Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

von zukünfftigen Dingen.
Bienen durchaus unglücklich: Woraus denn
ohne Zweifel mehrmahlen die Sorge und Frage ent-
standen: Ob man auch ietzo, mit denen angeschaff-
ten Bienenkörben glücklich seyn werde. Das
vermeinte Unglück ist aber offt nur ein bestän-
diges
Versehen, welches ein Gelehrter, wie Reau-
mur,
offt gar bald entdecken würde. Zu auspi-
ciis
nimmt man nur seine Zuflucht, weil man sich
sonsten gar nicht zu helffen, ja nicht einmahl zu
rathen
weiß. Guten Rath aber muß man
wenigstens allezeit bey Gelehrten finden.

§. 20.
Zumahl unerforschliche Dinge.

Ohngeachtet alles in der Welt zufällig ist,
so hat man doch schon längst gewisse Dinge vor
anderen contingentes genennet. Das sollen nun
wohl Sachen seyn, die weder von unserer Ein-
richtung noch auch von unserer Einsicht abhangen.
Die man also nicht eher wissen kan, bis sie würck-
lich
da sind, oder höchstens nur kurtz vorher.
Man sollte sie lieber unerforschliche zukünf-
tige
Dinge, als contingentia nennen. Derglei-
chen Dinge sind: Das menschliche Lebensziel:
Wind und Wetter auf einer langen Reise: Erb-
schafften und Successiones, wo noch viele vor uns
sind. Wiewohl es auch Sachen giebt, die vor
unerforschlich gehalten werden, ob sie es gleich nicht
sind. Vor einem barbarischen Feldherrn ist ein
unerforschlicher Zufall, daß bey der Bataille eine
Sonnenfinsterniß einfällt: Da es bey cultivirten

Völ-

von zukuͤnfftigen Dingen.
Bienen durchaus ungluͤcklich: Woraus denn
ohne Zweifel mehrmahlen die Sorge und Frage ent-
ſtanden: Ob man auch ietzo, mit denen angeſchaff-
ten Bienenkoͤrben gluͤcklich ſeyn werde. Das
vermeinte Ungluͤck iſt aber offt nur ein beſtaͤn-
diges
Verſehen, welches ein Gelehrter, wie Reau-
mur,
offt gar bald entdecken wuͤrde. Zu auſpi-
ciis
nimmt man nur ſeine Zuflucht, weil man ſich
ſonſten gar nicht zu helffen, ja nicht einmahl zu
rathen
weiß. Guten Rath aber muß man
wenigſtens allezeit bey Gelehrten finden.

§. 20.
Zumahl unerforſchliche Dinge.

Ohngeachtet alles in der Welt zufaͤllig iſt,
ſo hat man doch ſchon laͤngſt gewiſſe Dinge vor
anderen contingentes genennet. Das ſollen nun
wohl Sachen ſeyn, die weder von unſerer Ein-
richtung noch auch von unſerer Einſicht abhangen.
Die man alſo nicht eher wiſſen kan, bis ſie wuͤrck-
lich
da ſind, oder hoͤchſtens nur kurtz vorher.
Man ſollte ſie lieber unerforſchliche zukuͤnf-
tige
Dinge, als contingentia nennen. Derglei-
chen Dinge ſind: Das menſchliche Lebensziel:
Wind und Wetter auf einer langen Reiſe: Erb-
ſchafften und Succeſſiones, wo noch viele vor uns
ſind. Wiewohl es auch Sachen giebt, die vor
unerforſchlich gehalten werden, ob ſie es gleich nicht
ſind. Vor einem barbariſchen Feldherrn iſt ein
unerforſchlicher Zufall, daß bey der Bataille eine
Sonnenfinſterniß einfaͤllt: Da es bey cultivirten

Voͤl-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0435" n="399"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von zuku&#x0364;nfftigen Dingen.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Bienen</hi> durchaus unglu&#x0364;cklich: Woraus denn<lb/>
ohne Zweifel mehrmahlen die Sorge und Frage ent-<lb/>
&#x017F;tanden: Ob man auch ietzo, mit denen ange&#x017F;chaff-<lb/>
ten Bienenko&#x0364;rben glu&#x0364;cklich &#x017F;eyn werde. Das<lb/>
vermeinte Unglu&#x0364;ck i&#x017F;t aber offt nur ein <hi rendition="#fr">be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
diges</hi> Ver&#x017F;ehen, welches ein Gelehrter, wie <hi rendition="#aq">Reau-<lb/>
mur,</hi> offt gar bald entdecken wu&#x0364;rde. Zu <hi rendition="#aq">au&#x017F;pi-<lb/>
ciis</hi> nimmt man nur &#x017F;eine Zuflucht, weil man &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;on&#x017F;ten gar nicht zu <hi rendition="#fr">helffen,</hi> ja nicht <hi rendition="#fr">einmahl zu<lb/>
rathen</hi> weiß. <hi rendition="#fr">Guten Rath</hi> aber muß man<lb/>
wenig&#x017F;tens allezeit bey Gelehrten finden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 20.<lb/>
Zumahl unerfor&#x017F;chliche Dinge.</head><lb/>
          <p>Ohngeachtet <hi rendition="#fr">alles</hi> in der Welt zufa&#x0364;llig i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o hat man doch &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t gewi&#x017F;&#x017F;e Dinge vor<lb/>
anderen <hi rendition="#aq">contingentes</hi> genennet. Das &#x017F;ollen nun<lb/>
wohl Sachen &#x017F;eyn, die weder von un&#x017F;erer Ein-<lb/>
richtung noch auch von un&#x017F;erer Ein&#x017F;icht abhangen.<lb/>
Die man al&#x017F;o nicht eher wi&#x017F;&#x017F;en kan, bis &#x017F;ie <hi rendition="#fr">wu&#x0364;rck-<lb/>
lich</hi> da &#x017F;ind, oder ho&#x0364;ch&#x017F;tens nur kurtz vorher.<lb/>
Man &#x017F;ollte &#x017F;ie lieber <hi rendition="#fr">unerfor&#x017F;chliche zuku&#x0364;nf-<lb/>
tige</hi> Dinge, als <hi rendition="#aq">contingentia</hi> nennen. Derglei-<lb/>
chen Dinge &#x017F;ind: Das men&#x017F;chliche Lebensziel:<lb/>
Wind und Wetter auf einer langen Rei&#x017F;e: Erb-<lb/>
&#x017F;chafften und <hi rendition="#aq">Succe&#x017F;&#x017F;iones,</hi> wo noch viele vor uns<lb/>
&#x017F;ind. Wiewohl es auch Sachen giebt, die vor<lb/>
unerfor&#x017F;chlich gehalten werden, ob &#x017F;ie es gleich nicht<lb/>
&#x017F;ind. Vor einem barbari&#x017F;chen Feldherrn i&#x017F;t ein<lb/>
unerfor&#x017F;chlicher Zufall, daß bey der <hi rendition="#aq">Bataille</hi> eine<lb/>
Sonnenfin&#x017F;terniß einfa&#x0364;llt: Da es bey cultivirten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Vo&#x0364;l-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0435] von zukuͤnfftigen Dingen. Bienen durchaus ungluͤcklich: Woraus denn ohne Zweifel mehrmahlen die Sorge und Frage ent- ſtanden: Ob man auch ietzo, mit denen angeſchaff- ten Bienenkoͤrben gluͤcklich ſeyn werde. Das vermeinte Ungluͤck iſt aber offt nur ein beſtaͤn- diges Verſehen, welches ein Gelehrter, wie Reau- mur, offt gar bald entdecken wuͤrde. Zu auſpi- ciis nimmt man nur ſeine Zuflucht, weil man ſich ſonſten gar nicht zu helffen, ja nicht einmahl zu rathen weiß. Guten Rath aber muß man wenigſtens allezeit bey Gelehrten finden. §. 20. Zumahl unerforſchliche Dinge. Ohngeachtet alles in der Welt zufaͤllig iſt, ſo hat man doch ſchon laͤngſt gewiſſe Dinge vor anderen contingentes genennet. Das ſollen nun wohl Sachen ſeyn, die weder von unſerer Ein- richtung noch auch von unſerer Einſicht abhangen. Die man alſo nicht eher wiſſen kan, bis ſie wuͤrck- lich da ſind, oder hoͤchſtens nur kurtz vorher. Man ſollte ſie lieber unerforſchliche zukuͤnf- tige Dinge, als contingentia nennen. Derglei- chen Dinge ſind: Das menſchliche Lebensziel: Wind und Wetter auf einer langen Reiſe: Erb- ſchafften und Succeſſiones, wo noch viele vor uns ſind. Wiewohl es auch Sachen giebt, die vor unerforſchlich gehalten werden, ob ſie es gleich nicht ſind. Vor einem barbariſchen Feldherrn iſt ein unerforſchlicher Zufall, daß bey der Bataille eine Sonnenfinſterniß einfaͤllt: Da es bey cultivirten Voͤl-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/435
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/435>, abgerufen am 10.05.2024.