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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
beanspruchen, dessen hochdeutscher Name durch fiber auf Skt. babhru,
braun (auch ein Thiername) führt. Für die Schlange weist vielleicht
noch unser Unke auf anguis und hängt wie Aal, anguilla, egkhelus,
mit griech. ekhis und Skrt. ahi zusammen, während ein anderes Sans-
kritwort sarpa zu griech. erpeton, lat. serpens, wälisch sarff führt.
Wenn diesem Verzeichniß noch der Otter (Skrt. udras, griech. udra,
Wasserschlange, litt. udra, ahd. Otter), der Kuckuck oder Gauch
(Skrt. kokila, griech. kokkux, lat. cuculus) und der Rabe (Skrt.
karavas, griech. korax, lat. corvus, goth. hraban) angeschlossen
wird, so vervollständigt sich das Bild des den Ariern geläufigen Thier-
lebens so ziemlich. Da natürlich hier keine Etymologie der Thiernamen
gegeben werden kann und soll, darf nur noch daran erinnert werden,
daß eine nicht unbedeutende Anzahl solcher, mehreren zum arischen
Stamm gehörigen Sprachfamilien gemeinsam ist, während einzelne
Thiere, wie z. B. der Elch (Skrt. rcas, griech. und lat. alces, ahd.
elaho), erst später einen im arischen Wurzelvorrath sich findenden Na-
men erhielten. Eine Untersuchung derartiger Verhältnisse nach den
oben genannten Gesichtspunkten dürfte sehr lohnend werden. Hier mag
nur Folgendes noch eine Stelle finden.

Es fällt auf, daß in der obigen Liste manche Thiere fehlen, welche
man gern als älteste Gesellen des Menschen oder als Mitbewohner der
frühesten Höfe betrachten möchte und deren Vorhandensein an den
Stätten der ersten Wohnsitze gemuthmaßt wird. Das Huhn, dessen
Stammform man jetzt mit Recht in dem indischen Gallus bankiva
sieht, war zwar den Alten bekannt. Doch fehlt es nicht bloß im alten
Testamente, sondern auch im Homer und Hesiod; erst bei den griechi-
schen Lyrikern erscheint es der gewöhnlichen Annahme zufolge, noch
sicherer bei den Tragikern und Komikern, ebenso mit der bei letzteren
auftretenden Bezeichnung im neuen Testament. Die Namen gehen aber
nirgends zusammen; meist liegt Nachahmung des Krähens den Namen
des Hahns zu Grunde 10). Eigenthümlich ist endlich, daß das Kamel

10) Das Wort orgis, welches bei den Lyrikern gewöhnlich für Huhn genom-
men wird, vielleicht aber nur kleinere Vögel bezeichnet (so z. B. Alkman, 24.
Fragm. ost' ornithes i[ - 1 Zeichen fehlt]rakos uperptameuo; ähnlich bei Alkaeos, 27. Frag-

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
beanſpruchen, deſſen hochdeutſcher Name durch fiber auf Skt. babhru,
braun (auch ein Thiername) führt. Für die Schlange weiſt vielleicht
noch unſer Unke auf anguis und hängt wie Aal, anguilla, ἔγχελυς,
mit griech. ἔχις und Skrt. ahi zuſammen, während ein anderes Sans-
kritwort sarpa zu griech. ἕρπετον, lat. serpens, wäliſch sarff führt.
Wenn dieſem Verzeichniß noch der Otter (Skrt. udras, griech. ὕδρα,
Waſſerſchlange, litt. udra, ahd. Otter), der Kuckuck oder Gauch
(Skrt. kokila, griech. κόκκυξ, lat. cuculus) und der Rabe (Skrt.
kâravas, griech. κόραξ, lat. corvus, goth. hraban) angeſchloſſen
wird, ſo vervollſtändigt ſich das Bild des den Ariern geläufigen Thier-
lebens ſo ziemlich. Da natürlich hier keine Etymologie der Thiernamen
gegeben werden kann und ſoll, darf nur noch daran erinnert werden,
daß eine nicht unbedeutende Anzahl ſolcher, mehreren zum ariſchen
Stamm gehörigen Sprachfamilien gemeinſam iſt, während einzelne
Thiere, wie z. B. der Elch (Skrt. ṛc̣as, griech. und lat. alces, ahd.
elaho), erſt ſpäter einen im ariſchen Wurzelvorrath ſich findenden Na-
men erhielten. Eine Unterſuchung derartiger Verhältniſſe nach den
oben genannten Geſichtspunkten dürfte ſehr lohnend werden. Hier mag
nur Folgendes noch eine Stelle finden.

Es fällt auf, daß in der obigen Liſte manche Thiere fehlen, welche
man gern als älteſte Geſellen des Menſchen oder als Mitbewohner der
früheſten Höfe betrachten möchte und deren Vorhandenſein an den
Stätten der erſten Wohnſitze gemuthmaßt wird. Das Huhn, deſſen
Stammform man jetzt mit Recht in dem indiſchen Gallus bankiva
ſieht, war zwar den Alten bekannt. Doch fehlt es nicht bloß im alten
Teſtamente, ſondern auch im Homer und Heſiod; erſt bei den griechi-
ſchen Lyrikern erſcheint es der gewöhnlichen Annahme zufolge, noch
ſicherer bei den Tragikern und Komikern, ebenſo mit der bei letzteren
auftretenden Bezeichnung im neuen Teſtament. Die Namen gehen aber
nirgends zuſammen; meiſt liegt Nachahmung des Krähens den Namen
des Hahns zu Grunde 10). Eigenthümlich iſt endlich, daß das Kamel

10) Das Wort ὄργις, welches bei den Lyrikern gewöhnlich für Huhn genom-
men wird, vielleicht aber nur kleinere Vögel bezeichnet (ſo z. B. Alkman, 24.
Fragm. ὥστ᾿ ὄρνιθες ἱ[ – 1 Zeichen fehlt]ρακος ὑπερπταμέυω; ähnlich bei Alkaeos, 27. Frag-
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[14/0025] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. beanſpruchen, deſſen hochdeutſcher Name durch fiber auf Skt. babhru, braun (auch ein Thiername) führt. Für die Schlange weiſt vielleicht noch unſer Unke auf anguis und hängt wie Aal, anguilla, ἔγχελυς, mit griech. ἔχις und Skrt. ahi zuſammen, während ein anderes Sans- kritwort sarpa zu griech. ἕρπετον, lat. serpens, wäliſch sarff führt. Wenn dieſem Verzeichniß noch der Otter (Skrt. udras, griech. ὕδρα, Waſſerſchlange, litt. udra, ahd. Otter), der Kuckuck oder Gauch (Skrt. kokila, griech. κόκκυξ, lat. cuculus) und der Rabe (Skrt. kâravas, griech. κόραξ, lat. corvus, goth. hraban) angeſchloſſen wird, ſo vervollſtändigt ſich das Bild des den Ariern geläufigen Thier- lebens ſo ziemlich. Da natürlich hier keine Etymologie der Thiernamen gegeben werden kann und ſoll, darf nur noch daran erinnert werden, daß eine nicht unbedeutende Anzahl ſolcher, mehreren zum ariſchen Stamm gehörigen Sprachfamilien gemeinſam iſt, während einzelne Thiere, wie z. B. der Elch (Skrt. ṛc̣as, griech. und lat. alces, ahd. elaho), erſt ſpäter einen im ariſchen Wurzelvorrath ſich findenden Na- men erhielten. Eine Unterſuchung derartiger Verhältniſſe nach den oben genannten Geſichtspunkten dürfte ſehr lohnend werden. Hier mag nur Folgendes noch eine Stelle finden. Es fällt auf, daß in der obigen Liſte manche Thiere fehlen, welche man gern als älteſte Geſellen des Menſchen oder als Mitbewohner der früheſten Höfe betrachten möchte und deren Vorhandenſein an den Stätten der erſten Wohnſitze gemuthmaßt wird. Das Huhn, deſſen Stammform man jetzt mit Recht in dem indiſchen Gallus bankiva ſieht, war zwar den Alten bekannt. Doch fehlt es nicht bloß im alten Teſtamente, ſondern auch im Homer und Heſiod; erſt bei den griechi- ſchen Lyrikern erſcheint es der gewöhnlichen Annahme zufolge, noch ſicherer bei den Tragikern und Komikern, ebenſo mit der bei letzteren auftretenden Bezeichnung im neuen Teſtament. Die Namen gehen aber nirgends zuſammen; meiſt liegt Nachahmung des Krähens den Namen des Hahns zu Grunde 10). Eigenthümlich iſt endlich, daß das Kamel 10) Das Wort ὄργις, welches bei den Lyrikern gewöhnlich für Huhn genom- men wird, vielleicht aber nur kleinere Vögel bezeichnet (ſo z. B. Alkman, 24. Fragm. ὥστ᾿ ὄρνιθες ἱ_ρακος ὑπερπταμέυω; ähnlich bei Alkaeos, 27. Frag-

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/25>, abgerufen am 26.04.2024.