Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Doch halt, mir prägt dein grausam Bild auch lehrende
Gedanken ein!
Sollt' eines Welt-Bezwingers Blick wohl nicht viel scheuß-
licher noch seyn,
Noch grösser Grausen uns erwecken, und uns bey unge-
zählten Leichen,
Die sein barbarisch Schwerdt zerfleischt, ihm dieses Thier
an Wut nicht weichen?
Der Hunger spornt den Leoparden, den Alexander Ueber-
muht;
Vergiesset jener eines Thieres, vergießt der ganze Ströme
Blut
Von funfzig tausend seines gleichen, durch eiserne gekaufte
Klauen.
Komm, laß denn einst uns, wo du kannst, ein Bild vom
wilden Sieger schauen.
Sein Blick, wofern du ihn recht triffst, geht diesem mord-
begier'gen Thier
An Wüten, Grimm, an Raserey und Gräßlichkeit gewiß
noch für.
Der Auer-Ochs und der Tieger.
Hier zeigt sich die Gerechtigkeit, hier wird die Grau-
samkeit gestraft,
Und manch verschlungnes Thier gerochen. Der Auer,
der halb tugendhaft,
Nie, als bis er gereizt, verletzet, bringt mit nicht unge-
rechtem Grimm,
Durch Vorsicht, Tapferkeit und Stärke, den mordbegier'-
gen Gegner üm.
Er
Doch halt, mir praͤgt dein grauſam Bild auch lehrende
Gedanken ein!
Sollt’ eines Welt-Bezwingers Blick wohl nicht viel ſcheuß-
licher noch ſeyn,
Noch groͤſſer Grauſen uns erwecken, und uns bey unge-
zaͤhlten Leichen,
Die ſein barbariſch Schwerdt zerfleiſcht, ihm dieſes Thier
an Wut nicht weichen?
Der Hunger ſpornt den Leoparden, den Alexander Ueber-
muht;
Vergieſſet jener eines Thieres, vergießt der ganze Stroͤme
Blut
Von funfzig tauſend ſeines gleichen, durch eiſerne gekaufte
Klauen.
Komm, laß denn einſt uns, wo du kannſt, ein Bild vom
wilden Sieger ſchauen.
Sein Blick, wofern du ihn recht triffſt, geht dieſem mord-
begier’gen Thier
An Wuͤten, Grimm, an Raſerey und Graͤßlichkeit gewiß
noch fuͤr.
Der Auer-Ochs und der Tieger.
Hier zeigt ſich die Gerechtigkeit, hier wird die Grau-
ſamkeit geſtraft,
Und manch verſchlungnes Thier gerochen. Der Auer,
der halb tugendhaft,
Nie, als bis er gereizt, verletzet, bringt mit nicht unge-
rechtem Grimm,
Durch Vorſicht, Tapferkeit und Staͤrke, den mordbegier’-
gen Gegner uͤm.
Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0431" n="413"/>
              <l>Doch halt, mir pra&#x0364;gt dein grau&#x017F;am Bild auch lehrende</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Gedanken ein!</hi> </l><lb/>
              <l>Sollt&#x2019; eines Welt-Bezwingers Blick wohl nicht viel &#x017F;cheuß-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">licher noch &#x017F;eyn,</hi> </l><lb/>
              <l>Noch gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Grau&#x017F;en uns erwecken, und uns bey unge-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">za&#x0364;hlten Leichen,</hi> </l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ein barbari&#x017F;ch Schwerdt zerflei&#x017F;cht, ihm die&#x017F;es Thier</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">an Wut nicht weichen?</hi> </l><lb/>
              <l>Der Hunger &#x017F;pornt den Leoparden, den Alexander Ueber-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">muht;</hi> </l><lb/>
              <l>Vergie&#x017F;&#x017F;et jener eines Thieres, vergießt der ganze Stro&#x0364;me</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Blut</hi> </l><lb/>
              <l>Von funfzig tau&#x017F;end &#x017F;eines gleichen, durch ei&#x017F;erne gekaufte</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Klauen.</hi> </l><lb/>
              <l>Komm, laß denn ein&#x017F;t uns, wo du kann&#x017F;t, ein Bild vom</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">wilden Sieger &#x017F;chauen.</hi> </l><lb/>
              <l>Sein Blick, wofern du ihn recht triff&#x017F;t, geht die&#x017F;em mord-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">begier&#x2019;gen Thier</hi> </l><lb/>
              <l>An Wu&#x0364;ten, Grimm, an Ra&#x017F;erey und Gra&#x0364;ßlichkeit gewiß</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">noch fu&#x0364;r.</hi> </l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der Auer-Ochs und der Tieger.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">H</hi>ier zeigt &#x017F;ich die Gerechtigkeit, hier wird die Grau-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;amkeit ge&#x017F;traft,</hi> </l><lb/>
              <l>Und manch ver&#x017F;chlungnes Thier gerochen. Der Auer,</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">der halb tugendhaft,</hi> </l><lb/>
              <l>Nie, als bis er gereizt, verletzet, bringt mit nicht unge-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">rechtem Grimm,</hi> </l><lb/>
              <l>Durch Vor&#x017F;icht, Tapferkeit und Sta&#x0364;rke, den mordbegier&#x2019;-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gen Gegner u&#x0364;m.</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0431] Doch halt, mir praͤgt dein grauſam Bild auch lehrende Gedanken ein! Sollt’ eines Welt-Bezwingers Blick wohl nicht viel ſcheuß- licher noch ſeyn, Noch groͤſſer Grauſen uns erwecken, und uns bey unge- zaͤhlten Leichen, Die ſein barbariſch Schwerdt zerfleiſcht, ihm dieſes Thier an Wut nicht weichen? Der Hunger ſpornt den Leoparden, den Alexander Ueber- muht; Vergieſſet jener eines Thieres, vergießt der ganze Stroͤme Blut Von funfzig tauſend ſeines gleichen, durch eiſerne gekaufte Klauen. Komm, laß denn einſt uns, wo du kannſt, ein Bild vom wilden Sieger ſchauen. Sein Blick, wofern du ihn recht triffſt, geht dieſem mord- begier’gen Thier An Wuͤten, Grimm, an Raſerey und Graͤßlichkeit gewiß noch fuͤr. Der Auer-Ochs und der Tieger. Hier zeigt ſich die Gerechtigkeit, hier wird die Grau- ſamkeit geſtraft, Und manch verſchlungnes Thier gerochen. Der Auer, der halb tugendhaft, Nie, als bis er gereizt, verletzet, bringt mit nicht unge- rechtem Grimm, Durch Vorſicht, Tapferkeit und Staͤrke, den mordbegier’- gen Gegner uͤm. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/431
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/431>, abgerufen am 26.04.2024.