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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 80. Das Herzogtum.
§ 80. Das Herzogtum.

Waitz, VG II 2, S. 49 ff. 365 ff. III 364. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung
S. 455 ff. v. Daniels, Handbuch I 574. Eichhorn, Zeitschr. f. gesch. RW
VIII 302. Alfred Pernice, Art. Graf in Ersch u. Grubers Encyklop. d. Wiss.
Erste Sektion LXXVIII 137 ff. Dönniges, Staatsrecht S. 96. Beauchet, Hi-
stoire de l'organisation judiciaire en France 1886, S. 43 ff. Glasson, Histoire
II 346. Bornhak, Das Stammesherzogtum im fränk. Reich, Forschungen XXIII
167. Wilhelm Sickel, Das Wesen des Volksherzogtums, Hist. Z. NF. XVI 407,
und Götting. gel. Anzeigen v. 1. Juni 1888, S. 441. H. Brunner, Alter der Lex
Alamannorum, Berliner SB 1885, I 168 ff. Wittmann, Über die Stellung der Agi-
lolf. Herzoge, Abhandl. der bayr. Akad. hist. Kl. VIII 1. Perroud, Les origines
du duche d'Aquitaine 1882.

Die Stellung, welche die Herzoge in dem Verwaltungsorganismus
des fränkischen Reiches einnahmen 1, war eine verschiedene zu den
verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Teilen des Reiches.
Will man die Ausgestaltungen, die das Herzogtum im fränkischen
Reiche erfuhr, auf bestimmte Typen bringen, so kann man Amts-
herzoge, Stammesherzoge und Titularherzoge unterscheiden.

Das Amtsherzogtum, ducatus, accio, potestas ducatus, gehört der
merowingischen Zeit an. Der Herzog ist ein vom König nach ört-

ist Sacebaro als Personenname aufzufassen. Allerdings bietet Pardessus, Dipl. II,
Nr. 312, aus einem Apographum einen Text der Urkunde von 648, in welchem an-
dere Urkundszeugen als sacebarones erscheinen. Allein dabei scheint es sich nur
um eine missverständliche Auflösung der Abkürzung sac. für sacerdos zu handeln.
Waitz, Altes Recht S. 64, und Götting. gel. Anzeigen 1850, S. 621. Beauchet
a. O. S. 230 f. Die vetus versio von Ine 6 bringt sagibaronis als Übersetzung von
gethungenes witan. Auf die Bedeutung von honoratus vir scheint es auch hinaus-
zulaufen, wenn eine Glosse (bei Pithou) sagt: sacebarones dicuntur quasi senatores.
Vielleicht lag sie dem Verfasser der vetus versio vor.
1 Ausser Betracht bleiben hier die duces, welche, ohne ein bestimmtes Gebiet
zu verwalten, für den Kriegsfall als Heerführer oder als Truppenkommandanten
bestellt und nur in dieser Eigenschaft duces genannt wurden. So sind die duces
supradicti exercitus in Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 30, so ist der dux Godeghisi-
lus a. O. IX 12 zu verstehen. Wie in römischer und in karolingischer Zeit die
Truppengenerale duces heissen, so hat man ihnen in merowingischer Zeit gleich-
falls diesen Titel beigelegt, auch wenn sie keinen Dukat hatten. Die Regel war
ja allerdings, dass der Amtsherzog die Truppen seines Herzogtums führte. Es muss
aber, schon weil der Dukat keine durchgreifende Institution war, noch andere duces
im Heere gegeben haben. Unsicher bleibt auch, ob die duces, die uns am Königs-
hofe als Beisitzer im Königsgerichte oder im Rate des Königs begegnen, sämtlich
als Dukatsvorsteher aufzufassen sind, die sich mit Beibehaltung ihres Dukats vor-
übergehend am Hofe aufhielten.
§ 80. Das Herzogtum.
§ 80. Das Herzogtum.

Waitz, VG II 2, S. 49 ff. 365 ff. III 364. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung
S. 455 ff. v. Daniels, Handbuch I 574. Eichhorn, Zeitschr. f. gesch. RW
VIII 302. Alfred Pernice, Art. Graf in Ersch u. Grubers Encyklop. d. Wiss.
Erste Sektion LXXVIII 137 ff. Dönniges, Staatsrecht S. 96. Beauchet, Hi-
stoire de l’organisation judiciaire en France 1886, S. 43 ff. Glasson, Histoire
II 346. Bornhak, Das Stammesherzogtum im fränk. Reich, Forschungen XXIII
167. Wilhelm Sickel, Das Wesen des Volksherzogtums, Hist. Z. NF. XVI 407,
und Götting. gel. Anzeigen v. 1. Juni 1888, S. 441. H. Brunner, Alter der Lex
Alamannorum, Berliner SB 1885, I 168 ff. Wittmann, Über die Stellung der Agi-
lolf. Herzoge, Abhandl. der bayr. Akad. hist. Kl. VIII 1. Perroud, Les origines
du duché d’Aquitaine 1882.

Die Stellung, welche die Herzoge in dem Verwaltungsorganismus
des fränkischen Reiches einnahmen 1, war eine verschiedene zu den
verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Teilen des Reiches.
Will man die Ausgestaltungen, die das Herzogtum im fränkischen
Reiche erfuhr, auf bestimmte Typen bringen, so kann man Amts-
herzoge, Stammesherzoge und Titularherzoge unterscheiden.

Das Amtsherzogtum, ducatus, accio, potestas ducatus, gehört der
merowingischen Zeit an. Der Herzog ist ein vom König nach ört-

ist Sacebaro als Personenname aufzufassen. Allerdings bietet Pardessus, Dipl. II,
Nr. 312, aus einem Apographum einen Text der Urkunde von 648, in welchem an-
dere Urkundszeugen als sacebarones erscheinen. Allein dabei scheint es sich nur
um eine miſsverständliche Auflösung der Abkürzung sac. für sacerdos zu handeln.
Waitz, Altes Recht S. 64, und Götting. gel. Anzeigen 1850, S. 621. Beauchet
a. O. S. 230 f. Die vetus versio von Ine 6 bringt sagibaronis als Übersetzung von
geþungenes witan. Auf die Bedeutung von honoratus vir scheint es auch hinaus-
zulaufen, wenn eine Glosse (bei Pithou) sagt: sacebarones dicuntur quasi senatores.
Vielleicht lag sie dem Verfasser der vetus versio vor.
1 Auſser Betracht bleiben hier die duces, welche, ohne ein bestimmtes Gebiet
zu verwalten, für den Kriegsfall als Heerführer oder als Truppenkommandanten
bestellt und nur in dieser Eigenschaft duces genannt wurden. So sind die duces
supradicti exercitus in Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 30, so ist der dux Godeghisi-
lus a. O. IX 12 zu verstehen. Wie in römischer und in karolingischer Zeit die
Truppengenerale duces heiſsen, so hat man ihnen in merowingischer Zeit gleich-
falls diesen Titel beigelegt, auch wenn sie keinen Dukat hatten. Die Regel war
ja allerdings, daſs der Amtsherzog die Truppen seines Herzogtums führte. Es muſs
aber, schon weil der Dukat keine durchgreifende Institution war, noch andere duces
im Heere gegeben haben. Unsicher bleibt auch, ob die duces, die uns am Königs-
hofe als Beisitzer im Königsgerichte oder im Rate des Königs begegnen, sämtlich
als Dukatsvorsteher aufzufassen sind, die sich mit Beibehaltung ihres Dukats vor-
übergehend am Hofe aufhielten.
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[154/0172] § 80. Das Herzogtum. § 80. Das Herzogtum. Waitz, VG II 2, S. 49 ff. 365 ff. III 364. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung S. 455 ff. v. Daniels, Handbuch I 574. Eichhorn, Zeitschr. f. gesch. RW VIII 302. Alfred Pernice, Art. Graf in Ersch u. Grubers Encyklop. d. Wiss. Erste Sektion LXXVIII 137 ff. Dönniges, Staatsrecht S. 96. Beauchet, Hi- stoire de l’organisation judiciaire en France 1886, S. 43 ff. Glasson, Histoire II 346. Bornhak, Das Stammesherzogtum im fränk. Reich, Forschungen XXIII 167. Wilhelm Sickel, Das Wesen des Volksherzogtums, Hist. Z. NF. XVI 407, und Götting. gel. Anzeigen v. 1. Juni 1888, S. 441. H. Brunner, Alter der Lex Alamannorum, Berliner SB 1885, I 168 ff. Wittmann, Über die Stellung der Agi- lolf. Herzoge, Abhandl. der bayr. Akad. hist. Kl. VIII 1. Perroud, Les origines du duché d’Aquitaine 1882. Die Stellung, welche die Herzoge in dem Verwaltungsorganismus des fränkischen Reiches einnahmen 1, war eine verschiedene zu den verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Teilen des Reiches. Will man die Ausgestaltungen, die das Herzogtum im fränkischen Reiche erfuhr, auf bestimmte Typen bringen, so kann man Amts- herzoge, Stammesherzoge und Titularherzoge unterscheiden. Das Amtsherzogtum, ducatus, accio, potestas ducatus, gehört der merowingischen Zeit an. Der Herzog ist ein vom König nach ört- 22 1 Auſser Betracht bleiben hier die duces, welche, ohne ein bestimmtes Gebiet zu verwalten, für den Kriegsfall als Heerführer oder als Truppenkommandanten bestellt und nur in dieser Eigenschaft duces genannt wurden. So sind die duces supradicti exercitus in Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 30, so ist der dux Godeghisi- lus a. O. IX 12 zu verstehen. Wie in römischer und in karolingischer Zeit die Truppengenerale duces heiſsen, so hat man ihnen in merowingischer Zeit gleich- falls diesen Titel beigelegt, auch wenn sie keinen Dukat hatten. Die Regel war ja allerdings, daſs der Amtsherzog die Truppen seines Herzogtums führte. Es muſs aber, schon weil der Dukat keine durchgreifende Institution war, noch andere duces im Heere gegeben haben. Unsicher bleibt auch, ob die duces, die uns am Königs- hofe als Beisitzer im Königsgerichte oder im Rate des Königs begegnen, sämtlich als Dukatsvorsteher aufzufassen sind, die sich mit Beibehaltung ihres Dukats vor- übergehend am Hofe aufhielten. 22 ist Sacebaro als Personenname aufzufassen. Allerdings bietet Pardessus, Dipl. II, Nr. 312, aus einem Apographum einen Text der Urkunde von 648, in welchem an- dere Urkundszeugen als sacebarones erscheinen. Allein dabei scheint es sich nur um eine miſsverständliche Auflösung der Abkürzung sac. für sacerdos zu handeln. Waitz, Altes Recht S. 64, und Götting. gel. Anzeigen 1850, S. 621. Beauchet a. O. S. 230 f. Die vetus versio von Ine 6 bringt sagibaronis als Übersetzung von geþungenes witan. Auf die Bedeutung von honoratus vir scheint es auch hinaus- zulaufen, wenn eine Glosse (bei Pithou) sagt: sacebarones dicuntur quasi senatores. Vielleicht lag sie dem Verfasser der vetus versio vor.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/172>, abgerufen am 26.04.2024.