Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehendes Capitel,
man von den Ursachen einer jeden Begebenheit
und Geschichte mit einander reden und dencken soll:
So wird man, wenn man sich nur erst selbst über
einer wahrscheinlichen Ursache einer Begeben-
heit entschlossen hat, auch andern seine Gedancken
hievon mittheilen, und wenigstens mercken können,
woran es fehlet, oder fehlen könne, daß der ande-
re unsere angegebene Ursach, nicht vor wahrschein-
lich will gelten lassen. Wir mögen Kürtze halber
nichts von dem, was wir schon gesagt haben, wie-
derholen; unsere Leser aber bitten wir, die ihnen
etwa beywohnenden Scrupel, welche sie wider die
hie und da angegebenen Ursachen der Begeben-
heiten haben, als Exempel vorzunehmen, und sie
gegen die Lehren (des Cap. 8. §. 36. seq.) zu hal-
ten; so werden sie wahrnehmen, daß sie von ihrem
Zweiffel deutlicher zu reden, und weiter zu forschen
Gelegenheit und Anleitung finden werden.

§. 20.
Vierte wichtige Art der Wahrscheinlichkeit
in der Historie.

Der häuffigste Fall, wo die Wahrscheinlichkeit
in der Historie gebraucht wird, ist dieser, wenn über
einen historischen Satz und über eine Geschichte ge-
stritten
wird; dergestalt, daß jeder nicht allein
das seinige beweisen, sondern auch das Gegen-
theil
widerlegen muß. Dabey müssen sich nun
nothwendig alle Arten der historischen Schwie-
rigkeiten
äussern: Woferne man nicht, mit allem
dem, was zur historischen Erkentniß gehört, be-
waffnet und ausgerüstet ist: Dergestalt daß man

nicht

Zehendes Capitel,
man von den Urſachen einer jeden Begebenheit
und Geſchichte mit einander reden und dencken ſoll:
So wird man, wenn man ſich nur erſt ſelbſt uͤber
einer wahrſcheinlichen Urſache einer Begeben-
heit entſchloſſen hat, auch andern ſeine Gedancken
hievon mittheilen, und wenigſtens mercken koͤnnen,
woran es fehlet, oder fehlen koͤnne, daß der ande-
re unſere angegebene Urſach, nicht vor wahrſchein-
lich will gelten laſſen. Wir moͤgen Kuͤrtze halber
nichts von dem, was wir ſchon geſagt haben, wie-
derholen; unſere Leſer aber bitten wir, die ihnen
etwa beywohnenden Scrupel, welche ſie wider die
hie und da angegebenen Urſachen der Begeben-
heiten haben, als Exempel vorzunehmen, und ſie
gegen die Lehren (des Cap. 8. §. 36. ſeq.) zu hal-
ten; ſo werden ſie wahrnehmen, daß ſie von ihrem
Zweiffel deutlicher zu reden, und weiter zu forſchen
Gelegenheit und Anleitung finden werden.

§. 20.
Vierte wichtige Art der Wahrſcheinlichkeit
in der Hiſtorie.

Der haͤuffigſte Fall, wo die Wahrſcheinlichkeit
in der Hiſtorie gebraucht wird, iſt dieſer, wenn uͤber
einen hiſtoriſchen Satz und uͤber eine Geſchichte ge-
ſtritten
wird; dergeſtalt, daß jeder nicht allein
das ſeinige beweiſen, ſondern auch das Gegen-
theil
widerlegen muß. Dabey muͤſſen ſich nun
nothwendig alle Arten der hiſtoriſchen Schwie-
rigkeiten
aͤuſſern: Woferne man nicht, mit allem
dem, was zur hiſtoriſchen Erkentniß gehoͤrt, be-
waffnet und ausgeruͤſtet iſt: Dergeſtalt daß man

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0378" n="342"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zehendes Capitel,</hi></fw><lb/>
man von den Ur&#x017F;achen einer jeden Begebenheit<lb/>
und Ge&#x017F;chichte mit einander reden und dencken &#x017F;oll:<lb/>
So wird man, wenn man &#x017F;ich nur er&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber<lb/>
einer <hi rendition="#fr">wahr&#x017F;cheinlichen</hi> Ur&#x017F;ache einer Begeben-<lb/>
heit ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hat, auch andern &#x017F;eine Gedancken<lb/>
hievon mittheilen, und wenig&#x017F;tens mercken ko&#x0364;nnen,<lb/>
woran es fehlet, oder fehlen ko&#x0364;nne, daß der ande-<lb/>
re un&#x017F;ere angegebene Ur&#x017F;ach, nicht vor wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich will gelten la&#x017F;&#x017F;en. Wir mo&#x0364;gen Ku&#x0364;rtze halber<lb/>
nichts von dem, was wir &#x017F;chon ge&#x017F;agt haben, wie-<lb/>
derholen; un&#x017F;ere Le&#x017F;er aber bitten wir, die ihnen<lb/>
etwa beywohnenden Scrupel, welche &#x017F;ie wider die<lb/>
hie und da angegebenen Ur&#x017F;achen der Begeben-<lb/>
heiten haben, als Exempel vorzunehmen, und &#x017F;ie<lb/>
gegen die Lehren (des Cap. 8. §. 36. <hi rendition="#aq">&#x017F;eq.</hi>) zu hal-<lb/>
ten; &#x017F;o werden &#x017F;ie wahrnehmen, daß &#x017F;ie von ihrem<lb/>
Zweiffel deutlicher zu reden, und weiter zu for&#x017F;chen<lb/>
Gelegenheit und Anleitung finden werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 20.<lb/>
Vierte wichtige Art der Wahr&#x017F;cheinlichkeit<lb/>
in der Hi&#x017F;torie.</head><lb/>
          <p>Der ha&#x0364;uffig&#x017F;te Fall, wo die Wahr&#x017F;cheinlichkeit<lb/>
in der Hi&#x017F;torie gebraucht wird, i&#x017F;t die&#x017F;er, wenn u&#x0364;ber<lb/>
einen hi&#x017F;tori&#x017F;chen Satz und u&#x0364;ber eine Ge&#x017F;chichte <hi rendition="#fr">ge-<lb/>
&#x017F;tritten</hi> wird; derge&#x017F;talt, daß jeder nicht allein<lb/>
das &#x017F;einige <hi rendition="#fr">bewei&#x017F;en</hi>, &#x017F;ondern auch das <hi rendition="#fr">Gegen-<lb/>
theil</hi> widerlegen muß. Dabey mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nun<lb/>
nothwendig alle Arten der hi&#x017F;tori&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Schwie-<lb/>
rigkeiten</hi> a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern: Woferne man nicht, mit allem<lb/>
dem, was zur hi&#x017F;tori&#x017F;chen Erkentniß geho&#x0364;rt, be-<lb/>
waffnet und ausgeru&#x0364;&#x017F;tet i&#x017F;t: Derge&#x017F;talt daß man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0378] Zehendes Capitel, man von den Urſachen einer jeden Begebenheit und Geſchichte mit einander reden und dencken ſoll: So wird man, wenn man ſich nur erſt ſelbſt uͤber einer wahrſcheinlichen Urſache einer Begeben- heit entſchloſſen hat, auch andern ſeine Gedancken hievon mittheilen, und wenigſtens mercken koͤnnen, woran es fehlet, oder fehlen koͤnne, daß der ande- re unſere angegebene Urſach, nicht vor wahrſchein- lich will gelten laſſen. Wir moͤgen Kuͤrtze halber nichts von dem, was wir ſchon geſagt haben, wie- derholen; unſere Leſer aber bitten wir, die ihnen etwa beywohnenden Scrupel, welche ſie wider die hie und da angegebenen Urſachen der Begeben- heiten haben, als Exempel vorzunehmen, und ſie gegen die Lehren (des Cap. 8. §. 36. ſeq.) zu hal- ten; ſo werden ſie wahrnehmen, daß ſie von ihrem Zweiffel deutlicher zu reden, und weiter zu forſchen Gelegenheit und Anleitung finden werden. §. 20. Vierte wichtige Art der Wahrſcheinlichkeit in der Hiſtorie. Der haͤuffigſte Fall, wo die Wahrſcheinlichkeit in der Hiſtorie gebraucht wird, iſt dieſer, wenn uͤber einen hiſtoriſchen Satz und uͤber eine Geſchichte ge- ſtritten wird; dergeſtalt, daß jeder nicht allein das ſeinige beweiſen, ſondern auch das Gegen- theil widerlegen muß. Dabey muͤſſen ſich nun nothwendig alle Arten der hiſtoriſchen Schwie- rigkeiten aͤuſſern: Woferne man nicht, mit allem dem, was zur hiſtoriſchen Erkentniß gehoͤrt, be- waffnet und ausgeruͤſtet iſt: Dergeſtalt daß man nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/378
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/378>, abgerufen am 27.04.2024.