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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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zu fröhnen; die Sonntage und Festtage bieten ihm eine zu gute Gelegenheit, als daß er sie, ohne zu trinken, vorübergehen lassen könnte, und da ein rechter Festtag nie ohne einen folgenden zweiten ist, so geht das Gelage noch einen oder zwei Tage weiter fort. Jedermann weiß, wie schwer es hält, auch selbst die leichtesten Arbeiten an den Montagen und an den den Heiligenfesten folgenden Tagen zu verrichten. Es hat sogar nicht wenig Schwierigkeit, die Mitglieder mancher Handwerksinnungen zu bewegen, daß sie die ganze Woche hindurch arbeiten.

An den bezeichneten Tagen beginnt der Trinker, wie wir schon gezeigt haben, damit, bei seinem Erwachen sofort eine Anzahl Schnäpse oder mehre Gläser Wein durch die Gurgel zu jagen. Auch vor und nach dem Frühstücke trinkt er, und während der Mitte des Tages läßt er sich den sogenannten Mittagstrunk schmecken. Endlich kommt auch die Vesperzeit heran, und nun frage ich, wie es möglich sei, daß er unter solchen Umständen hat arbeiten, seinen Tagelohn redlich hat verdienen können? Arbeitet er im Gedinge, so wird er selbst nicht einmal genug verdienen, um seine Wirthshauszeche davon zu bezahlen, und geht es um's Tagelohn, so darf man geradezu sagen, daß er dem, für welchen er arbeitet, das Geld gleichsam aus der Tasche stiehlt.

Nicht zufrieden mit den Gelegenheiten zu Ausschweifungen, wie sie sich dem Schwelger nur zu oft und nicht umsonst darzubieten pflegen, sucht er deren auch sonst noch auf und zeigt sich darin sogar erfinderisch: so giebt es denn hier für den Maurergesellen einen Grundstein zu legen, den er dann nothwendigerweise mit Wein begießen muß und der die Arbeiten für mehre Tage aufhalten wird; oder es ist dort ein Schlußstein gesetzt worden; auch feiert er mit dem Zimmermann, dem Dachdecker ihre Richtfeste, oder es giebt in seiner Familie eine Taufe, eine Hochzeit, ein Begräbniß, einen Geburtstag, oder es kommen Kameraden an oder reisen ab, kurz, es

zu fröhnen; die Sonntage und Festtage bieten ihm eine zu gute Gelegenheit, als daß er sie, ohne zu trinken, vorübergehen lassen könnte, und da ein rechter Festtag nie ohne einen folgenden zweiten ist, so geht das Gelage noch einen oder zwei Tage weiter fort. Jedermann weiß, wie schwer es hält, auch selbst die leichtesten Arbeiten an den Montagen und an den den Heiligenfesten folgenden Tagen zu verrichten. Es hat sogar nicht wenig Schwierigkeit, die Mitglieder mancher Handwerksinnungen zu bewegen, daß sie die ganze Woche hindurch arbeiten.

An den bezeichneten Tagen beginnt der Trinker, wie wir schon gezeigt haben, damit, bei seinem Erwachen sofort eine Anzahl Schnäpse oder mehre Gläser Wein durch die Gurgel zu jagen. Auch vor und nach dem Frühstücke trinkt er, und während der Mitte des Tages läßt er sich den sogenannten Mittagstrunk schmecken. Endlich kommt auch die Vesperzeit heran, und nun frage ich, wie es möglich sei, daß er unter solchen Umständen hat arbeiten, seinen Tagelohn redlich hat verdienen können? Arbeitet er im Gedinge, so wird er selbst nicht einmal genug verdienen, um seine Wirthshauszeche davon zu bezahlen, und geht es um’s Tagelohn, so darf man geradezu sagen, daß er dem, für welchen er arbeitet, das Geld gleichsam aus der Tasche stiehlt.

Nicht zufrieden mit den Gelegenheiten zu Ausschweifungen, wie sie sich dem Schwelger nur zu oft und nicht umsonst darzubieten pflegen, sucht er deren auch sonst noch auf und zeigt sich darin sogar erfinderisch: so giebt es denn hier für den Maurergesellen einen Grundstein zu legen, den er dann nothwendigerweise mit Wein begießen muß und der die Arbeiten für mehre Tage aufhalten wird; oder es ist dort ein Schlußstein gesetzt worden; auch feiert er mit dem Zimmermann, dem Dachdecker ihre Richtfeste, oder es giebt in seiner Familie eine Taufe, eine Hochzeit, ein Begräbniß, einen Geburtstag, oder es kommen Kameraden an oder reisen ab, kurz, es

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[23/0033] zu fröhnen; die Sonntage und Festtage bieten ihm eine zu gute Gelegenheit, als daß er sie, ohne zu trinken, vorübergehen lassen könnte, und da ein rechter Festtag nie ohne einen folgenden zweiten ist, so geht das Gelage noch einen oder zwei Tage weiter fort. Jedermann weiß, wie schwer es hält, auch selbst die leichtesten Arbeiten an den Montagen und an den den Heiligenfesten folgenden Tagen zu verrichten. Es hat sogar nicht wenig Schwierigkeit, die Mitglieder mancher Handwerksinnungen zu bewegen, daß sie die ganze Woche hindurch arbeiten. An den bezeichneten Tagen beginnt der Trinker, wie wir schon gezeigt haben, damit, bei seinem Erwachen sofort eine Anzahl Schnäpse oder mehre Gläser Wein durch die Gurgel zu jagen. Auch vor und nach dem Frühstücke trinkt er, und während der Mitte des Tages läßt er sich den sogenannten Mittagstrunk schmecken. Endlich kommt auch die Vesperzeit heran, und nun frage ich, wie es möglich sei, daß er unter solchen Umständen hat arbeiten, seinen Tagelohn redlich hat verdienen können? Arbeitet er im Gedinge, so wird er selbst nicht einmal genug verdienen, um seine Wirthshauszeche davon zu bezahlen, und geht es um’s Tagelohn, so darf man geradezu sagen, daß er dem, für welchen er arbeitet, das Geld gleichsam aus der Tasche stiehlt. Nicht zufrieden mit den Gelegenheiten zu Ausschweifungen, wie sie sich dem Schwelger nur zu oft und nicht umsonst darzubieten pflegen, sucht er deren auch sonst noch auf und zeigt sich darin sogar erfinderisch: so giebt es denn hier für den Maurergesellen einen Grundstein zu legen, den er dann nothwendigerweise mit Wein begießen muß und der die Arbeiten für mehre Tage aufhalten wird; oder es ist dort ein Schlußstein gesetzt worden; auch feiert er mit dem Zimmermann, dem Dachdecker ihre Richtfeste, oder es giebt in seiner Familie eine Taufe, eine Hochzeit, ein Begräbniß, einen Geburtstag, oder es kommen Kameraden an oder reisen ab, kurz, es

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/33>, abgerufen am 26.04.2024.