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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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§. 1071.

Es ergiebt sich hieraus zugleich, wodurch dieser Zustand von
andern ihm oft sehr ähnlichen Zuständen am sichersten unter-
schieden werden könne. Von der bloßen Molenschwangerschaft
z. B., mit welcher er namentlich das schnellere Ausdehnen
des Leibes gemein hat, unterscheidet er sich durch die läugere
Dauer. Molenschwangerschaften nämlich pflegen nicht über
den vierten oder fünften Monat sich auszudehnen, dahingegen
die Wassersucht der beschwängerten Gebärmutter insgemein erst
in den spätern Monaten sich bildet, auch bei der erstern gar
keine Kindestheile und Kindesbewegungen sich zeigen, wohl
aber öfterer Blutabgang sich einstellt. Von der Bauchwasser-
sucht ohne Schwangerschaft wird die Wassersucht der beschwän-
gerten Gebärmutter durch die Zeichen der Schwangerschaft
überhaupt, so wie durch das weniger gestörte Allgemeinbefin-
den, den weniger heftigen Durst, den weniger verminderten
Harnabgang u. s. w. unterschieden. Endlich von der beträcht-
lichen Menge des Fruchtwassers ist das Vorhandenseyn von
Wasser außer den Eihäuten oder in der Uterinsubstanz ver-
schieden, durch die nur schwach zu fühlenden Kindestheile und
Kindesbewegungen, da im Gegentheil bei sehr vielem Frucht-
wasser die Bewegungen sehr stark gefühlt werden.

§. 1072.

Auch die gesammte Entwicklung der Krankheit hat mit
der Wassersucht des ungeschwängerten Uterus die größte Aehn-
lichkeit, indem bei Anhäufungen von Wasser in der Gebär-
mutterhöhle ebenfalls nach und nach dasselbe sich durch den
Muttermund zu entleeren pflegt, oder im Falle der längsten
Dauer doch durch die ersten Wehen ausgestoßen wird. Was-
seranhäufungen im Parenchyma des Uterus werden gewöhn-
lich erst durch die Lochien und durch die Wochenschweiße be-
seitigt. Die Prognose kann hier sonach im Allgemeinen sehr
günstig genannt werden, und nur wo die Wasseransammlungen
sehr bedeutend sind, wird dieselbe verschlimmert durch den
nachtheiligen Einfluß welchen sie oft auf die Ernährung des

§. 1071.

Es ergiebt ſich hieraus zugleich, wodurch dieſer Zuſtand von
andern ihm oft ſehr aͤhnlichen Zuſtaͤnden am ſicherſten unter-
ſchieden werden koͤnne. Von der bloßen Molenſchwangerſchaft
z. B., mit welcher er namentlich das ſchnellere Ausdehnen
des Leibes gemein hat, unterſcheidet er ſich durch die laͤugere
Dauer. Molenſchwangerſchaften naͤmlich pflegen nicht uͤber
den vierten oder fuͤnften Monat ſich auszudehnen, dahingegen
die Waſſerſucht der beſchwaͤngerten Gebaͤrmutter insgemein erſt
in den ſpaͤtern Monaten ſich bildet, auch bei der erſtern gar
keine Kindestheile und Kindesbewegungen ſich zeigen, wohl
aber oͤfterer Blutabgang ſich einſtellt. Von der Bauchwaſſer-
ſucht ohne Schwangerſchaft wird die Waſſerſucht der beſchwaͤn-
gerten Gebaͤrmutter durch die Zeichen der Schwangerſchaft
uͤberhaupt, ſo wie durch das weniger geſtoͤrte Allgemeinbefin-
den, den weniger heftigen Durſt, den weniger verminderten
Harnabgang u. ſ. w. unterſchieden. Endlich von der betraͤcht-
lichen Menge des Fruchtwaſſers iſt das Vorhandenſeyn von
Waſſer außer den Eihaͤuten oder in der Uterinſubſtanz ver-
ſchieden, durch die nur ſchwach zu fuͤhlenden Kindestheile und
Kindesbewegungen, da im Gegentheil bei ſehr vielem Frucht-
waſſer die Bewegungen ſehr ſtark gefuͤhlt werden.

§. 1072.

Auch die geſammte Entwicklung der Krankheit hat mit
der Waſſerſucht des ungeſchwaͤngerten Uterus die groͤßte Aehn-
lichkeit, indem bei Anhaͤufungen von Waſſer in der Gebaͤr-
mutterhoͤhle ebenfalls nach und nach daſſelbe ſich durch den
Muttermund zu entleeren pflegt, oder im Falle der laͤngſten
Dauer doch durch die erſten Wehen ausgeſtoßen wird. Waſ-
ſeranhaͤufungen im Parenchyma des Uterus werden gewoͤhn-
lich erſt durch die Lochien und durch die Wochenſchweiße be-
ſeitigt. Die Prognoſe kann hier ſonach im Allgemeinen ſehr
guͤnſtig genannt werden, und nur wo die Waſſeranſammlungen
ſehr bedeutend ſind, wird dieſelbe verſchlimmert durch den
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[252/0276] §. 1071. Es ergiebt ſich hieraus zugleich, wodurch dieſer Zuſtand von andern ihm oft ſehr aͤhnlichen Zuſtaͤnden am ſicherſten unter- ſchieden werden koͤnne. Von der bloßen Molenſchwangerſchaft z. B., mit welcher er namentlich das ſchnellere Ausdehnen des Leibes gemein hat, unterſcheidet er ſich durch die laͤugere Dauer. Molenſchwangerſchaften naͤmlich pflegen nicht uͤber den vierten oder fuͤnften Monat ſich auszudehnen, dahingegen die Waſſerſucht der beſchwaͤngerten Gebaͤrmutter insgemein erſt in den ſpaͤtern Monaten ſich bildet, auch bei der erſtern gar keine Kindestheile und Kindesbewegungen ſich zeigen, wohl aber oͤfterer Blutabgang ſich einſtellt. Von der Bauchwaſſer- ſucht ohne Schwangerſchaft wird die Waſſerſucht der beſchwaͤn- gerten Gebaͤrmutter durch die Zeichen der Schwangerſchaft uͤberhaupt, ſo wie durch das weniger geſtoͤrte Allgemeinbefin- den, den weniger heftigen Durſt, den weniger verminderten Harnabgang u. ſ. w. unterſchieden. Endlich von der betraͤcht- lichen Menge des Fruchtwaſſers iſt das Vorhandenſeyn von Waſſer außer den Eihaͤuten oder in der Uterinſubſtanz ver- ſchieden, durch die nur ſchwach zu fuͤhlenden Kindestheile und Kindesbewegungen, da im Gegentheil bei ſehr vielem Frucht- waſſer die Bewegungen ſehr ſtark gefuͤhlt werden. §. 1072. Auch die geſammte Entwicklung der Krankheit hat mit der Waſſerſucht des ungeſchwaͤngerten Uterus die groͤßte Aehn- lichkeit, indem bei Anhaͤufungen von Waſſer in der Gebaͤr- mutterhoͤhle ebenfalls nach und nach daſſelbe ſich durch den Muttermund zu entleeren pflegt, oder im Falle der laͤngſten Dauer doch durch die erſten Wehen ausgeſtoßen wird. Waſ- ſeranhaͤufungen im Parenchyma des Uterus werden gewoͤhn- lich erſt durch die Lochien und durch die Wochenſchweiße be- ſeitigt. Die Prognoſe kann hier ſonach im Allgemeinen ſehr guͤnſtig genannt werden, und nur wo die Waſſeranſammlungen ſehr bedeutend ſind, wird dieſelbe verſchlimmert durch den nachtheiligen Einfluß welchen ſie oft auf die Ernaͤhrung des

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/276>, abgerufen am 26.04.2024.