Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

nämlich, daß, wo eine starke reproduktive Thätigkeit, welche
in den Geschlechtsorganen vorherrscht, verbunden mit zu reich-
licher Diät und weniger Körperbewegung, das Uebermaaß in
der Menstrualfunktion veranlaßt, die Wirkungen derselben zu-
vörderst eher wohlthätig als nachtheilig erscheinen, allein daß
bey sehr häufiger Wiederkehr so starker Ausscheidungen die
Uteringefäße sich erweitern, erschlaffen, und, indem diese ha-
bituell gewordenen Ausleerungen auch ohne allgemeine reich-
lichere Bluterzeugung fortdauern (dann als sogenannte passive
Blutungen), zuletzt allgemeine und örtliche Krankheiten, als
Wassersucht, Gelbsucht, Auszehrung, Unfruchtbarkeit, Vor-
fälle und weißen Fluß herbeyführen, weßhalb denn hier also
die Prognose vorzüglich auf die Dauer des Uebels Rücksicht
zu nehmen hat. -- Noch leichter und schneller entstehen die
erwähnten Zufälle jedoch, wenn die übermäßige Menstruation
mehr durch Vorwalten der Sensibilität der Geschlechtsorgane,
und durch äußere die Reitzbarkeit krankhaft erhöhende Ein-
flüße (§. 195. 2.) erzeugt worden war, als unter welchen
Umständen Schwäche des Muskularsystems, Sinken der assi-
milativen Funktion, Ueberhandnehmen der Reitzbarkeit entsteht
und so zu Nervenzufällen, Gemüthskrankheiten u. s. w. der
Weg gebahnt ist.

§. 197.

Ist ferner die allzureichliche Menstruation Folge einer
durch zu häufige Wochenbetten u. s. w. verursachten Atonie
der Uteringefäße, so werden die im vorigen Paragraph er-
wähnten Beschwerden nur um so rascher sich einstellen, ja
dem Leben endlich gefährlich werden können; und es gilt
dasselbe auch dann, wenn dieser Blutverlust durch organische
Verbildungen (§. 194. 3.) erzeugt wird, wo, obgleich hier
der Blutfluß eigentlich nur Symptom einer andern Krankheit
ist, doch das Sinken allgemeiner Reproduktion, welches an
und für sich schon diese Krankheiten begleitet, dadurch nur
noch mehr beschleunigt wird. Was endlich die Fälle betrifft,
wo diese Abnormität der Menstrualfunktion durch Krankheiten
anderer und vorzüglich der Unterleibsorgane bedingt wird, so
richtet sich hier Verlauf und Prognose wieder ganz nach die-

naͤmlich, daß, wo eine ſtarke reproduktive Thaͤtigkeit, welche
in den Geſchlechtsorganen vorherrſcht, verbunden mit zu reich-
licher Diaͤt und weniger Koͤrperbewegung, das Uebermaaß in
der Menſtrualfunktion veranlaßt, die Wirkungen derſelben zu-
voͤrderſt eher wohlthaͤtig als nachtheilig erſcheinen, allein daß
bey ſehr haͤufiger Wiederkehr ſo ſtarker Ausſcheidungen die
Uteringefaͤße ſich erweitern, erſchlaffen, und, indem dieſe ha-
bituell gewordenen Ausleerungen auch ohne allgemeine reich-
lichere Bluterzeugung fortdauern (dann als ſogenannte paſſive
Blutungen), zuletzt allgemeine und oͤrtliche Krankheiten, als
Waſſerſucht, Gelbſucht, Auszehrung, Unfruchtbarkeit, Vor-
faͤlle und weißen Fluß herbeyfuͤhren, weßhalb denn hier alſo
die Prognoſe vorzuͤglich auf die Dauer des Uebels Ruͤckſicht
zu nehmen hat. — Noch leichter und ſchneller entſtehen die
erwaͤhnten Zufaͤlle jedoch, wenn die uͤbermaͤßige Menſtruation
mehr durch Vorwalten der Senſibilitaͤt der Geſchlechtsorgane,
und durch aͤußere die Reitzbarkeit krankhaft erhoͤhende Ein-
fluͤße (§. 195. 2.) erzeugt worden war, als unter welchen
Umſtaͤnden Schwaͤche des Muskularſyſtems, Sinken der aſſi-
milativen Funktion, Ueberhandnehmen der Reitzbarkeit entſteht
und ſo zu Nervenzufaͤllen, Gemuͤthskrankheiten u. ſ. w. der
Weg gebahnt iſt.

§. 197.

Iſt ferner die allzureichliche Menſtruation Folge einer
durch zu haͤufige Wochenbetten u. ſ. w. verurſachten Atonie
der Uteringefaͤße, ſo werden die im vorigen Paragraph er-
waͤhnten Beſchwerden nur um ſo raſcher ſich einſtellen, ja
dem Leben endlich gefaͤhrlich werden koͤnnen; und es gilt
daſſelbe auch dann, wenn dieſer Blutverluſt durch organiſche
Verbildungen (§. 194. 3.) erzeugt wird, wo, obgleich hier
der Blutfluß eigentlich nur Symptom einer andern Krankheit
iſt, doch das Sinken allgemeiner Reproduktion, welches an
und fuͤr ſich ſchon dieſe Krankheiten begleitet, dadurch nur
noch mehr beſchleunigt wird. Was endlich die Faͤlle betrifft,
wo dieſe Abnormitaͤt der Menſtrualfunktion durch Krankheiten
anderer und vorzuͤglich der Unterleibsorgane bedingt wird, ſo
richtet ſich hier Verlauf und Prognoſe wieder ganz nach die-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0166" n="146"/>
na&#x0364;mlich, daß, wo eine &#x017F;tarke reproduktive Tha&#x0364;tigkeit, welche<lb/>
in den Ge&#x017F;chlechtsorganen vorherr&#x017F;cht, verbunden mit zu reich-<lb/>
licher Dia&#x0364;t und weniger Ko&#x0364;rperbewegung, das Uebermaaß in<lb/>
der Men&#x017F;trualfunktion veranlaßt, die Wirkungen der&#x017F;elben zu-<lb/>
vo&#x0364;rder&#x017F;t eher wohltha&#x0364;tig als nachtheilig er&#x017F;cheinen, allein daß<lb/>
bey &#x017F;ehr ha&#x0364;ufiger Wiederkehr &#x017F;o &#x017F;tarker Aus&#x017F;cheidungen die<lb/>
Uteringefa&#x0364;ße &#x017F;ich erweitern, er&#x017F;chlaffen, und, indem die&#x017F;e ha-<lb/>
bituell gewordenen Ausleerungen auch ohne allgemeine reich-<lb/>
lichere Bluterzeugung fortdauern (dann als &#x017F;ogenannte pa&#x017F;&#x017F;ive<lb/>
Blutungen), zuletzt allgemeine und o&#x0364;rtliche Krankheiten, als<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht, Gelb&#x017F;ucht, Auszehrung, Unfruchtbarkeit, Vor-<lb/>
fa&#x0364;lle und weißen Fluß herbeyfu&#x0364;hren, weßhalb denn hier al&#x017F;o<lb/>
die Progno&#x017F;e vorzu&#x0364;glich auf die Dauer des Uebels Ru&#x0364;ck&#x017F;icht<lb/>
zu nehmen hat. &#x2014; Noch leichter und &#x017F;chneller ent&#x017F;tehen die<lb/>
erwa&#x0364;hnten Zufa&#x0364;lle jedoch, wenn die u&#x0364;berma&#x0364;ßige Men&#x017F;truation<lb/>
mehr durch Vorwalten der Sen&#x017F;ibilita&#x0364;t der Ge&#x017F;chlechtsorgane,<lb/>
und durch a&#x0364;ußere die Reitzbarkeit krankhaft erho&#x0364;hende Ein-<lb/>
flu&#x0364;ße (§. 195. 2.) erzeugt worden war, als unter welchen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden Schwa&#x0364;che des Muskular&#x017F;y&#x017F;tems, Sinken der a&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
milativen Funktion, Ueberhandnehmen der Reitzbarkeit ent&#x017F;teht<lb/>
und &#x017F;o zu Nervenzufa&#x0364;llen, Gemu&#x0364;thskrankheiten u. &#x017F;. w. der<lb/>
Weg gebahnt i&#x017F;t.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 197.</head><lb/>
                        <p>I&#x017F;t ferner die allzureichliche Men&#x017F;truation Folge einer<lb/>
durch zu ha&#x0364;ufige Wochenbetten u. &#x017F;. w. verur&#x017F;achten Atonie<lb/>
der Uteringefa&#x0364;ße, &#x017F;o werden die im vorigen Paragraph er-<lb/>
wa&#x0364;hnten Be&#x017F;chwerden nur um &#x017F;o ra&#x017F;cher &#x017F;ich ein&#x017F;tellen, ja<lb/>
dem Leben endlich gefa&#x0364;hrlich werden ko&#x0364;nnen; und es gilt<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe auch dann, wenn die&#x017F;er Blutverlu&#x017F;t durch organi&#x017F;che<lb/>
Verbildungen (§. 194. 3.) erzeugt wird, wo, obgleich hier<lb/>
der Blutfluß eigentlich nur Symptom einer andern Krankheit<lb/>
i&#x017F;t, doch das Sinken allgemeiner Reproduktion, welches an<lb/>
und fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;chon die&#x017F;e Krankheiten begleitet, dadurch nur<lb/>
noch mehr be&#x017F;chleunigt wird. Was endlich die Fa&#x0364;lle betrifft,<lb/>
wo die&#x017F;e Abnormita&#x0364;t der Men&#x017F;trualfunktion durch Krankheiten<lb/>
anderer und vorzu&#x0364;glich der Unterleibsorgane bedingt wird, &#x017F;o<lb/>
richtet &#x017F;ich hier Verlauf und Progno&#x017F;e wieder ganz nach die-<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0166] naͤmlich, daß, wo eine ſtarke reproduktive Thaͤtigkeit, welche in den Geſchlechtsorganen vorherrſcht, verbunden mit zu reich- licher Diaͤt und weniger Koͤrperbewegung, das Uebermaaß in der Menſtrualfunktion veranlaßt, die Wirkungen derſelben zu- voͤrderſt eher wohlthaͤtig als nachtheilig erſcheinen, allein daß bey ſehr haͤufiger Wiederkehr ſo ſtarker Ausſcheidungen die Uteringefaͤße ſich erweitern, erſchlaffen, und, indem dieſe ha- bituell gewordenen Ausleerungen auch ohne allgemeine reich- lichere Bluterzeugung fortdauern (dann als ſogenannte paſſive Blutungen), zuletzt allgemeine und oͤrtliche Krankheiten, als Waſſerſucht, Gelbſucht, Auszehrung, Unfruchtbarkeit, Vor- faͤlle und weißen Fluß herbeyfuͤhren, weßhalb denn hier alſo die Prognoſe vorzuͤglich auf die Dauer des Uebels Ruͤckſicht zu nehmen hat. — Noch leichter und ſchneller entſtehen die erwaͤhnten Zufaͤlle jedoch, wenn die uͤbermaͤßige Menſtruation mehr durch Vorwalten der Senſibilitaͤt der Geſchlechtsorgane, und durch aͤußere die Reitzbarkeit krankhaft erhoͤhende Ein- fluͤße (§. 195. 2.) erzeugt worden war, als unter welchen Umſtaͤnden Schwaͤche des Muskularſyſtems, Sinken der aſſi- milativen Funktion, Ueberhandnehmen der Reitzbarkeit entſteht und ſo zu Nervenzufaͤllen, Gemuͤthskrankheiten u. ſ. w. der Weg gebahnt iſt. §. 197. Iſt ferner die allzureichliche Menſtruation Folge einer durch zu haͤufige Wochenbetten u. ſ. w. verurſachten Atonie der Uteringefaͤße, ſo werden die im vorigen Paragraph er- waͤhnten Beſchwerden nur um ſo raſcher ſich einſtellen, ja dem Leben endlich gefaͤhrlich werden koͤnnen; und es gilt daſſelbe auch dann, wenn dieſer Blutverluſt durch organiſche Verbildungen (§. 194. 3.) erzeugt wird, wo, obgleich hier der Blutfluß eigentlich nur Symptom einer andern Krankheit iſt, doch das Sinken allgemeiner Reproduktion, welches an und fuͤr ſich ſchon dieſe Krankheiten begleitet, dadurch nur noch mehr beſchleunigt wird. Was endlich die Faͤlle betrifft, wo dieſe Abnormitaͤt der Menſtrualfunktion durch Krankheiten anderer und vorzuͤglich der Unterleibsorgane bedingt wird, ſo richtet ſich hier Verlauf und Prognoſe wieder ganz nach die-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/166
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/166>, abgerufen am 27.04.2024.