Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Erstes Capitel,
§. 24.
Jede Historie erfordert einen Zuschauer.

Die Geschichte werden zu Erzehlungen und
Nachrichten, wenn man sich dieselbe vorstellt, und
durch Worte ausdruckt (§. 14.): und die Histo-
rie begreifft alles dieses in sich (§. 17.). Eine
Historie erfordert daher eben sowohl, als jede Er-
zehlung, einen Zuschauer der Begebenheit, wel-
cher sich dieselbe vorgestellt, und sie in eine Er-
zehlung und Historie gebracht hat.

§. 25.
Eintheilung der Dinge, welche geschehen.

Die Dinge, welche geschehen, haben unter
sich eine grosse Abtheilung: theils sind sie ge-
schehen; theils werden sie geschehen: jenes
heissen vergangene, dieses zukünftige Dinge.
Man könte nun zwar bey der historischen Erkent-
niß, die dritte Art, nehmlich die gegenwärti-
gen Dinge, als die wichtigsten und beträchtlich-
sten ausehen: allein weil dasjenige, was geschie-
het, augenblicklich geschiehet, und mithin indem
und so lange es geschiehet, keine besondere Be-
trachtung und Ueberlegung leidet, als worzu Zeit
erfordert wird: so wird die historische Erkentniß
gemeiniglich davor angesehen, als ob sie bloß auf
vergangene und zukünftige Dinge gerichtet
wäre.

§. 26.
Zukünfftige Dinge gehören zum Geschichten.

Die Erkentniß der vergangenen Dinge
wird im gemeinen Leben vor die gantze historische

Erkent-
Erſtes Capitel,
§. 24.
Jede Hiſtorie erfordert einen Zuſchauer.

Die Geſchichte werden zu Erzehlungen und
Nachrichten, wenn man ſich dieſelbe vorſtellt, und
durch Worte ausdruckt (§. 14.): und die Hiſto-
rie begreifft alles dieſes in ſich (§. 17.). Eine
Hiſtorie erfordert daher eben ſowohl, als jede Er-
zehlung, einen Zuſchauer der Begebenheit, wel-
cher ſich dieſelbe vorgeſtellt, und ſie in eine Er-
zehlung und Hiſtorie gebracht hat.

§. 25.
Eintheilung der Dinge, welche geſchehen.

Die Dinge, welche geſchehen, haben unter
ſich eine groſſe Abtheilung: theils ſind ſie ge-
ſchehen; theils werden ſie geſchehen: jenes
heiſſen vergangene, dieſes zukuͤnftige Dinge.
Man koͤnte nun zwar bey der hiſtoriſchen Erkent-
niß, die dritte Art, nehmlich die gegenwaͤrti-
gen Dinge, als die wichtigſten und betraͤchtlich-
ſten auſehen: allein weil dasjenige, was geſchie-
het, augenblicklich geſchiehet, und mithin indem
und ſo lange es geſchiehet, keine beſondere Be-
trachtung und Ueberlegung leidet, als worzu Zeit
erfordert wird: ſo wird die hiſtoriſche Erkentniß
gemeiniglich davor angeſehen, als ob ſie bloß auf
vergangene und zukuͤnftige Dinge gerichtet
waͤre.

§. 26.
Zukuͤnfftige Dinge gehoͤren zum Geſchichten.

Die Erkentniß der vergangenen Dinge
wird im gemeinen Leben vor die gantze hiſtoriſche

Erkent-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0050" n="14"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Capitel,</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 24.<lb/>
Jede Hi&#x017F;torie erfordert einen Zu&#x017F;chauer.</head><lb/>
          <p>Die Ge&#x017F;chichte werden zu Erzehlungen und<lb/>
Nachrichten, wenn man &#x017F;ich die&#x017F;elbe vor&#x017F;tellt, und<lb/>
durch Worte ausdruckt (§. 14.): und die Hi&#x017F;to-<lb/>
rie begreifft alles die&#x017F;es in &#x017F;ich (§. 17.). Eine<lb/>
Hi&#x017F;torie erfordert daher eben &#x017F;owohl, als jede Er-<lb/>
zehlung, einen Zu&#x017F;chauer der Begebenheit, wel-<lb/>
cher &#x017F;ich die&#x017F;elbe vorge&#x017F;tellt, und &#x017F;ie in eine Er-<lb/>
zehlung und Hi&#x017F;torie gebracht hat.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 25.<lb/>
Eintheilung der Dinge, welche ge&#x017F;chehen.</head><lb/>
          <p>Die Dinge, welche ge&#x017F;chehen, haben unter<lb/>
&#x017F;ich eine gro&#x017F;&#x017F;e Abtheilung: theils <hi rendition="#fr">&#x017F;ind &#x017F;ie ge-<lb/>
&#x017F;chehen;</hi> theils <hi rendition="#fr">werden &#x017F;ie ge&#x017F;chehen:</hi> jenes<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">vergangene,</hi> die&#x017F;es <hi rendition="#fr">zuku&#x0364;nftige</hi> Dinge.<lb/>
Man ko&#x0364;nte nun zwar bey der hi&#x017F;tori&#x017F;chen Erkent-<lb/>
niß, die <hi rendition="#fr">dritte</hi> Art, nehmlich die <hi rendition="#fr">gegenwa&#x0364;rti-<lb/>
gen</hi> Dinge, als die wichtig&#x017F;ten und betra&#x0364;chtlich-<lb/>
&#x017F;ten au&#x017F;ehen: allein weil dasjenige, was <hi rendition="#fr">ge&#x017F;chie-<lb/>
het,</hi> augenblicklich ge&#x017F;chiehet, und mithin indem<lb/>
und &#x017F;o lange es ge&#x017F;chiehet, keine be&#x017F;ondere Be-<lb/>
trachtung und Ueberlegung leidet, als worzu Zeit<lb/>
erfordert wird: &#x017F;o wird die hi&#x017F;tori&#x017F;che Erkentniß<lb/>
gemeiniglich davor ange&#x017F;ehen, als ob &#x017F;ie bloß auf<lb/><hi rendition="#fr">vergangene</hi> und <hi rendition="#fr">zuku&#x0364;nftige</hi> Dinge gerichtet<lb/>
wa&#x0364;re.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 26.<lb/>
Zuku&#x0364;nfftige Dinge geho&#x0364;ren zum Ge&#x017F;chichten.</head><lb/>
          <p>Die Erkentniß der <hi rendition="#fr">vergangenen</hi> Dinge<lb/>
wird im gemeinen Leben vor die gantze hi&#x017F;tori&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Erkent-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0050] Erſtes Capitel, §. 24. Jede Hiſtorie erfordert einen Zuſchauer. Die Geſchichte werden zu Erzehlungen und Nachrichten, wenn man ſich dieſelbe vorſtellt, und durch Worte ausdruckt (§. 14.): und die Hiſto- rie begreifft alles dieſes in ſich (§. 17.). Eine Hiſtorie erfordert daher eben ſowohl, als jede Er- zehlung, einen Zuſchauer der Begebenheit, wel- cher ſich dieſelbe vorgeſtellt, und ſie in eine Er- zehlung und Hiſtorie gebracht hat. §. 25. Eintheilung der Dinge, welche geſchehen. Die Dinge, welche geſchehen, haben unter ſich eine groſſe Abtheilung: theils ſind ſie ge- ſchehen; theils werden ſie geſchehen: jenes heiſſen vergangene, dieſes zukuͤnftige Dinge. Man koͤnte nun zwar bey der hiſtoriſchen Erkent- niß, die dritte Art, nehmlich die gegenwaͤrti- gen Dinge, als die wichtigſten und betraͤchtlich- ſten auſehen: allein weil dasjenige, was geſchie- het, augenblicklich geſchiehet, und mithin indem und ſo lange es geſchiehet, keine beſondere Be- trachtung und Ueberlegung leidet, als worzu Zeit erfordert wird: ſo wird die hiſtoriſche Erkentniß gemeiniglich davor angeſehen, als ob ſie bloß auf vergangene und zukuͤnftige Dinge gerichtet waͤre. §. 26. Zukuͤnfftige Dinge gehoͤren zum Geſchichten. Die Erkentniß der vergangenen Dinge wird im gemeinen Leben vor die gantze hiſtoriſche Erkent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/50
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/50>, abgerufen am 27.04.2024.