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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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Nieren scheiden regelmäßig Urin aus, und dieser selbst ist
von anderer Beschaffenheit, indem nach und nach Phosphor-
säure darin bemerklich wird. -- Das Geschlechtssystem bleibt
auch im Säugling noch im Zustande der Unthätigkeit.

Im Allgemeinen bemerken wir also, daß selbst im ve-
getativen Leben, die der individuellen Reproduktion entgegen-
gesetzte Seite (der Athmung und Ausscheidung) mehr hervor-
tritt, und erklären dadurch, weßhalb das Wachsthum des
Körpers, obwohl es gegen die spätern Perioden immer noch
rasch genug von Statten geht, doch gegen das Wachsthunt
im Fetus sich schon beträchtlich gemindert hat.

§. 883.

II. Animales Leben. Auch diese Seite (welche
ebenfalls der individuellen Reproduktion entgegengesetzt ist,
und das abnehmende Wachsthum durch ihr Erwachen mit
erklärt) beginnt jetzt ihr Vermögen zu entwickeln. Was die
Sinnesorgane betrifft, so sehen wir das Auge sich öffnen,
der Eindruck des Lichts wirkt auf das Kind schon in den
ersten Lebenstagen mächtig und reizend ein, obwohl man
noch nicht sagen kann, es sehe, welches erst nach und
nach gelernt werden muß. Die Pauckenhöhle, welche an-
fänglich mit Schleim gefüllt ist *), entleert sich nach und
nach durch die Tuba Eustachii, und das Kind lernt nach
und nach einen Schall wahrnehmen. Eben so wird die Haut
nach aufgehobenem Drucke des Schafwassers zu Gefühlswahr-
nehmungen fähig; der Geruch entsteht mit der Respiration,
denn auch der Erwachsene riecht bekanntlich nur, indem er
Luft einzieht, d. i. die Luft die Nasenhöhle durchströmen läßt,
und mit ihm bildet sich wohl nach und nach auch einige Ge-
schmacksempfindung aus.

§. 884.

Hirn und Nerven sind immer noch weich; bemer-
kenswerth aber ist es, daß nun auch die in Heben und

*) S. Portal's Bemerkungen in Meckel's Archiv für Physiol.
IV. Bd. 4. Heft.

Nieren ſcheiden regelmaͤßig Urin aus, und dieſer ſelbſt iſt
von anderer Beſchaffenheit, indem nach und nach Phosphor-
ſaͤure darin bemerklich wird. — Das Geſchlechtsſyſtem bleibt
auch im Saͤugling noch im Zuſtande der Unthaͤtigkeit.

Im Allgemeinen bemerken wir alſo, daß ſelbſt im ve-
getativen Leben, die der individuellen Reproduktion entgegen-
geſetzte Seite (der Athmung und Ausſcheidung) mehr hervor-
tritt, und erklaͤren dadurch, weßhalb das Wachsthum des
Koͤrpers, obwohl es gegen die ſpaͤtern Perioden immer noch
raſch genug von Statten geht, doch gegen das Wachsthunt
im Fetus ſich ſchon betraͤchtlich gemindert hat.

§. 883.

II. Animales Leben. Auch dieſe Seite (welche
ebenfalls der individuellen Reproduktion entgegengeſetzt iſt,
und das abnehmende Wachsthum durch ihr Erwachen mit
erklaͤrt) beginnt jetzt ihr Vermoͤgen zu entwickeln. Was die
Sinnesorgane betrifft, ſo ſehen wir das Auge ſich oͤffnen,
der Eindruck des Lichts wirkt auf das Kind ſchon in den
erſten Lebenstagen maͤchtig und reizend ein, obwohl man
noch nicht ſagen kann, es ſehe, welches erſt nach und
nach gelernt werden muß. Die Pauckenhoͤhle, welche an-
faͤnglich mit Schleim gefuͤllt iſt *), entleert ſich nach und
nach durch die Tuba Eustachii, und das Kind lernt nach
und nach einen Schall wahrnehmen. Eben ſo wird die Haut
nach aufgehobenem Drucke des Schafwaſſers zu Gefuͤhlswahr-
nehmungen faͤhig; der Geruch entſteht mit der Reſpiration,
denn auch der Erwachſene riecht bekanntlich nur, indem er
Luft einzieht, d. i. die Luft die Naſenhoͤhle durchſtroͤmen laͤßt,
und mit ihm bildet ſich wohl nach und nach auch einige Ge-
ſchmacksempfindung aus.

§. 884.

Hirn und Nerven ſind immer noch weich; bemer-
kenswerth aber iſt es, daß nun auch die in Heben und

*) S. Portal’s Bemerkungen in Meckel’s Archiv fuͤr Phyſiol.
IV. Bd. 4. Heft.
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[147/0171] Nieren ſcheiden regelmaͤßig Urin aus, und dieſer ſelbſt iſt von anderer Beſchaffenheit, indem nach und nach Phosphor- ſaͤure darin bemerklich wird. — Das Geſchlechtsſyſtem bleibt auch im Saͤugling noch im Zuſtande der Unthaͤtigkeit. Im Allgemeinen bemerken wir alſo, daß ſelbſt im ve- getativen Leben, die der individuellen Reproduktion entgegen- geſetzte Seite (der Athmung und Ausſcheidung) mehr hervor- tritt, und erklaͤren dadurch, weßhalb das Wachsthum des Koͤrpers, obwohl es gegen die ſpaͤtern Perioden immer noch raſch genug von Statten geht, doch gegen das Wachsthunt im Fetus ſich ſchon betraͤchtlich gemindert hat. §. 883. II. Animales Leben. Auch dieſe Seite (welche ebenfalls der individuellen Reproduktion entgegengeſetzt iſt, und das abnehmende Wachsthum durch ihr Erwachen mit erklaͤrt) beginnt jetzt ihr Vermoͤgen zu entwickeln. Was die Sinnesorgane betrifft, ſo ſehen wir das Auge ſich oͤffnen, der Eindruck des Lichts wirkt auf das Kind ſchon in den erſten Lebenstagen maͤchtig und reizend ein, obwohl man noch nicht ſagen kann, es ſehe, welches erſt nach und nach gelernt werden muß. Die Pauckenhoͤhle, welche an- faͤnglich mit Schleim gefuͤllt iſt *), entleert ſich nach und nach durch die Tuba Eustachii, und das Kind lernt nach und nach einen Schall wahrnehmen. Eben ſo wird die Haut nach aufgehobenem Drucke des Schafwaſſers zu Gefuͤhlswahr- nehmungen faͤhig; der Geruch entſteht mit der Reſpiration, denn auch der Erwachſene riecht bekanntlich nur, indem er Luft einzieht, d. i. die Luft die Naſenhoͤhle durchſtroͤmen laͤßt, und mit ihm bildet ſich wohl nach und nach auch einige Ge- ſchmacksempfindung aus. §. 884. Hirn und Nerven ſind immer noch weich; bemer- kenswerth aber iſt es, daß nun auch die in Heben und *) S. Portal’s Bemerkungen in Meckel’s Archiv fuͤr Phyſiol. IV. Bd. 4. Heft.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/171>, abgerufen am 26.04.2024.