&#x0364;tet.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[614/0638] Das liebreiche Geſetz. Das liebreiche Geſetz. Uns hat, zu unſerm Beſten, Gott, der unſern Zuſtand wohl erkannt, Jm alten Teſtament ein Mittel, uns recht zu lieben, zugefandt, Das aber leider mehrentheils uns, wie ein Joch, erklaͤret wird, Da man jedoch in der Erklaͤrung ganz augenſcheinlich ſich geirrt. Man ſpricht vom donnernden Geſetz, als wenn uns ſelbiges zur Laſt, Zur Plag, und einzig zum Beweis, von Gottes Strenge, nur verfaßt, Zum Schrecken nur gegeben waͤre, da doch, wenn wir es uͤber- legen, Und des Geſetzes wahren Endzweck, aus ſeiner Abſicht, wohl er- wegen Wir, wie des Schoͤpfers Lieb und Huld, mit unſrer Liebe, ſich verbinden, Jn der gebothnen Naͤchſtenliebe, in jeglichem Gebothe finden. Die andre Tafel des Geſetzes zeigt nichts, als wie die wil- den Triebe Der uns nur ſelbſt verderblich-ſchaͤdlich- und recht fatalen Eigenliebe, (Wann ſelbe nemlich ausgeſchweift,) durch unſre Naͤchſtenlieb allein, Zu einem allgemeinen Nutzen, zu mildern und zu zaͤhmen ſeyn. Man nehm ein jegliches Geboth, und ſeh, ob das, was es verbietet, Nicht bloß auf unſre Ruhe zielt, uns nicht beſchuͤtzet und be- huͤtet. Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/638
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/638>, abgerufen am 26.04.2024.