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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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cerasi, zum mindesten hat die Erfahrung noch nicht so ent-
schieden für dieselben gesprochen. Mehr mit scharfem Stoffe
verbunden ist das Narkotische in der Belladonna, indeß wirkt
sie gerade deßhalb wohl in convulsivischen Krankheiten sehr
nützlich *).

§. 267.

Weniger narkotisch, aber durch ihre Mischung aus bit-
tern und ätherisch-öhligten Stoffen zugleich das Muskel- und
Nervensystem in Anspruch nehmend, und deßhalb den krankhaften
Conflict beider (Krampf) vorzüglich zu beseitigen geeignet, sind
die Valeriana, die Flor. Chamomill., Hb. Melissae u. s. w. --
Besonders ist der Baldrian ein mit Recht geschätztes Mittel
für viele der oben beschriebenen Entwicklungszufälle, sobald er
nur in hinlänglich starker Gabe (etwa nach Osiander zu
einer halben bis ganzen Unze täglich) und in Pulverform an-
gewendet wird. -- Verwandt in der Wirkung sind den ge-
nannten ferner einige thierische Substanzen, nämlich das Ca-
storeum
und der Moschus, von welchen das erstere mehr
den Sensibilitätsstörungen in den Unterleibsnerven, das zweite
mehr den Störungen im Centralnervensystem angemessen
scheint; und einige Mittel aus der Reihe der metallischen, als
die Flor. Zinci und Magisterium Bismuthi, welche bey
Abwesenheit von gastrischen Zuständen und Säureerzeugung, so
wie von entzündlicher Diathesis besonders in Krampfzufällen
mit Nutzen gebraucht werden. -- Alle diese Mittel bilden
übrigens durch ihre schon mehr erregende Wirkung den Ueber-
gang zu den eigentlichen flüchtigen Reitzmitteln, von welchen
jedoch gerade in diesen Entwicklungskrankheiten im Ganzen
seltner Gebrauch zu machen ist. -- Zuerst aber ist hier der
arzneylichen Anwendung des Weins zu gedenken, welcher durch
eine beruhigende, der erregenden bald nachfolgende Wirkung
sich noch den narkotischen Mitteln in etwas verwandt zeigt,
und daher bey schwächlichen, reitzbaren, kleinmüthigen, mit
Zittern, Sinnesschwäche und ähnlichen Beschwerden behafteten

*) S. Osiander über d. Entwicklungskrankheiten. 2r Thl. S. 297.
und Harles Jahrbücher d. teut. Medic. u. Chir. II. Bd. 1s Hft.

cerasi, zum mindeſten hat die Erfahrung noch nicht ſo ent-
ſchieden fuͤr dieſelben geſprochen. Mehr mit ſcharfem Stoffe
verbunden iſt das Narkotiſche in der Belladonna, indeß wirkt
ſie gerade deßhalb wohl in convulſiviſchen Krankheiten ſehr
nuͤtzlich *).

§. 267.

Weniger narkotiſch, aber durch ihre Miſchung aus bit-
tern und aͤtheriſch-oͤhligten Stoffen zugleich das Muskel- und
Nervenſyſtem in Anſpruch nehmend, und deßhalb den krankhaften
Conflict beider (Krampf) vorzuͤglich zu beſeitigen geeignet, ſind
die Valeriana, die Flor. Chamomill., Hb. Melissae u. ſ. w. —
Beſonders iſt der Baldrian ein mit Recht geſchaͤtztes Mittel
fuͤr viele der oben beſchriebenen Entwicklungszufaͤlle, ſobald er
nur in hinlaͤnglich ſtarker Gabe (etwa nach Oſiander zu
einer halben bis ganzen Unze taͤglich) und in Pulverform an-
gewendet wird. — Verwandt in der Wirkung ſind den ge-
nannten ferner einige thieriſche Subſtanzen, naͤmlich das Ca-
storeum
und der Moschus, von welchen das erſtere mehr
den Senſibilitaͤtsſtoͤrungen in den Unterleibsnerven, das zweite
mehr den Stoͤrungen im Centralnervenſyſtem angemeſſen
ſcheint; und einige Mittel aus der Reihe der metalliſchen, als
die Flor. Zinci und Magisterium Bismuthi, welche bey
Abweſenheit von gaſtriſchen Zuſtaͤnden und Saͤureerzeugung, ſo
wie von entzuͤndlicher Diatheſis beſonders in Krampfzufaͤllen
mit Nutzen gebraucht werden. — Alle dieſe Mittel bilden
uͤbrigens durch ihre ſchon mehr erregende Wirkung den Ueber-
gang zu den eigentlichen fluͤchtigen Reitzmitteln, von welchen
jedoch gerade in dieſen Entwicklungskrankheiten im Ganzen
ſeltner Gebrauch zu machen iſt. — Zuerſt aber iſt hier der
arzneylichen Anwendung des Weins zu gedenken, welcher durch
eine beruhigende, der erregenden bald nachfolgende Wirkung
ſich noch den narkotiſchen Mitteln in etwas verwandt zeigt,
und daher bey ſchwaͤchlichen, reitzbaren, kleinmuͤthigen, mit
Zittern, Sinnesſchwaͤche und aͤhnlichen Beſchwerden behafteten

*) S. Oſiander uͤber d. Entwicklungskrankheiten. 2r Thl. S. 297.
und Harles Jahrbuͤcher d. teut. Medic. u. Chir. II. Bd. 1s Hft.
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[206/0226] cerasi, zum mindeſten hat die Erfahrung noch nicht ſo ent- ſchieden fuͤr dieſelben geſprochen. Mehr mit ſcharfem Stoffe verbunden iſt das Narkotiſche in der Belladonna, indeß wirkt ſie gerade deßhalb wohl in convulſiviſchen Krankheiten ſehr nuͤtzlich *). §. 267. Weniger narkotiſch, aber durch ihre Miſchung aus bit- tern und aͤtheriſch-oͤhligten Stoffen zugleich das Muskel- und Nervenſyſtem in Anſpruch nehmend, und deßhalb den krankhaften Conflict beider (Krampf) vorzuͤglich zu beſeitigen geeignet, ſind die Valeriana, die Flor. Chamomill., Hb. Melissae u. ſ. w. — Beſonders iſt der Baldrian ein mit Recht geſchaͤtztes Mittel fuͤr viele der oben beſchriebenen Entwicklungszufaͤlle, ſobald er nur in hinlaͤnglich ſtarker Gabe (etwa nach Oſiander zu einer halben bis ganzen Unze taͤglich) und in Pulverform an- gewendet wird. — Verwandt in der Wirkung ſind den ge- nannten ferner einige thieriſche Subſtanzen, naͤmlich das Ca- storeum und der Moschus, von welchen das erſtere mehr den Senſibilitaͤtsſtoͤrungen in den Unterleibsnerven, das zweite mehr den Stoͤrungen im Centralnervenſyſtem angemeſſen ſcheint; und einige Mittel aus der Reihe der metalliſchen, als die Flor. Zinci und Magisterium Bismuthi, welche bey Abweſenheit von gaſtriſchen Zuſtaͤnden und Saͤureerzeugung, ſo wie von entzuͤndlicher Diatheſis beſonders in Krampfzufaͤllen mit Nutzen gebraucht werden. — Alle dieſe Mittel bilden uͤbrigens durch ihre ſchon mehr erregende Wirkung den Ueber- gang zu den eigentlichen fluͤchtigen Reitzmitteln, von welchen jedoch gerade in dieſen Entwicklungskrankheiten im Ganzen ſeltner Gebrauch zu machen iſt. — Zuerſt aber iſt hier der arzneylichen Anwendung des Weins zu gedenken, welcher durch eine beruhigende, der erregenden bald nachfolgende Wirkung ſich noch den narkotiſchen Mitteln in etwas verwandt zeigt, und daher bey ſchwaͤchlichen, reitzbaren, kleinmuͤthigen, mit Zittern, Sinnesſchwaͤche und aͤhnlichen Beſchwerden behafteten *) S. Oſiander uͤber d. Entwicklungskrankheiten. 2r Thl. S. 297. und Harles Jahrbuͤcher d. teut. Medic. u. Chir. II. Bd. 1s Hft.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/226>, abgerufen am 26.04.2024.