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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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hauptslagen schon sehr selten vor *), auch gehen sie fast im-
mer, sobald der Kopf in die Beckenhöhle getreten ist, in
Hinterhauptsgeburten über, welches wenigstens von der ersten
und zweiten Scheitellage in der vierten Geburtsperiode
immer gilt, da der Kopf mit dem Scheitel völlig voraus-
gehend, nur sehr schwer zum Durchschneiden kommen würde.
Die dritte und vierte Scheitellage betreffend, so kann sie
leicht in eine Gesichtsgeburt (und zwar in die erste und
zweite) übergehen, wenn die Stirn nämlich früher in das
Becken herabsinkt als das Hinterhaupt.

Dritte Ordnung: Gesichtsgeburt (Partus
facie praevia
).
§. 829.

In dieser Geburtsweise ist es, wo das Kinn am stärk-
sten von der Brust entfernt, und der Kopf stark rücklings
über gebogen ist, demungeachtet kann auch in dieser Stel-
lung die Geburt glücklich für Mutter und Kind beendigt
werden, so sehr man auch früher daran zweifelte, und alle
Gesichtslagen als regelwidrig ansehend, sie insgesammt an
die operative Kunsthülfe verwies **). -- Im Ganzen gehören
indeß auch diese Lagen zu den seltner vorkommenden, und es
ist oft unter 200 Geburtsfällen kaum eine Gesichtsgeburt ***).

*) Wenn man früher blos die Scheitellagen für die regelmäßigen
erklärte, so kam dieß wohl daher, daß man jede Geburt, wo sich
die Pfeilnath zu unterst fühlen ließ, Scheitelgeburt nannte,
welchen Namen jedoch blos die Geburten, wo die große Fontanelle
zu unterst steht, verdienen.
**) Vorzüglich durch Boer's trefflichen Aufsatz über Gesichtsgebur-
ten (in. s. Versuchen u. Abhandi. III. Buch) ist dieses Vorurtheil
widerlegt worden.
***) In der Pariser Maternite verhielt sich nach J. Fr. Osiander's
Mittheilung die Zahl der Gesichtsgeburten zur Zahl der Geburten
überhaupt wie 1 zu 296 1/2.

hauptslagen ſchon ſehr ſelten vor *), auch gehen ſie faſt im-
mer, ſobald der Kopf in die Beckenhoͤhle getreten iſt, in
Hinterhauptsgeburten uͤber, welches wenigſtens von der erſten
und zweiten Scheitellage in der vierten Geburtsperiode
immer gilt, da der Kopf mit dem Scheitel voͤllig voraus-
gehend, nur ſehr ſchwer zum Durchſchneiden kommen wuͤrde.
Die dritte und vierte Scheitellage betreffend, ſo kann ſie
leicht in eine Geſichtsgeburt (und zwar in die erſte und
zweite) uͤbergehen, wenn die Stirn naͤmlich fruͤher in das
Becken herabſinkt als das Hinterhaupt.

Dritte Ordnung: Geſichtsgeburt (Partus
facie praevia
).
§. 829.

In dieſer Geburtsweiſe iſt es, wo das Kinn am ſtaͤrk-
ſten von der Bruſt entfernt, und der Kopf ſtark ruͤcklings
uͤber gebogen iſt, demungeachtet kann auch in dieſer Stel-
lung die Geburt gluͤcklich fuͤr Mutter und Kind beendigt
werden, ſo ſehr man auch fruͤher daran zweifelte, und alle
Geſichtslagen als regelwidrig anſehend, ſie insgeſammt an
die operative Kunſthuͤlfe verwies **). — Im Ganzen gehoͤren
indeß auch dieſe Lagen zu den ſeltner vorkommenden, und es
iſt oft unter 200 Geburtsfaͤllen kaum eine Geſichtsgeburt ***).

*) Wenn man fruͤher blos die Scheitellagen fuͤr die regelmaͤßigen
erklaͤrte, ſo kam dieß wohl daher, daß man jede Geburt, wo ſich
die Pfeilnath zu unterſt fuͤhlen ließ, Scheitelgeburt nannte,
welchen Namen jedoch blos die Geburten, wo die große Fontanelle
zu unterſt ſteht, verdienen.
**) Vorzuͤglich durch Boër’s trefflichen Aufſatz uͤber Geſichtsgebur-
ten (in. ſ. Verſuchen u. Abhandi. III. Buch) iſt dieſes Vorurtheil
widerlegt worden.
***) In der Pariſer Maternité verhielt ſich nach J. Fr. Oſiander’s
Mittheilung die Zahl der Geſichtsgeburten zur Zahl der Geburten
uͤberhaupt wie 1 zu 296 ½.
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[114/0138] hauptslagen ſchon ſehr ſelten vor *), auch gehen ſie faſt im- mer, ſobald der Kopf in die Beckenhoͤhle getreten iſt, in Hinterhauptsgeburten uͤber, welches wenigſtens von der erſten und zweiten Scheitellage in der vierten Geburtsperiode immer gilt, da der Kopf mit dem Scheitel voͤllig voraus- gehend, nur ſehr ſchwer zum Durchſchneiden kommen wuͤrde. Die dritte und vierte Scheitellage betreffend, ſo kann ſie leicht in eine Geſichtsgeburt (und zwar in die erſte und zweite) uͤbergehen, wenn die Stirn naͤmlich fruͤher in das Becken herabſinkt als das Hinterhaupt. Dritte Ordnung: Geſichtsgeburt (Partus facie praevia). §. 829. In dieſer Geburtsweiſe iſt es, wo das Kinn am ſtaͤrk- ſten von der Bruſt entfernt, und der Kopf ſtark ruͤcklings uͤber gebogen iſt, demungeachtet kann auch in dieſer Stel- lung die Geburt gluͤcklich fuͤr Mutter und Kind beendigt werden, ſo ſehr man auch fruͤher daran zweifelte, und alle Geſichtslagen als regelwidrig anſehend, ſie insgeſammt an die operative Kunſthuͤlfe verwies **). — Im Ganzen gehoͤren indeß auch dieſe Lagen zu den ſeltner vorkommenden, und es iſt oft unter 200 Geburtsfaͤllen kaum eine Geſichtsgeburt ***). *) Wenn man fruͤher blos die Scheitellagen fuͤr die regelmaͤßigen erklaͤrte, ſo kam dieß wohl daher, daß man jede Geburt, wo ſich die Pfeilnath zu unterſt fuͤhlen ließ, Scheitelgeburt nannte, welchen Namen jedoch blos die Geburten, wo die große Fontanelle zu unterſt ſteht, verdienen. **) Vorzuͤglich durch Boër’s trefflichen Aufſatz uͤber Geſichtsgebur- ten (in. ſ. Verſuchen u. Abhandi. III. Buch) iſt dieſes Vorurtheil widerlegt worden. ***) In der Pariſer Maternité verhielt ſich nach J. Fr. Oſiander’s Mittheilung die Zahl der Geſichtsgeburten zur Zahl der Geburten uͤberhaupt wie 1 zu 296 ½.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/138>, abgerufen am 26.04.2024.