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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 72. Der Hausmeier.
Ostgoten 8, oder dass sie gelegentlich, wie in fränkischen Quellen, von
den übrigen Dienern der domus regia als die maiores hervorgehoben
werden sollten 9.

Am merowingischen Königshofe ist der Hausmeier zuerst unter
den Enkeln Chlodovechs bezeugt 10. Nicht nur der König, auch die
Königin, königliche Prinzen und Prinzessinnen hatten Hausmeier.
Seit das Amt am Hofe des Königs politische Bedeutung gewonnen
hatte, wird der Hausmeiertitel auf dieses beschränkt. War das Reich
unter mehrere Könige geteilt, so hatte jedes Teilreich seinen Major-
domus, so dass es einen neustrischen, einen austrasischen, einen bur-
gundischen und etwa auch einen aquitanischen Hausmeier gab.

Von vornherein griff die Amtsthätigkeit des königlichen Haus-
meiers über das rein hauswirtschaftliche Gebiet hinaus. Wahrschein-
lich von Anfang an, jedenfalls seit der Wende des sechsten und
siebenten Jahrhunderts, sind die Hausmeier die Anführer der könig-
lichen Antrustionen 11. Als solche nennt ein merowingisches Heiligen-
leben die Hausmeier Landerich und Gundeland aus der Zeit Chlo-
thars II. und Dagoberts I. 12. Von dieser Stellung aus musste es dem
Majordomus ein Leichtes werden, sich zum Vertreter und Leiter der
fränkischen Aristokratie aufzuschwingen, deren kriegerischen Kern die
Antrustionen bildeten. Sicherlich war er bei der Vergabung von
Krongütern an Antrustionen beteiligt, dann wohl überhaupt bei Ver-
fügungen des Königs über seine Domänen 13, während er schliesslich
die Oberaufsicht über das gesamte Domänenwesen gewann 14. Ein-
zelne Königsurkunden, die über Königsgut oder fiskalische Rechte
verfügen, heben in tironischen Noten die Mitwirkung des Hausmeiers
hervor 15. Seit dem Ausgange des siebenten Jahrhunderts erscheint

8 In der Lex Burg. wird schlechtweg eine Mehrzahl von maiores domus ge-
nannt, bei den Ostgoten zwei oder drei.
9 So ist Greg. Tur. Hist. Franc. IX 36 und Vita Audoeni, Acta SS Aug. IV
809, c. 3, § 18, vielleicht auch Sichelmi epist. Pardessus II, Nr. 348, S. 131 zu
erklären.
10 Badegiselus bei Gregor von Tours Hist. Franc. VI 9.
11 So schon Eichhorn I 179 ohne quellenmässigen Beweis, den ich Z2 f.
RG IX 210 f. geführt zu haben glaube.
12 Vita Aldegundis oben S. 98, Anm. 15. Vgl. Fortunat VII 4, wo man sich
den Gogo nicht mit Digot II 202 als Präceptor von Schulknaben, sondern als
Führer königlicher Gefolgsleute zu denken hat.
13 Vgl. Lex Burg. 107, 13, wo die maiores domus im Namen des Königs
Anweisungen auf Landverleihung ausstellen. Fiscum nimium stringens sagt Frede-
gar IV 27 vom Majordomus Protadius.
14 Siehe unten § 75.
15 Pertz, Dipl. M. Nr. 57. 67. 77, S. 249. Waitz, VG II 2, S. 95, Anm. 1.

§ 72. Der Hausmeier.
Ostgoten 8, oder daſs sie gelegentlich, wie in fränkischen Quellen, von
den übrigen Dienern der domus regia als die maiores hervorgehoben
werden sollten 9.

Am merowingischen Königshofe ist der Hausmeier zuerst unter
den Enkeln Chlodovechs bezeugt 10. Nicht nur der König, auch die
Königin, königliche Prinzen und Prinzessinnen hatten Hausmeier.
Seit das Amt am Hofe des Königs politische Bedeutung gewonnen
hatte, wird der Hausmeiertitel auf dieses beschränkt. War das Reich
unter mehrere Könige geteilt, so hatte jedes Teilreich seinen Major-
domus, so daſs es einen neustrischen, einen austrasischen, einen bur-
gundischen und etwa auch einen aquitanischen Hausmeier gab.

Von vornherein griff die Amtsthätigkeit des königlichen Haus-
meiers über das rein hauswirtschaftliche Gebiet hinaus. Wahrschein-
lich von Anfang an, jedenfalls seit der Wende des sechsten und
siebenten Jahrhunderts, sind die Hausmeier die Anführer der könig-
lichen Antrustionen 11. Als solche nennt ein merowingisches Heiligen-
leben die Hausmeier Landerich und Gundeland aus der Zeit Chlo-
thars II. und Dagoberts I. 12. Von dieser Stellung aus muſste es dem
Majordomus ein Leichtes werden, sich zum Vertreter und Leiter der
fränkischen Aristokratie aufzuschwingen, deren kriegerischen Kern die
Antrustionen bildeten. Sicherlich war er bei der Vergabung von
Krongütern an Antrustionen beteiligt, dann wohl überhaupt bei Ver-
fügungen des Königs über seine Domänen 13, während er schlieſslich
die Oberaufsicht über das gesamte Domänenwesen gewann 14. Ein-
zelne Königsurkunden, die über Königsgut oder fiskalische Rechte
verfügen, heben in tironischen Noten die Mitwirkung des Hausmeiers
hervor 15. Seit dem Ausgange des siebenten Jahrhunderts erscheint

8 In der Lex Burg. wird schlechtweg eine Mehrzahl von maiores domus ge-
nannt, bei den Ostgoten zwei oder drei.
9 So ist Greg. Tur. Hist. Franc. IX 36 und Vita Audoeni, Acta SS Aug. IV
809, c. 3, § 18, vielleicht auch Sichelmi epist. Pardessus II, Nr. 348, S. 131 zu
erklären.
10 Badegiselus bei Gregor von Tours Hist. Franc. VI 9.
11 So schon Eichhorn I 179 ohne quellenmäſsigen Beweis, den ich Z2 f.
RG IX 210 f. geführt zu haben glaube.
12 Vita Aldegundis oben S. 98, Anm. 15. Vgl. Fortunat VII 4, wo man sich
den Gogo nicht mit Digot II 202 als Präceptor von Schulknaben, sondern als
Führer königlicher Gefolgsleute zu denken hat.
13 Vgl. Lex Burg. 107, 13, wo die maiores domus im Namen des Königs
Anweisungen auf Landverleihung ausstellen. Fiscum nimium stringens sagt Frede-
gar IV 27 vom Majordomus Protadius.
14 Siehe unten § 75.
15 Pertz, Dipl. M. Nr. 57. 67. 77, S. 249. Waitz, VG II 2, S. 95, Anm. 1.
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[105/0123] § 72. Der Hausmeier. Ostgoten 8, oder daſs sie gelegentlich, wie in fränkischen Quellen, von den übrigen Dienern der domus regia als die maiores hervorgehoben werden sollten 9. Am merowingischen Königshofe ist der Hausmeier zuerst unter den Enkeln Chlodovechs bezeugt 10. Nicht nur der König, auch die Königin, königliche Prinzen und Prinzessinnen hatten Hausmeier. Seit das Amt am Hofe des Königs politische Bedeutung gewonnen hatte, wird der Hausmeiertitel auf dieses beschränkt. War das Reich unter mehrere Könige geteilt, so hatte jedes Teilreich seinen Major- domus, so daſs es einen neustrischen, einen austrasischen, einen bur- gundischen und etwa auch einen aquitanischen Hausmeier gab. Von vornherein griff die Amtsthätigkeit des königlichen Haus- meiers über das rein hauswirtschaftliche Gebiet hinaus. Wahrschein- lich von Anfang an, jedenfalls seit der Wende des sechsten und siebenten Jahrhunderts, sind die Hausmeier die Anführer der könig- lichen Antrustionen 11. Als solche nennt ein merowingisches Heiligen- leben die Hausmeier Landerich und Gundeland aus der Zeit Chlo- thars II. und Dagoberts I. 12. Von dieser Stellung aus muſste es dem Majordomus ein Leichtes werden, sich zum Vertreter und Leiter der fränkischen Aristokratie aufzuschwingen, deren kriegerischen Kern die Antrustionen bildeten. Sicherlich war er bei der Vergabung von Krongütern an Antrustionen beteiligt, dann wohl überhaupt bei Ver- fügungen des Königs über seine Domänen 13, während er schlieſslich die Oberaufsicht über das gesamte Domänenwesen gewann 14. Ein- zelne Königsurkunden, die über Königsgut oder fiskalische Rechte verfügen, heben in tironischen Noten die Mitwirkung des Hausmeiers hervor 15. Seit dem Ausgange des siebenten Jahrhunderts erscheint 8 In der Lex Burg. wird schlechtweg eine Mehrzahl von maiores domus ge- nannt, bei den Ostgoten zwei oder drei. 9 So ist Greg. Tur. Hist. Franc. IX 36 und Vita Audoeni, Acta SS Aug. IV 809, c. 3, § 18, vielleicht auch Sichelmi epist. Pardessus II, Nr. 348, S. 131 zu erklären. 10 Badegiselus bei Gregor von Tours Hist. Franc. VI 9. 11 So schon Eichhorn I 179 ohne quellenmäſsigen Beweis, den ich Z2 f. RG IX 210 f. geführt zu haben glaube. 12 Vita Aldegundis oben S. 98, Anm. 15. Vgl. Fortunat VII 4, wo man sich den Gogo nicht mit Digot II 202 als Präceptor von Schulknaben, sondern als Führer königlicher Gefolgsleute zu denken hat. 13 Vgl. Lex Burg. 107, 13, wo die maiores domus im Namen des Königs Anweisungen auf Landverleihung ausstellen. Fiscum nimium stringens sagt Frede- gar IV 27 vom Majordomus Protadius. 14 Siehe unten § 75. 15 Pertz, Dipl. M. Nr. 57. 67. 77, S. 249. Waitz, VG II 2, S. 95, Anm. 1.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/123>, abgerufen am 26.04.2024.