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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Fortbildung des Systems.
daß sie die einzelnen Organe anderen untergeordnet habe. Als Haupt-
gesichtspunkt für eine Eintheilung stellt er auf, daß wo Herz und Kie-
men existiren auch die Leber vorhanden ist; neben den Generations-
organen geben daher die Circulationsorgane die Merkmale erster Ordnung
ab; Merkmale zweiter Ordnung bieten die Organe der Relation,
Nerven, Sinnesorgane und Bewegungsorgane. Diese beiden Merk-
malsgruppen verbindend löst er die Linne'schen Classen der Würmer
und Insecten in folgende sechs auf: Mollusken, Crustaceen, Insecten,
Würmer (d. h. Ringelwürmer), Echinodermen und Zoophyten. Im
Tableau elementaire, 1798, vereinigte er Insecten und Würmer zu
einer größern Abtheilung, die Würmer den Larven der Insecten ver-
gleichend und sie in borstentragende und nackte eintheilend, wobei er die
parasitischen noch den andern Formen anschließt. Gleichzeitig bringt
er Echinodermen, Polypen und Infusorien zu einer Hauptgruppe zu-
sammen, den Zoophyten. Als obersten Eintheilungsgrund hält er so-
wohl 1798 als 1800 in der Einleitung zu seinen Vorlesungen das
Vorhandensein oder Fehlen eines Skelets und die Beschaffenheit des
Bluts aufrecht, indem er geradezu ausspricht, daß sich das Thierreich
zunächst in zwei große Familien scheide, in Thiere mit Wirbeln und
rothem Blute und in solche ohne Wirbel mit weißem Blute. Von 1812
an stellt er die vier Typen der Wirbelthiere, Mollusken, Gliederthiere
und Zoophyten oder Strahlthiere als größte Gruppen hin und bildet
damit morphologisch, allerdings im Einzelnen Manches nicht richtig
fassend, die Grundlage aller späteren systematischen Versuche dieser
Periode.

Es wurde oben erwähnt, daß Batsch bereits die vier obern Classen
Linne's als Knochenthiere zusammengefaßt habe. In gleicher Weise
stellte Daubenton in seinem Abrisse des Systems die Wirbelthiere
als Thiere mit Knochen den Insecten und Würmern als Thieren ohne
Knochen gegenüber (1796). Er trennt die Cetaceen von den Säuge-
thieren und die Schlangen von den eierlegenden Vierfüßern als Classen,
so daß er sechs Wirbelthierclassen erhält. Und in Bezug auf die Knochen-
losen meint er, daß man wohl wegen der so völlig verschiedenen Zu-
sammensetzung dieser Thiere fragen könne, ob sie wirklich in demselben

Fortbildung des Syſtems.
daß ſie die einzelnen Organe anderen untergeordnet habe. Als Haupt-
geſichtspunkt für eine Eintheilung ſtellt er auf, daß wo Herz und Kie-
men exiſtiren auch die Leber vorhanden iſt; neben den Generations-
organen geben daher die Circulationsorgane die Merkmale erſter Ordnung
ab; Merkmale zweiter Ordnung bieten die Organe der Relation,
Nerven, Sinnesorgane und Bewegungsorgane. Dieſe beiden Merk-
malsgruppen verbindend löſt er die Linné'ſchen Claſſen der Würmer
und Inſecten in folgende ſechs auf: Mollusken, Cruſtaceen, Inſecten,
Würmer (d. h. Ringelwürmer), Echinodermen und Zoophyten. Im
Tableau élémentaire, 1798, vereinigte er Inſecten und Würmer zu
einer größern Abtheilung, die Würmer den Larven der Inſecten ver-
gleichend und ſie in borſtentragende und nackte eintheilend, wobei er die
paraſitiſchen noch den andern Formen anſchließt. Gleichzeitig bringt
er Echinodermen, Polypen und Infuſorien zu einer Hauptgruppe zu-
ſammen, den Zoophyten. Als oberſten Eintheilungsgrund hält er ſo-
wohl 1798 als 1800 in der Einleitung zu ſeinen Vorleſungen das
Vorhandenſein oder Fehlen eines Skelets und die Beſchaffenheit des
Bluts aufrecht, indem er geradezu ausſpricht, daß ſich das Thierreich
zunächſt in zwei große Familien ſcheide, in Thiere mit Wirbeln und
rothem Blute und in ſolche ohne Wirbel mit weißem Blute. Von 1812
an ſtellt er die vier Typen der Wirbelthiere, Mollusken, Gliederthiere
und Zoophyten oder Strahlthiere als größte Gruppen hin und bildet
damit morphologiſch, allerdings im Einzelnen Manches nicht richtig
faſſend, die Grundlage aller ſpäteren ſyſtematiſchen Verſuche dieſer
Periode.

Es wurde oben erwähnt, daß Batſch bereits die vier obern Claſſen
Linné's als Knochenthiere zuſammengefaßt habe. In gleicher Weiſe
ſtellte Daubenton in ſeinem Abriſſe des Syſtems die Wirbelthiere
als Thiere mit Knochen den Inſecten und Würmern als Thieren ohne
Knochen gegenüber (1796). Er trennt die Cetaceen von den Säuge-
thieren und die Schlangen von den eierlegenden Vierfüßern als Claſſen,
ſo daß er ſechs Wirbelthierclaſſen erhält. Und in Bezug auf die Knochen-
loſen meint er, daß man wohl wegen der ſo völlig verſchiedenen Zu-
ſammenſetzung dieſer Thiere fragen könne, ob ſie wirklich in demſelben

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[667/0678] Fortbildung des Syſtems. daß ſie die einzelnen Organe anderen untergeordnet habe. Als Haupt- geſichtspunkt für eine Eintheilung ſtellt er auf, daß wo Herz und Kie- men exiſtiren auch die Leber vorhanden iſt; neben den Generations- organen geben daher die Circulationsorgane die Merkmale erſter Ordnung ab; Merkmale zweiter Ordnung bieten die Organe der Relation, Nerven, Sinnesorgane und Bewegungsorgane. Dieſe beiden Merk- malsgruppen verbindend löſt er die Linné'ſchen Claſſen der Würmer und Inſecten in folgende ſechs auf: Mollusken, Cruſtaceen, Inſecten, Würmer (d. h. Ringelwürmer), Echinodermen und Zoophyten. Im Tableau élémentaire, 1798, vereinigte er Inſecten und Würmer zu einer größern Abtheilung, die Würmer den Larven der Inſecten ver- gleichend und ſie in borſtentragende und nackte eintheilend, wobei er die paraſitiſchen noch den andern Formen anſchließt. Gleichzeitig bringt er Echinodermen, Polypen und Infuſorien zu einer Hauptgruppe zu- ſammen, den Zoophyten. Als oberſten Eintheilungsgrund hält er ſo- wohl 1798 als 1800 in der Einleitung zu ſeinen Vorleſungen das Vorhandenſein oder Fehlen eines Skelets und die Beſchaffenheit des Bluts aufrecht, indem er geradezu ausſpricht, daß ſich das Thierreich zunächſt in zwei große Familien ſcheide, in Thiere mit Wirbeln und rothem Blute und in ſolche ohne Wirbel mit weißem Blute. Von 1812 an ſtellt er die vier Typen der Wirbelthiere, Mollusken, Gliederthiere und Zoophyten oder Strahlthiere als größte Gruppen hin und bildet damit morphologiſch, allerdings im Einzelnen Manches nicht richtig faſſend, die Grundlage aller ſpäteren ſyſtematiſchen Verſuche dieſer Periode. Es wurde oben erwähnt, daß Batſch bereits die vier obern Claſſen Linné's als Knochenthiere zuſammengefaßt habe. In gleicher Weiſe ſtellte Daubenton in ſeinem Abriſſe des Syſtems die Wirbelthiere als Thiere mit Knochen den Inſecten und Würmern als Thieren ohne Knochen gegenüber (1796). Er trennt die Cetaceen von den Säuge- thieren und die Schlangen von den eierlegenden Vierfüßern als Claſſen, ſo daß er ſechs Wirbelthierclaſſen erhält. Und in Bezug auf die Knochen- loſen meint er, daß man wohl wegen der ſo völlig verſchiedenen Zu- ſammenſetzung dieſer Thiere fragen könne, ob ſie wirklich in demſelben

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/678>, abgerufen am 26.04.2024.