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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 90. Das Finanzwesen.

Zu den aus den römischen Ordnungen überkommenen Fronden
zählt die Beihülfe, die bei dem Bau von öffentlichen Wegen (stratae
publicae 42) und von Brücken zu leisten war. Während der Wegbau
sich schon ziemlich früh zu einer Grundlast der Anwohner und Inter-
essenten gestaltete, wird der Brückenbau noch in den Quellen der
karolingischen Zeit oft und deutlich als allgemeine Unterthanenpflicht
hervorgehoben 43. Wie zum Brückenbau, konnten die Unterthanen
auch zum Bau von Schleussen bei Bannstrafe aufgefordert werden 44.

An den Seeküsten bestand eine Pflicht der Hülfeleistung, wenn
es galt, die Küste gegen die See zu schützen. Wer sie verabsäumte,
verwirkte eine Busse, die zur Hälfte an die Gemeinde, zur Hälfte als
Friedensgeld an den Fiskus verfiel 45.

Allenthalben luden die geistlichen und weltlichen Grundherren
die öffentlichen Frondienste ihren Hintersassen auf. Als dann zahl-
reiche Grundherrschaften durch Erwerbung der Immunität davon be-
freit wurden, behielten sie die früher öffentlichen Frondienste im In-
teresse der Gutswirtschaft als grundherrliche Fronden bei.

§ 90. Das Finanzwesen.

Roth, Beneficialwesen S. 85 ff. Waitz, VG II 2, S. 254 ff., 299 ff.; IV 52. 101 ff.
v. Daniels, Handbuch I 528 ff. Schröder, RG S. 181 ff. Falke, Geschichte
des deutschen Zollwesens 1869. Th. Sickel, Beiträge zur Diplomatik V 40 ff.
Rathgen, Entstehung der Märkte in Deutschland 1881. W. Sickel, Zum
ältesten deutschen Zollstrafrecht, Z. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft VII 505 ff.
Giraud, Essai sur l'histoire du droit francais I 93 ff. Fustel de Coulanges,
Monarchie franque S. 243 ff. Viollet, Histoire I 322. Hüllmann, Deutsche

42 Vgl. Waitz, VG IV 29.
43 Lex Chamav. 39. Cap. per se scribenda 818--819, c. 8, I 288. Cap. miss.
819, c. 17, I 290. Admonitio 823--825, c. 22, Cap. I 306. Cap. miss. Worm.
v. J. 829, c. 11, II 16. Hludow. II. Cap. v. J. 850, c. 3, II 84. Hludow. Cap.
Papiense v. J. 850, c. 8, II 87. In der Immunität ist die Freiheit vom Brücken-
bau in fränkischer wie schon in römischer Zeit regelmässig nicht inbegriffen. Siehe
unten § 94, Anm. 41. 42.
44 Lex Chamav. 38.
45 Cap. miss. v. J. 802, c. 13b, 1 100: de liberis hominibus, qui circa mari-
tima loca habitant, si nuntius venerit, ut ad succurendum debeant venire et hoc
neglexerint, unusquisque solidos viginti conponat mediaetatem in dominico, medieta-
tem ad populum. Um die Abwehr von Feinden kann es sich da nicht handeln;
denn dafür wäre die Busse zu gering. Ebensowenig um den in c. 13a angeordneten
Schiffbau, weil sich daraus der Anteil der Gemeinde an der Busse nicht erklären
liesse. Am nächsten liegt es, an eine von der Gemeinde angesagte Hülfeleistung
zu Deichbauten zu denken.
§ 90. Das Finanzwesen.

Zu den aus den römischen Ordnungen überkommenen Fronden
zählt die Beihülfe, die bei dem Bau von öffentlichen Wegen (stratae
publicae 42) und von Brücken zu leisten war. Während der Wegbau
sich schon ziemlich früh zu einer Grundlast der Anwohner und Inter-
essenten gestaltete, wird der Brückenbau noch in den Quellen der
karolingischen Zeit oft und deutlich als allgemeine Unterthanenpflicht
hervorgehoben 43. Wie zum Brückenbau, konnten die Unterthanen
auch zum Bau von Schleuſsen bei Bannstrafe aufgefordert werden 44.

An den Seeküsten bestand eine Pflicht der Hülfeleistung, wenn
es galt, die Küste gegen die See zu schützen. Wer sie verabsäumte,
verwirkte eine Buſse, die zur Hälfte an die Gemeinde, zur Hälfte als
Friedensgeld an den Fiskus verfiel 45.

Allenthalben luden die geistlichen und weltlichen Grundherren
die öffentlichen Frondienste ihren Hintersassen auf. Als dann zahl-
reiche Grundherrschaften durch Erwerbung der Immunität davon be-
freit wurden, behielten sie die früher öffentlichen Frondienste im In-
teresse der Gutswirtschaft als grundherrliche Fronden bei.

§ 90. Das Finanzwesen.

Roth, Beneficialwesen S. 85 ff. Waitz, VG II 2, S. 254 ff., 299 ff.; IV 52. 101 ff.
v. Daniels, Handbuch I 528 ff. Schröder, RG S. 181 ff. Falke, Geschichte
des deutschen Zollwesens 1869. Th. Sickel, Beiträge zur Diplomatik V 40 ff.
Rathgen, Entstehung der Märkte in Deutschland 1881. W. Sickel, Zum
ältesten deutschen Zollstrafrecht, Z. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft VII 505 ff.
Giraud, Essai sur l’histoire du droit français I 93 ff. Fustel de Coulanges,
Monarchie franque S. 243 ff. Viollet, Histoire I 322. Hüllmann, Deutsche

42 Vgl. Waitz, VG IV 29.
43 Lex Chamav. 39. Cap. per se scribenda 818—819, c. 8, I 288. Cap. miss.
819, c. 17, I 290. Admonitio 823—825, c. 22, Cap. I 306. Cap. miss. Worm.
v. J. 829, c. 11, II 16. Hludow. II. Cap. v. J. 850, c. 3, II 84. Hludow. Cap.
Papiense v. J. 850, c. 8, II 87. In der Immunität ist die Freiheit vom Brücken-
bau in fränkischer wie schon in römischer Zeit regelmäſsig nicht inbegriffen. Siehe
unten § 94, Anm. 41. 42.
44 Lex Chamav. 38.
45 Cap. miss. v. J. 802, c. 13b, 1 100: de liberis hominibus, qui circa mari-
tima loca habitant, si nuntius venerit, ut ad succurendum debeant venire et hoc
neglexerint, unusquisque solidos viginti conponat mediaetatem in dominico, medieta-
tem ad populum. Um die Abwehr von Feinden kann es sich da nicht handeln;
denn dafür wäre die Buſse zu gering. Ebensowenig um den in c. 13a angeordneten
Schiffbau, weil sich daraus der Anteil der Gemeinde an der Buſse nicht erklären
lieſse. Am nächsten liegt es, an eine von der Gemeinde angesagte Hülfeleistung
zu Deichbauten zu denken.
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[233/0251] § 90. Das Finanzwesen. Zu den aus den römischen Ordnungen überkommenen Fronden zählt die Beihülfe, die bei dem Bau von öffentlichen Wegen (stratae publicae 42) und von Brücken zu leisten war. Während der Wegbau sich schon ziemlich früh zu einer Grundlast der Anwohner und Inter- essenten gestaltete, wird der Brückenbau noch in den Quellen der karolingischen Zeit oft und deutlich als allgemeine Unterthanenpflicht hervorgehoben 43. Wie zum Brückenbau, konnten die Unterthanen auch zum Bau von Schleuſsen bei Bannstrafe aufgefordert werden 44. An den Seeküsten bestand eine Pflicht der Hülfeleistung, wenn es galt, die Küste gegen die See zu schützen. Wer sie verabsäumte, verwirkte eine Buſse, die zur Hälfte an die Gemeinde, zur Hälfte als Friedensgeld an den Fiskus verfiel 45. Allenthalben luden die geistlichen und weltlichen Grundherren die öffentlichen Frondienste ihren Hintersassen auf. Als dann zahl- reiche Grundherrschaften durch Erwerbung der Immunität davon be- freit wurden, behielten sie die früher öffentlichen Frondienste im In- teresse der Gutswirtschaft als grundherrliche Fronden bei. § 90. Das Finanzwesen. Roth, Beneficialwesen S. 85 ff. Waitz, VG II 2, S. 254 ff., 299 ff.; IV 52. 101 ff. v. Daniels, Handbuch I 528 ff. Schröder, RG S. 181 ff. Falke, Geschichte des deutschen Zollwesens 1869. Th. Sickel, Beiträge zur Diplomatik V 40 ff. Rathgen, Entstehung der Märkte in Deutschland 1881. W. Sickel, Zum ältesten deutschen Zollstrafrecht, Z. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft VII 505 ff. Giraud, Essai sur l’histoire du droit français I 93 ff. Fustel de Coulanges, Monarchie franque S. 243 ff. Viollet, Histoire I 322. Hüllmann, Deutsche 42 Vgl. Waitz, VG IV 29. 43 Lex Chamav. 39. Cap. per se scribenda 818—819, c. 8, I 288. Cap. miss. 819, c. 17, I 290. Admonitio 823—825, c. 22, Cap. I 306. Cap. miss. Worm. v. J. 829, c. 11, II 16. Hludow. II. Cap. v. J. 850, c. 3, II 84. Hludow. Cap. Papiense v. J. 850, c. 8, II 87. In der Immunität ist die Freiheit vom Brücken- bau in fränkischer wie schon in römischer Zeit regelmäſsig nicht inbegriffen. Siehe unten § 94, Anm. 41. 42. 44 Lex Chamav. 38. 45 Cap. miss. v. J. 802, c. 13b, 1 100: de liberis hominibus, qui circa mari- tima loca habitant, si nuntius venerit, ut ad succurendum debeant venire et hoc neglexerint, unusquisque solidos viginti conponat mediaetatem in dominico, medieta- tem ad populum. Um die Abwehr von Feinden kann es sich da nicht handeln; denn dafür wäre die Buſse zu gering. Ebensowenig um den in c. 13a angeordneten Schiffbau, weil sich daraus der Anteil der Gemeinde an der Buſse nicht erklären lieſse. Am nächsten liegt es, an eine von der Gemeinde angesagte Hülfeleistung zu Deichbauten zu denken.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/251>, abgerufen am 26.04.2024.