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Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800.

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Erster Theil.
also auch die Krankheiten denselben Gesetzen unterworfen,
aber nach der Verschiedenheit der einwürkenden Verhältnisse,
niemals vollkommen mit einander übereinstimmen, so kann
hier die Analogie auch niemals ganz vollständig seyn, noch
die Heilart in zwey Krankheitsfällen sich ganz gleichen.

§ 79.

Weil also die krankhaften Erscheinungen durch das ver-
schiedene Einwürken der Verhältnisse auf den Menschen, im-
mer verschieden modificirt sind, und deshalb ihre Heilart
auch in demselben Verhältnisse modificirt seyn muß: so ist es
ein unentbehrliches Bedürfniß für die Heilkunst, mit dem
Caussalverhältnisse jener Erscheinungen bekannt zu seyn, um
darnach die Anwendung der Heilkräfte abzumessen. Und
hierzu verhilft die Induction.

§ 80.

Hat nämlich die Heilkunst nach mehreren Versuchen den
entscheidenden gewonnen, welcher sie überzeugt, daß ein ge-
wisser Umstand, durch Einwürkung auf die menschliche Na-
tur ein bestimmtes Symptom und als dessen Folge wiederum
andre, dadurch aber eine ganze Krankheit hervorbringt, so
ist sie auf Entfernung dieses ursprünglichen Symptoms,
welches den übrigen zum Grunde liegt, bedacht.

§ 81.

Weiß sie ferner aus entscheidenden Versuchen, daß die-
ses Symptom durch eine gewisse Handlungsweise entfernt
werde, so sucht sie das gehörige Verhältniß zwischen beyden
zu treffen, d. h. sie modificirt die in gleichen Fällen heilsam
befundene Handlungsweise, je nachdem sie an dem gegen-
wärtigen ursprünglichen Symptome eine Verschiedenheit der

Ursa-

Erſter Theil.
alſo auch die Krankheiten denſelben Geſetzen unterworfen,
aber nach der Verſchiedenheit der einwuͤrkenden Verhaͤltniſſe,
niemals vollkommen mit einander uͤbereinſtimmen, ſo kann
hier die Analogie auch niemals ganz vollſtaͤndig ſeyn, noch
die Heilart in zwey Krankheitsfaͤllen ſich ganz gleichen.

§ 79.

Weil alſo die krankhaften Erſcheinungen durch das ver-
ſchiedene Einwuͤrken der Verhaͤltniſſe auf den Menſchen, im-
mer verſchieden modificirt ſind, und deshalb ihre Heilart
auch in demſelben Verhaͤltniſſe modificirt ſeyn muß: ſo iſt es
ein unentbehrliches Beduͤrfniß fuͤr die Heilkunſt, mit dem
Cauſſalverhaͤltniſſe jener Erſcheinungen bekannt zu ſeyn, um
darnach die Anwendung der Heilkraͤfte abzumeſſen. Und
hierzu verhilft die Induction.

§ 80.

Hat naͤmlich die Heilkunſt nach mehreren Verſuchen den
entſcheidenden gewonnen, welcher ſie uͤberzeugt, daß ein ge-
wiſſer Umſtand, durch Einwuͤrkung auf die menſchliche Na-
tur ein beſtimmtes Symptom und als deſſen Folge wiederum
andre, dadurch aber eine ganze Krankheit hervorbringt, ſo
iſt ſie auf Entfernung dieſes urſpruͤnglichen Symptoms,
welches den uͤbrigen zum Grunde liegt, bedacht.

§ 81.

Weiß ſie ferner aus entſcheidenden Verſuchen, daß die-
ſes Symptom durch eine gewiſſe Handlungsweiſe entfernt
werde, ſo ſucht ſie das gehoͤrige Verhaͤltniß zwiſchen beyden
zu treffen, d. h. ſie modificirt die in gleichen Faͤllen heilſam
befundene Handlungsweiſe, je nachdem ſie an dem gegen-
waͤrtigen urſpruͤnglichen Symptome eine Verſchiedenheit der

Urſa-
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[28/0046] Erſter Theil. alſo auch die Krankheiten denſelben Geſetzen unterworfen, aber nach der Verſchiedenheit der einwuͤrkenden Verhaͤltniſſe, niemals vollkommen mit einander uͤbereinſtimmen, ſo kann hier die Analogie auch niemals ganz vollſtaͤndig ſeyn, noch die Heilart in zwey Krankheitsfaͤllen ſich ganz gleichen. § 79. Weil alſo die krankhaften Erſcheinungen durch das ver- ſchiedene Einwuͤrken der Verhaͤltniſſe auf den Menſchen, im- mer verſchieden modificirt ſind, und deshalb ihre Heilart auch in demſelben Verhaͤltniſſe modificirt ſeyn muß: ſo iſt es ein unentbehrliches Beduͤrfniß fuͤr die Heilkunſt, mit dem Cauſſalverhaͤltniſſe jener Erſcheinungen bekannt zu ſeyn, um darnach die Anwendung der Heilkraͤfte abzumeſſen. Und hierzu verhilft die Induction. § 80. Hat naͤmlich die Heilkunſt nach mehreren Verſuchen den entſcheidenden gewonnen, welcher ſie uͤberzeugt, daß ein ge- wiſſer Umſtand, durch Einwuͤrkung auf die menſchliche Na- tur ein beſtimmtes Symptom und als deſſen Folge wiederum andre, dadurch aber eine ganze Krankheit hervorbringt, ſo iſt ſie auf Entfernung dieſes urſpruͤnglichen Symptoms, welches den uͤbrigen zum Grunde liegt, bedacht. § 81. Weiß ſie ferner aus entſcheidenden Verſuchen, daß die- ſes Symptom durch eine gewiſſe Handlungsweiſe entfernt werde, ſo ſucht ſie das gehoͤrige Verhaͤltniß zwiſchen beyden zu treffen, d. h. ſie modificirt die in gleichen Faͤllen heilſam befundene Handlungsweiſe, je nachdem ſie an dem gegen- waͤrtigen urſpruͤnglichen Symptome eine Verſchiedenheit der Urſa-

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Zitationshilfe: Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/46>, abgerufen am 26.04.2024.