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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Drittes Capitel,
§. 7.
Eine Haupteintheilung der Begebenheiten.

Die Begebenheiten der moralischen Wesen
sind mithin von den Begebenheiten eintzelner Men-
schen gantz unterschieden; ob wohl die Geschichte
eintzelner Menschen in jene den grösten Einfluß
haben. Eine Handlung bestehet zwar noch im-
mer, wenn sie gleich ihren treuen und klugen Di-
recteur verlohren hat, aber sie leidet doch da-
durch. Hingegen sind die Geschichte derjenigen
Menschen, welche mit einem moralischen Wesen
zu thun haben, grossen theils auch nicht zu den
Geschichten der moralischen Wesen selbst zu rech-
nen: als ob der Directeur eine Frau gehabt, wie
viel er Kinder gehabt, u. s. w. Beym Regiment
und Königreichen ist am deutlichsten zu ersehen,
wie die Geschichte eintzelner Personen den Zustand
moralischer Wesen ändern können. Die Weiß-
heit und Tapfferkeit eines Königes giebt dem gan-
tzen Reiche eine grosse Stärcke: und sein Todt in
einem Wahlreiche, macht das gantze Land zu ei-
nem Schauplatz vieler Unruhen.

§. 8.
Vom Ursprunge eines moralischen Wesens.

Die Hauptbegebenheit eines moralischen We-
sens ist der Ursprung desselben; welcher um so
viel merckwürdiger ist, da er den Grund zu allen
nachfolgenden Begebenheiten abgiebt, ohne wel-
chem diese nicht wohl begriffen werden können.
Weil nun die moralischen Wesen eine Vereini-
gung vieler Menschenwillen sind (§. 4.); so pflegt

der
Drittes Capitel,
§. 7.
Eine Haupteintheilung der Begebenheiten.

Die Begebenheiten der moraliſchen Weſen
ſind mithin von den Begebenheiten eintzelner Men-
ſchen gantz unterſchieden; ob wohl die Geſchichte
eintzelner Menſchen in jene den groͤſten Einfluß
haben. Eine Handlung beſtehet zwar noch im-
mer, wenn ſie gleich ihren treuen und klugen Di-
recteur verlohren hat, aber ſie leidet doch da-
durch. Hingegen ſind die Geſchichte derjenigen
Menſchen, welche mit einem moraliſchen Weſen
zu thun haben, groſſen theils auch nicht zu den
Geſchichten der moraliſchen Weſen ſelbſt zu rech-
nen: als ob der Directeur eine Frau gehabt, wie
viel er Kinder gehabt, u. ſ. w. Beym Regiment
und Koͤnigreichen iſt am deutlichſten zu erſehen,
wie die Geſchichte eintzelner Perſonen den Zuſtand
moraliſcher Weſen aͤndern koͤnnen. Die Weiß-
heit und Tapfferkeit eines Koͤniges giebt dem gan-
tzen Reiche eine groſſe Staͤrcke: und ſein Todt in
einem Wahlreiche, macht das gantze Land zu ei-
nem Schauplatz vieler Unruhen.

§. 8.
Vom Urſprunge eines moraliſchen Weſens.

Die Hauptbegebenheit eines moraliſchen We-
ſens iſt der Urſprung deſſelben; welcher um ſo
viel merckwuͤrdiger iſt, da er den Grund zu allen
nachfolgenden Begebenheiten abgiebt, ohne wel-
chem dieſe nicht wohl begriffen werden koͤnnen.
Weil nun die moraliſchen Weſen eine Vereini-
gung vieler Menſchenwillen ſind (§. 4.); ſo pflegt

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[64/0100] Drittes Capitel, §. 7. Eine Haupteintheilung der Begebenheiten. Die Begebenheiten der moraliſchen Weſen ſind mithin von den Begebenheiten eintzelner Men- ſchen gantz unterſchieden; ob wohl die Geſchichte eintzelner Menſchen in jene den groͤſten Einfluß haben. Eine Handlung beſtehet zwar noch im- mer, wenn ſie gleich ihren treuen und klugen Di- recteur verlohren hat, aber ſie leidet doch da- durch. Hingegen ſind die Geſchichte derjenigen Menſchen, welche mit einem moraliſchen Weſen zu thun haben, groſſen theils auch nicht zu den Geſchichten der moraliſchen Weſen ſelbſt zu rech- nen: als ob der Directeur eine Frau gehabt, wie viel er Kinder gehabt, u. ſ. w. Beym Regiment und Koͤnigreichen iſt am deutlichſten zu erſehen, wie die Geſchichte eintzelner Perſonen den Zuſtand moraliſcher Weſen aͤndern koͤnnen. Die Weiß- heit und Tapfferkeit eines Koͤniges giebt dem gan- tzen Reiche eine groſſe Staͤrcke: und ſein Todt in einem Wahlreiche, macht das gantze Land zu ei- nem Schauplatz vieler Unruhen. §. 8. Vom Urſprunge eines moraliſchen Weſens. Die Hauptbegebenheit eines moraliſchen We- ſens iſt der Urſprung deſſelben; welcher um ſo viel merckwuͤrdiger iſt, da er den Grund zu allen nachfolgenden Begebenheiten abgiebt, ohne wel- chem dieſe nicht wohl begriffen werden koͤnnen. Weil nun die moraliſchen Weſen eine Vereini- gung vieler Menſchenwillen ſind (§. 4.); ſo pflegt der

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/100>, abgerufen am 26.04.2024.